Wer entscheidet übers Bleiberecht?: Politiker bleiben unter sich
Die FDP will Abgeordnete der Parteien in der Härtefallkommission durch Fachleute ersetzen. Die SPD spielt da nicht mit, das System habe sich „bewährt“.
HAMBURG taz | Die FDP will die Hamburger Härtefallkommission grundlegend reformieren. Politiker raus, Fachleute rein, heißt die Devise eines Antrags, den die Liberalen am heutigen Mittwoch in die Bürgerschaft einbringen wollen.
In dem Gremium, das befugt ist, ausreisepflichtigen Ausländern aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, sitzen bislang fünf Delegierte der Fraktionen SPD, CDU, Grüne, Linke und FDP. Zukünftig sollen sie durch jeweils einen Vertreter von Innenbehörde, Sozialbehörde, evangelischer Kirche, katholischer Kirche, Flüchtlingsrat, Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, Integrationsbeirat, Amnesty International, Ärztekammer und Anwaltskammer ersetzt werden.
Hamburgs Nachbarn Niedersachsen, Bremen und Schleswig-Holstein haben die Zusammensetzung des Gremiums reformiert. Hier sind die Härtefallkommissionen ähnlich besetzt, wie es die FDP für Hamburg will.
„Wir werden oft vor so komplexe Entscheidungen gestellt, wo uns der fachliche Sachverstand fehlt“, begründet Finn-Ole Ritter, der für die FDP in der Härtefallkommission sitzt, die Initiative seiner Partei. Durch „ein fachlich zusammengesetztes Gremium“ erwartet Ritter „fundiertere Entscheidungen“.
Die Hamburger Härtefallkommission existiert seit 2005. Sie darf nach Paragraph 23a des Aufenthaltsgesetzes ausreisepflichtigen Ausländern eine Aufenthaltserlaubnis erteilen, wenn ein Härtefall vorliegt. Letztendlich aber entscheidet die Ausländerbehörde.
35 Eingaben aus dem Eingabenausschuss, der mit der Härtefallkommission eng verzahnt ist, gelangten 2013 vor das Gremium. In rund 70 Prozent aller Fälle wurde der Eingabe stattgegeben.
Die Ausländerbehörde setzte nach Auskunft der SPD in den vergangenen Jahren alle Härtefall-Aufenthaltstitel um. Nach Meinung der Grünen aber in Einzelfällen stark verspätet und mit zusätzlichen Auflagen.
Zudem sollte das Konsensprinzip durch ein Mehrheitsprinzip ersetzt werden: Sieben Stimmen des dann zehnköpfigen Experten-Gremiums wären notwendig, um einen Aufenthaltsanspruch zu beschließen. Heute müssen alle fünf Parteienvertreter zustimmen – schert einer aus, ist der Fall kein Härtefall.
Bei der SPD-Fraktion allerdings hat die FDP-Offerte keine Chance. Sie wird den Antrag der Liberalen in der Bürgerschaft heute wohl schlicht ablehnen. „Es gibt keinen Grund, ein bewährtes System zu ändern“, findet Sören Schumacher, der für die SPD in der Kommission sitzt.
Bei einem aus verschiedenen Institutionen zusammengesetzten Gremium stelle sich zudem immer auch „die Legitimitätsfrage.“ Schumacher: „Warum etwa gehört für die FDP etwa kein Vertreter der muslimischen Verbände in das Gremium?“ Den FDP-Antrag ersetzt die SPD durch einen eigenen, in dem sie den Senat auffordert, „jährlich über die Ergebnisse der Härtefallkommission in geeigneter Form zu berichten.“ Die Struktur der Kommission bleibt unangetastet.
Die Grünen aber würden über den FDP-Antrag gern ausführlicher diskutieren und ihn in den Innenausschuss überweisen. Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion, Antje Möller, hält es zwar „für den richtigen Impuls, die Zusammensetzung des Gremiums grundlegend zu verändern“, der Antrag jedoch sei „eine Mogelpackung“ und in vielen Punkten „nicht hilfreich“ oder gar „richtig schlecht“.
Der Grund: Die FDP habe zahlreiche „Zugangshürden“ in ihren Gesetzentwurf hineingeschrieben, die „dafür sorgen, dass viele Fälle, die bislang in der Härtefallkommission landeten, dort in Zukunft nicht mehr auftauchen“ würden. So wollen die Liberalen etwa Flüchtlinge von der Härtefallprüfung ausschließen, die „behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich hinausgezögert oder behindert haben“ – ein Vorgehen, das jeder im Ausländerrecht beschlagene Anwalt seinen Mandanten in aller Regel nur wärmstens empfehlen würde.
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