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Kommentar Freihandelsabkommen TTIPWie wollen wir leben?

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Die Freunde des Freihandelsabkommens ducken sich weg, vor allem Angela Merkel. Doch im Europa-Wahlkampf muss es prominent auf den Tisch.

Die Macht der Konzerne – hier sichtbar am New Yorker Time Square Bild: dpa

W o sind eigentlich die Freunde des Freihandels geblieben? Je näher die Europawahl rückt, desto weniger ist von ihnen zu hören. Dabei wird es langsam eng für die Befürworter des umstrittenen Transatlantischen Handelsabkommens (TTIP). Der Widerstand wächst, der DGB und das SPD-geführte Bundesumweltministerium gehen auf Distanz. Aus Bayern werden neuerdings sogar Rufe nach einer europaweiten Volksabstimmung laut.

Die Rufe dürften noch lauter werden, wenn der Öffentlichkeit bewusst wird, was da verhandelt wird. Die vertraulichen Leitlinien des EU-Ministerrates für die Verhandlungen mit den USA, die jetzt von den Grünen im Europaparlament publik gemacht wurden, bestätigen nämlich manch bösen Verdacht der TTIP-Kritiker. Die Kultur wird doch nicht wie versprochen aus dem Vertragswerk ausgenommen, auch öffentliche Dienstleistungen (etwa imBereich Wasser, Gesundheit oder Bahn) können weiter unter massiven Privatisierungsdruck geraten.

Doch Kanzlerin Merkel, die das Abkommen gemeinsam mit Kommissionschef Barroso ausgeheckt und trotz des NSA-Spionageskandals durchgedrückt hat, duckt sich weg. Dabei gehört sie zu den unbedingten Fans des Freihandels, schließlich geht es ja um die deutsche Exportwirtschaft. Trotz des laut vernehmlichen Grummelns bei ihren Koalitionspartnern SPD und CSU schweigt die Kanzlerin. Sie gibt den Schwarzen Peter lieber an die EU weiter und tut so, als habe sie damit nichts zu tun.

In Brüssel wächst deshalb der Ärger. Vor der jetzt beginnenden Verhandlungsrunde steht die EU-Kommission mit dem Rücken zur Wand. Den wohl wichtigsten Aspekt des TTIP-Abkommens – die geplanten Schutzregeln für Konzerne bei Investitionen – hat die Kommission schon auf Eis gelegt.

Selbst einige EU-Länder ziehen nicht mehr mit. Brüssel will nun erst mal eine Denkpause einlegen und konsultieren. Doch das reicht nicht. Nach allem, was jetzt über die Verhandlungsinhalte bekannt ist, kann es kein business as usual mehr geben. Alle Karten müssen auf den Tisch, auch die deutschen. Berlin darf sich nicht länger hinter Brüssel verstecken.

TTIP muss zu einem großen, vielleicht sogar dem zentralen Thema im Europawahlkampf werden. Schließlich geht es dabei um die Frage, wie wir in Zukunft leben und arbeiten wollen.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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17 Kommentare

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  • Europawahlen vom 22. bis 25. Mai 2014

    als Chance erkennen

     

    Daß der Bürger künftig von internationalen Monopolisten, vorrangig von amerikanischen, regiert, schutzlos manipuliert und schikaniert werden könnte, stand 2013 in keinem einzigen Wahlprogramm der großen Parteien zur Debatte. Die brisanten Inhalte des Freihandelsabkommens, die den Interessen der Bevölkerung mehrheitlich zuwiderlaufen, unterliegen bis zum heutigen Tag strengster Geheimhaltung. Wessen Herren Diener sind unsere Politiker eigentlich? Zeigen wir den Brüsseler Technokraten die "Rote Karte"und erteilen ihnen in ihrer Selbstherrlichkeit eine heilsame Lehre: Immer mit dem Volk - nie dagegen, denn wir sind die staatstragende Kraft - wer diesen Regeln zuwiderhandelt, geht unter.

    So hat es die Geschichte gezeigt .

    Memento: 09.November 1989 Leipzig!

  • T
    txxx666

    Frist fast verstrichen…

    Bitte schnell (bis spätestens übermorgen) noch unterschreiben und weitersagen:

    Die Petition an den Deutschen Bundestag gegen das neoliberale und undemokratische “Transatlantische Freihandelsabkommen” (TTIP)

    http://misanthrope.blogger.de/stories/2383275/

  • E
    EinäugigOderBlauäugigOderSchlitzohrig?

    @WIN-WIN

    Der Staat ist kein Wegelagerer,

    sondern ermöglicht

    Sicherheit, Bildung, Kultur,

    Gesundheitsversorgung,

    Altersrente usw. !!!

    Das ist wohl um ein Vielfaches wichtiger als Rabatte auf Shrimps durch Wegfall von Zöllen!!

    Und das Erdgas wird uns Russland

    nicht abdrehen, es sei denn

    wir beschwören hier den 3. Weltkrieg hoch, damit die Amis

    einen Erdgaskonkurrenten weniger haben und wir wieder einen Monopolisten haben, der nun aber seine Bürger systematisch mit Fracking-Chemikalien und entzündlichen "Trinkwasser" vergiftet!

  • F
    Fast_Gast

    @WIN-WIN - Gast:

    Wer so spricht hat sich mit den Hintergründen des TTIP nicht befasst...

    Bisher hat es so wenig interssiert, weil die Politik die Sachen im Dunkeln halten will. Kurz vor der Europawahl wird die 'Mutti' auch immer leiser. Das Volk wird lieber mit irgendeinem Maut- oder Hoeneß Quatsch beschäftigt, als das solche Sachen wie das TTIP auf dem Tisch kommen, die hinter verschlossenen Türen von irgendwelchen Lobbyisten ausgehandelt werden und jeden EU-Bürger betreffen wird.

    Das TTIP kann sowohl viele Nachteile für alle bringen und wir müssen früher oder später als Steuerzahle dafür zahlen wenn US-Firmen den deutschen Staat auf möglich entgangene Investitionen verkagen.

    Wenn laut IFO-Institut – das Wachstum durch das TTIP insgesamt um 0,5% in zehn Jahren steigen sollte – also um satte 0,05% pro Jahr ist das ein Witz.

    Lang diskutierte und erstrittene Umwelt- und Lembesmittelstandards und Deklarierung der Lebensmittel werden durch ein paar Unterschriften komplett verweicht oder aufgehoben.

    Es gibt sowieso kaum Zölle zwischen USA und der EU.

    Das TTIP braucht kein Mensch!!!

  • W
    Win-Win

    Genau, weil am Times Square für ein Musical und Pepsi geworden wird, lenken uns

    die Konzerne. Deswegen sind 95 Prozent der PepsiCo-Aktien auch im Streubesitz…

    Für das TTIP interessiert sich nur aus einem Grund keine Sau – weil es keinerlei Nachteile bringt.

    Daimler darf leichter exportieren, wir dürfen billiger US-Gas importieren wenn Zar Putin den Hahn für das Erdgas abdreht.

     

    Außerdem können wir Shrimps und Weizen billig importieren, statt dem Staat den Zoll in den Rachen zu werfen oder gar auf Chemie-Produkte aus Ostasien angewiesen zu sein.

  • DP
    Der Pinguin

    Wenn in Deutschland amerikanische Standarts eingeführt werden, darf dann jeder mit offener Hose und einem 45er herumlaufen?

  • N
    Nenäch

    Das Freihandelsabkommen mit den USA macht mir Sorge, was ich aber wirklich befürchte ist, dass ich auf meinen Champus von der Krim verzichten muß.

  • Wir werden von einer Dilettantin und Konzernmarionette regiert. Und eine Mehrheit will es so.

    • G
      gzzz
      @vic:

      wir sind doch schließlich die guten!!!

  • Ein Freihandelszone sollte beiden Seiten Vorteile bringen, zumal der Handel mit der Diktatur in Russland nicht einfach wird. Doch die unterschiede im Umwelt und Verbraucherschutz sind viel zu groß um einen vernünftigen Wettbewerb entstehen zulassen.

     

    Was in Europa ein groß Betrieb ist, ein landwirtschaftlicher Betrieb mit 1000 Kühen oder 10.000 Schweinen, ist in den USA und Kanada eine kleine Klitsche, was für Agraromantriker. In Amerika sind Masthormone erlaubt, GVO's gehören zum Alltag, usw. Ich bin mir sicher das Fachleute diese Liste ohne Probleme erweitern können.

     

    Freihandelszone ja, aber zu Europäischen Standards.

    • G
      gzzz
      @Jörg 70:

      "Diktatur in Russland"

      ist blödsinn, weißt du selbst oder?!?

      ansonsten gebe ich dir größtenteils recht, wobei nicht unerwähnt bleiben sollte, wenn ich mich recht erinner, dass es bspw im bereich arzneimittel die usa ein strengeres verfahren haben. im prinzip ist es ein perfektes werkzeug um die "demokratie" weiter auszuhölen. die gesetze werden reinen makulatur, dafür können die parteien einen bürgerfreundlichen und völlig "ungefährlichen" wahlkampf führen...schöne aussichten

    • H
      Hans
      @Jörg 70:

      Keine Sorge, Europäische tandards sind ganz schnell US-Standards.

  • Hallo TTIP-Kommentator, bitte schnellstens aufwachen! Hier fehlt jeglicher Hinweis auf CETA (das Abkommen mit Kanada). CETA stellt aktuell das wesentlich größere Problem dar, da CETA nahezu unterschriftsreif ausverhandelt ist. Und wenn CETA demnächst rechtskräftig werden sollte, können wir uns den TTIP-Widerstand fast "schenken". Denn über ihre Tochterfirmen in Kanada und durch die NAFTA-Verbindung bekommen die US-Konzzenre dadurch schon hinreichend Zugriff auf Europa. Wenn die TAZ das schon nicht "auf dem Schirm" hat, wer denn dann....

    • G
      Gast
      @meisterloewe67:

      Die TAZ hat CETA auch auf dem Schirm.

      Ulrike Hermann interviewt Peter Fuchs

      „Entwarnung wäre verfrüht“

      Die größten Bedenken gegen die Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA kommen vom EU-Parlament, sagt Handelsexperte Peter Fuchs. Aber nützt das?

      https://www.taz.de/Volkswirt-ueber-TTIP/!134499/

  • Im sogenannten “Freihandelsabkommen” geht es eben im Wesentlichen nicht um Freihandel, sondern um den “Investorenschutz”. Damit ist gemeint, dass Reiche und Konzerne über's Gesetz gestellt werden, und Staaten ihnen ihre Profite garantieren müssen gerade auch in den Fällen, in denen sie Gesetze wider solcher Profitinteressen erlassen.

     

    Das ist zutiefst antidemokratisch. Dass Merkel hier dahinter steckt, erfährt man kaum aus der Presse (dieser Artikel ist eine löbliche Ausnahme).

     

    Die Frage ist wirklich, wie wir leben wollen: wollen wir wirklich Milliarden Tribut an Monsanto bezahlen, falls wir deren Genmais doch nicht einführen wollen, um ihren Profit trotzdem zu gewährleisten?

    • KU
      Kapitalismus und Freiheit
      @Volker Birk:

      Es gibt eigentlich nur einen Bereich, wo für unbestellte (und ungenutzte) Ware bezahlt werden muss:

      Die GEZ-Zwangsfinanzierung.

       

      Wenn der Bauer das optimierte (und seit Jahrzehnten erprobte und bewährte...) Saatgut nicht haben will, dann wird er es nicht kaufen.

       

      Das nennt sich Freie Marktwirtschaft...

  • KK
    Kein Klondingsbums

    Hauptsache wir kriegen kein Klonfleisch aus den USA. Was die dort essen ist mir egal. Aber alles muss nicht nach Europa - was auch für die bewaffneten Mini-Personen-Drohnen gilt. Ganz interessant: Vor allem das offizielle Logo !!!MUSS MAN GESEHEN HABEN!11, vom "PROGRAM EXECUTIVE OFFICE - UNMANNED AVIATION & STRIKE WEAPONS" (Logo Sensemann im oberen Textdrittel):

    http://www.climateviewer.com/drone-tracker.html