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Jugendhilfe in der KriseLinke: Jugendamt vor Kollaps

Die Linke fordert Krisenstab für den Sozialen Dienst: Nach dem Tod des Mädchens Yagmur habe sich dessen Situation sogar verschlechtert

Wer vorm Computer resigniert, kann niemandem mehr helfen. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Linke hat in der Bürgerschaft beantragt, einen Krisenstab zur Rettung des Allgemeinen Sozialen Diensts (ASD) einzurichten. Nach dem Tod des städtisch betreuten Mädchens Yagmur im Dezember habe sich die Lage in fast allen Bezirken zugespitzt: Mitarbeiter seien langfristig erkrankt; sie flüchteten aus dem Beruf; Überlastungsanzeigen seien an der Tagesordnung. Der ASD stehe „vor dem Kollaps“. Auch die Gewerkschaft Ver.di hat strukturelle Verbesserungen beim Kinderschutz gefordert.

Yagmurs Tod und das Chaos im Amt

Yagmur war im Dezember an einem Leberriss gestorben, nachdem sie zuvor über längere Zeit – wahrscheinlich von ihrem Vater – misshandelt worden war. Der Fall sorgte für Aufsehen, weil das Mädchen von verschiedenen städtischen Stellen betreut wurde und erst vor zwei Jahren ein Mädchen unter städtischer Aufsicht zu Tode gekommen war.

Am Mittwoch tagte zum zweiten Mal der Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft zu dem aktuellen Fall. Die Linke hätte an dessen Stelle lieber eine Enquetekommission gesehen.

Die Linke begründete ihren Alarm mit den „dramatischen Nachrichten“, die sie von den ASD-Abteilungen der Bezirke erhalten habe. Auf die Probleme beim Personal reagierten die Vorgesetzten, indem sie ehemalige MitarbeiterInnen zurückholten, bezahlte Überstunden anböten und die Fachstandards verringerten. „Die Arbeitsbedingungen und die Ausgestaltung der Jugendhilfe müssen sofort auf den Prüfstand“, verlangte der Abgeordnete Mehmet Yildiz.

Ausfälle durch Schwangerschaft

Seine Kollegin von der regierenden SPD, Melanie Leonhard, wollte nicht bestätigen, dass es zunehmend Überlastungsanzeigen gegeben hätte. Dass die Fachstandards gesenkt worden seien, müsse Yildiz erst einmal belegen. Leonard räumte aber ein, dass die Arbeitsbelastung beim ASD ein Problem sei.

Außerdem arbeiteten dort viele junge Mitarbeiterinnen, die oft durch Schwangerschaften ausfielen. Durch Absprachen zwischen den Bezirken und der Sozialbehörde sei es jedoch gelungen, mehr als 96 Prozent der ASD-Stellen zu besetzen.

Nach Erkenntnissen der Linken und Ver.dis belastet die Einführung des EDV-Systems Jus-it mit seinen erweiterten Dokumentationspflichten die SozialarbeiterInnen zusätzlich. Es raube ihnen Zeit für das Gespräch mit ihren KlientInnen. Leonhard widerspricht: „Eine gute Falldokumentation ist das A und O – das sagen alle Fachleute“, argumentierte sie. Die alte EDV habe ohnehin ersetzt werden müssen.

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