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Kochkurs für ArmeMit Hartz IV zu den Sternen

Im niedersächsischen Landkreis Rotenburg gibt ein ehemaliger Spitzenkoch Kochkurse für Arbeitslose.

Geht doch: Kochkurs für Arme. Bild: dpa

BREMEN taz | Eine Gurke. Waschen (mit Pril, gegen die Chemie), Schalen abschneiden, diese dann pürieren, einen Schlag Sahne dazu, würzen – schon ist die Gurkenschalenrahmsuppe fertig. „Schmeckt hervorragend“, sagt Fritz Strunk. Vor allem aber koste die Suppe fast nichts, denn die Schalen, so sagt er, „hätte man ja eigentlich weggeschmissen“. Strunk ist pensionierter Koch. 1976 hatte er mal einen Stern von Michelin. Seit einiger Zeit bietet er mit dem Jobcenter im niedersächsischen Landkreis Rotenburg Kochkurse für Hartz-IV-Empfänger an. Am Ende steht immer ein Gala-Dinner, drunter geht es nicht. Gesund kochen trotz „begrenztem finanziellen Spielraum“, diese „Problemlage“ sei nach einer Kundenbefragung „aufgegriffen“ worden, wirbt das Jobcenter.

391 Euro beträgt der Hartz-IV-Satz für einen Erwachsenen im Monat. 138 Euro davon sind für Nahrungsmittel, macht knapp 4,50 Euro am Tag. „Saisonal und regional einkaufen“, das sei der Trick, sagt Ex-Sternekoch Strunk. „Ein Bund Möhren ist günstig und sehr gesund“, sagt er. „Ein Stückchen Putenfleisch dazu, auch sehr günstig und hoch eiweißhaltig.“ Auch Lachs bekomme man derzeit überall.

Laut Strunk sei in der gehobenen Armenspeisung eigentlich alles wie in der Sterneküche: „Auch die kocht à la minute, günstig und frisch.“ Teuer sei die Spitzengastronomie vor allem des Service wegen, der dreisprachig sein und die Weine kennen müsse. „Und weil da noch Blumen auf dem Tisch stehen.“

Viele haben das Thema schon aufgegriffen. Zahlreiche Sparkochbücher oder Websites erklären, warum es kein Problem sei, gesund für wenig Geld zu kochen. Immer wieder mit dabei sind Fernseh-Sterneköche wie Tim Mälzer: Es läge allein an deren „Haltung“, dass Leuten Suppen oder Eintöpfe heutzutage nicht mehr gut genug seien, erklärte der Gutverdiener Mälzer einmal in der Bild-Zeitung.

Auch Strunk sagt: „Es ist eine Sache der Lust, so zu kochen, wie es früher die Großmütter gemacht haben.“ Beschweren, dass sie zu wenig Geld fürs Essen hätten, würden sich seine TeilnehmerInnen nicht. Am Anfang jedes Kurses frage er deren Wissen ab. „Ich gehe grundsätzlich mit ihnen auf den Markt – Staudensellerie kennen die nicht.“ Die Kurse seien beliebt, maximal dürfen 15 Hartz-IV-EmpfängerInnen teilnehmen, „meistens Alleinerziehende“, sagt Strunk. Er meint es gut.

„Solche Kochkurse können subjektiv hilfreich sein“, sagt der Soziologe Stephan Lorenz, der an der Uni Jena zu Konsum und Ausgrenzung forscht. Auch wenn diese Initiativen typischerweise gut gemeint seien, gingen sie aber auch immer in die Richtung, dass Leute sich über die Höhe ihrer Grundsicherung nicht zu beschweren hätten. Die Frage bei solchen Kochkursen sei, ob auf die Vorstellungen der TeilnehmerInnen eingegangen werde oder ein pädagogisches Programm durchgezogen werde. Interessant sei laut Lorenz: „Zu gesunder und nachhaltiger Ernährung wird immer betont, gutes Essen hat seinen Preis“.

Nur all die Hartz-IV-Kochkurse lehren das Gegenteil.

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6 Kommentare

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  • Es klingt wie Satire oder wieder so eine Gemeinheit gegen Hartz 4 Empfänger. Hat aber einen realen Hintergrund und dieser dürfte den Betroffenen vertraut sein. Auch Arbeitslose wollen mal in der Eckkneipe ein Bier trinken können. Dafür reicht aber die Kohle ganz sicher nicht, wenn man sich von Pizza und Döner ernährt. Dann ist die Stütze schneller weg als du denkst. Also muß man kochen können, denn nur so kommt man mit dem Geld irgendwie aus. Kochen heißt nicht, das man Meisterwerke zustandebringen muß, eben nur das es für eine genießbare Mahlzeit reicht. Jedenfalls für diejenigen, die nicht auf Muttis Kochkünste zurückgreifen können. Unbefreidigend? Ja sicher, aber was willst als Betroffener machen?

  • Und Charlie Chaplin kochte seine Schuhe!

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    „Solche Kochkurse können subjektiv hilfreich sein“

     

    Wer am "freiheitlichen" Wettbewerb um "Wer soll das bezahlen?" und "Arbeit macht frei" nicht teilnehmen darf, der soll wenigstens glauben gut zu essen, denn "Liebe" geht bekanntlich ja durch den Magen - ein voller Bauch tut's auch, damit die Bildung zu Suppenkaspermentalität stets systemrational wirkt!?

  • Es ist einfach nur noch widerwärtig, wie immer wieder versucht wird, den Hartz4-Empfängern weiszumachen, sie könnten doch mit dem Regelsatz gut leben. Vergessen wird da mal eben, das im Regelsatz ca. 20 € für Verkehr vorgesehen ist. In Frankfurt kostet das "Sozial"-ticket für den öffentlichen Nahverkehr 56 € monatlich. Auch der Teil des Regelsatzes der für Strom vorgesehen ist, den kann man nur als absurd weit entfernt von der Wirklichkeit beschreiben. Was die Ernährung angeht, so kann man nur feststellen, das gesunde Ernährung Geld kostet.

    Unschlagbar günstig sind da vergleichsweise Tütensuppen und Konserveneintöpfe. Wer seine Stromrechnung bezahlen möchte und auch ab und zu den Nahverkehr nutzen will, der kommt selbst nicht mit ach so gesunden, mit Pril gespülten Gurkenschalen nicht auf einen grünen Zweig. Derartige Empfehlungen sind einfach nur widerlich.

  • Ach lass uns mal ins Maritim gehen und dort das Menü bestellen für 400 Erwerbslose.

    Wird sicher lecker sein.

    Dann können wir ja weiter sehen.

  • Herr Strunk - super Name für einen Koch - wäscht seine Gurken mit Pril. Pril ist übrigens teuer! Aber egal, dann macht er aus den "sauberen" Schalen eine Suppe. Hört sich lecker an. Hoffentlich schmeckt man da das Abwaschmittel nicht raus.

     

    Mälzer ärgert sich, dass sich Arbeitslose "zu gut" für Eintöpfe seien. Stimmt. Steaks für die Arbeitsplatzbesitzer und Steckrüben für die Armen. Gemüse ist sowieso gesünder.

     

    Aber wann kommt der Nähkurs für Hartzis. Kleidung ist viel zu teuer. Kann man selber machen. Gleiches gilt für Schuhe und vieles andere mehr.

     

    Schade, dass diese hilfreichen Köche nicht auf die naheliegendste Idee kommen: Regelsätze erhöhen!