Streit über Atommüll-Kommission: Finde das Endlager
Die Kommission zur Endlagersuche soll in zwei Wochen eingesetzt werden. Politik und Umweltverbände sind in wichtigen Punkten unverändert unversöhnlich.
Vom großen Konsens, vom „Neustart“ der Endlagersuche, den die Bundesregierung im vergangenen Jahr versprochen hatte, war in den letzten Monaten nicht viel zu spüren. Zwar hatten sich die Parteien mit breiter Mehrheit auf ein mehrstufiges Verfahren geeinigt, wie bis zum Jahr 2034 ein Standort zur dauerhaften Lagerung von hochradioaktivem Müll gefunden werden soll.
Doch die Umweltverbände und Anti-Atom-Initiativen, die sich seit Jahrzehnten mit diesem Thema beschäftigen, fühlten sich nicht eingebunden und sahen das Ergebnis kritisch. Eine Mitarbeit in der 33-köpfigen Expertenkommission, die das Gesetz evaluieren und Kriterien für mögliche Endlager entwickeln soll, lehnten sie darum zunächst ab.
Nachdem Politiker aller Parteien anfangs mit Empörung auf diese Entscheidung reagiert und gedroht hatten, die zwei für Umweltverbände vorgesehenen Plätze einfach leer zu lassen, hat sich inzwischen offenbar die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine Kommission ohne deren Beteiligung wenig hilfreich wäre, wenn das Verfahren am Ende akzeptiert werden soll. Kurz vor der geplanten Einsetzung der Kommissionsmitglieder am 10. April bemühen sich Bundesregierung und Parlamentarier darum auf vielen Kanälen um die Gunst der Anti-Atom-Bewegung.
Neues Vertrauen
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die bereits kurz nach Amtsantritt den umstrittenen Atomaufseher Gerald Hennenhöfer zwangspensioniert hatte, legte in dieser Woche nach und zog eine Klage zurück, mit der der Bund die Aufhebung des Rahmenbetriebsplans für den Salzstock Gorleben verhindern wollte. Für eine weitere Erkundung dieses umstrittenen Standorts gibt es damit zunächst keine Rechtsgrundlage mehr. Hendricks’ erklärtes Ziel: „Wir wollen neues Vertrauen für den Prozess der Endlagersuche gewinnen.“ Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger würdigte dies als „positives Signal“.
In der letzten Woche gab es erstmals ein offizielles Treffen von Bundes- und Landespolitikern mit den Umweltgruppen. An diesem Wochenende stellen sich die zuständigen Berichterstatter aller Bundestagsfraktionen zudem auf einer Konferenz der Kritik und den Forderungen der Verbände. Diese hatten ursprünglich verlangt, Gorleben in der neuen Endlagersuche komplett auszuschließen; sonst, so ihre Befürchtung, werde dieser Standort am Ende trotz erheblicher Mängel durchgedrückt, weil dort schon 1,6 Milliarden Euro investiert worden seien und bereits 113 Castorbehälter im Zwischenlager lägen.
Einige Gruppen wie Greenpeace und Robin Wood haben ihre Mitarbeit in der Kommission darum kategorisch ausgeschlossen. „Das Gesetz bietet keinen echten Neustart“, sagt etwa der Atomexperte von Greenpeace, Tobias Riedl.
Andere Akteure wie der Umweltverband BUND oder die bundesweite Anti-Atom-Initiative .ausgestrahlt halten eine Mitarbeit in der Kommission für möglich, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Auf einige davon – etwa dass Entscheidungen im Regelfall im Konsens fallen oder dass die Kommission in zwei Phasen arbeitet und zunächst das Gesetz evaluiert – scheint sich die Politik einlassen zu wollen. Nach taz-Informationen arbeiten die Fraktionen derzeit an einem gemeinsamen Entschließungsantrag, der diese Forderungen aufgreift und gleichzeitig mit der Wahl der Kommissionsmitglieder im April verabschiedet werden soll.
Doppelspitze für die Umweltgruppen
Auch im Streit um den Vorsitz der Kommission zeichnet sich eine Lösung ab. Die ehemalige CDU-Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser, auf die sich die Berichterstatterinnen aller Fraktionen im letzten Jahr geeinigt hatten, war vom Land Niedersachsen und den Umweltgruppen stark kritisiert worden. Geprüft wird nach Auskunft von Matthias Miersch (SPD) derzeit, ob ein alternierender Vorsitz oder eine Doppelspitze laut dem bestehenden Gesetz möglich sind.
Vielleicht wird dieser zusätzliche Posten den Umweltverbänden selbst angeboten. „Wenn sie dauerhaft mitarbeiten wollen, halte ich es grundsätzlich für denkbar, dass die Umweltgruppen den zweiten Vorsitzenden stellen“, sagte der zuständige CDU-Abgeordnete Steffen Kanitz der taz.
Gegen andere Forderungen gibt es deutlich mehr Widerstand. Festhalten will das Umweltministerium etwa an der sogenannten Veränderungssperre in Gorleben, die dort alle Arbeiten verbietet, die eine Eignung des Salzstocks als Endlager begrenzen würden. „Eine solche Regelung muss entweder für alle potenziellen Standorte gelten oder für keinen“, kritisiert .ausgestrahlt-Sprecher Jochen Stay. Auch der Wunsch, dass die geplante neue Endlagerbehörde erst aufgebaut wird, wenn die Expertenkommission ihre Arbeit abgeschlossen hat, scheint keine Akzeptanz zu finden.
Andere Wissenschaftler
Für Streit dürfte darüber hinaus die Forderung sorgen, andere Wissenschaftler in die Kommission zu entsenden als bisher geplant. Neben jeweils acht nicht stimmberechtigten Vertretern des Bundestags und des Bundesrats, jeweils zwei Vertretern der Kirchen, der Gewerkschaften, der Industrie und der Umweltgruppen stellen die acht Wissenschaftler die größte Gruppe der Kommissionsmitglieder.
Vorgesehen sind bisher einige Experten, die in der Vergangenheit als entschiedene Befürworter des Standorts Gorleben aufgetreten sind – etwa Bruno Thomauske, der im Bundesamt für Strahlenschutz 15 Jahre lang für das Projekt zuständig war und später beim Energiekonzern Vattenfall arbeitete. Andere wie der Geologe Ulrich Kleemann gelten als erklärte Gegner dieses Standorts.
Das hält Jochen Stay nicht für sinnvoll: „Wir brauchen Experten, die nicht einer Konfliktpartei angehören, sondern für alle Seiten vertrauenswürdig sind“, sagte er – und fordert, dass die anderen Kommissionsmitglieder die Wissenschaftler einvernehmlich festlegen. „Das wäre eine gute Idee gewesen“, sagt dazu die Grünen-Abgeordnete Sylvia Kotting-Uhl. „Aber jetzt scheint mir das kaum noch möglich.“ Auch Miersch und Kanitz wollen keine neue Debatte über die Wissenschaftler.
Ob es am Ende zu einer Einigung kommt, muss sich nach Ansicht der Politiker in den nächsten zwei Wochen klären. Denn in einem sind sie sich trotz aller Zugeständnisse an die Umweltgruppen einig: Eine erneute Verschiebung der Kommissionswahl soll es nicht geben.
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