Kommentar Kostenfreiheit: Sozialpolitik ist mehr als Kita
Die kostenfreie Kita steht nicht zur Position. Mit Geld erfahren gut verdienende Eltern die höchste Entlastung, weil derzeit die Gebühren nach Einkommen gestaffelt sind.
H amburg hat, was die Einkommen seiner Bürger betrifft, auch Positives zu melden. Vom Jahr 2000 bis 2010 stieg das mittlere Einkommen von Paaren mit Kindern um 48 Prozent auf 4.110 Euro. Dies dürfte auch eine Folge der Kita-Politik sein. Denn seit 2004 haben in Hamburg berufstätige Eltern einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung.
Der bittere Preis war eine Ausgrenzung der Kinder nicht-berufstätiger Eltern von Hort- und Ganztagsplätzen. Inzwischen ist dies durch neue Regeln und Rechtsansprüche größtenteils wieder aufgehoben. Und das ist gut so. Der Kita-Bereich ist jeden investierten Cent wert.
Doch wenn es begrenzte Ressourcen gibt, sollte die Frage erlaubt sein, ob Kinderbetreuung für alle Einkommen kostenfrei sein muss. Dieses spät eingelöste Wahlversprechen von Olaf Scholz schlägt jährlich mit 75 Millionen Euro zu Buche. Und da die Gebühren nach Einkommen gestaffelt sind, erfahren gut verdienende Eltern mit 192 Euro im Monat auch die höchste finanzielle Entlastung. Für arme Familien sind es nur 27 Euro.
Es ist illusorisch zu glauben, dass an dieser Entscheidung noch gerüttelt wird. Im Vorwahlkampf wird sich die SPD den Gesichtsverlust eines nicht-eingelösten alten Wahlversprechens nicht erlauben. Aber diese 75 Millionen Euro machen deutlich, dass es trotz Schuldenbremse Spielraum für Prioritätensetzung gibt.
Geld, mit dem im übrigen Sozialbereich viel drohendes Unheil verhindert werden könnte. Denn Sozialpolitik besteht aus mehr als Kita. Nur treffen die Kürzungen bei Unterstützung und Beratung für Menschen in prekären Lebenslagen eben jene, die sich nicht lautstark artikulieren, ja im Zweifel sogar nicht mal zur Wahl gehen.
Hinzu kommt, dass auch jene, die sich gegen die Rotstiftpolitik positionieren, davor scheuen, dies zu kritisieren. Man will nicht das eine gegen das andere ausspielen, sondern grundsätzlich eine andere Steuerpolitik. Das wird ein zäher Kampf.
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