Joachim Lohse über Immobilien-Spekulation: „Die schärfsten Instrumente“
Joachim Lohse will mit einer Senats-Arbeitsgruppe Immobilien-Spekulation bekämpfen. Im Interview erklärt er, warum er Unterstützung braucht.
taz: Herr Lohse, Sie wollen Immobilien-Spekulation in Bremen bekämpfen, jetzt, da wohl auch der Rest der Wohnungen in der Grohner Düne an einen Immobilienfonds geht – und nicht an die Gewoba. Reichlich spät, oder nicht?
Joachim Lohse: Eigentlich hätte jeder vor 15 Jahren schon anfangen können, denn so lange reicht das negative Image der Grohner Düne zurück. Die Debatte ist in dieser Zuspitzung aber erst jetzt geführt worden.
Also ist die Gründung einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe Ihre Flucht nach vorn?
Man kann es genau umgekehrt sagen: Bremen ist da weiter als andere Städte. Man sieht das etwa beim Thema Flüchtlinge. Da haben wir festgestellt, dass man manche Dinge nur gemeinsam bewältigen kann. Deswegen nun meine Senatsinitiative für eine Arbeitsgruppe, um gemeinsam zu schauen, mit welchen Mitteln welche Missstände behoben werden können. Bis zum Sommer ist die auf die Beine gestellt. Um gegen Immobilienspekulation vorzugehen, gibt es Möglichkeiten im Baugesetzbuch.
An was denken Sie?
Wir sprechen von einer Stadtumbau-Satzung oder davon, ein förmliches Sanierungsgebiet festzulegen und der Stadt ein Vorkaufsrecht einzuräumen. Das sind Eingriffe ins Eigentumsrecht, die schärfsten Rechtsinstrumente die wir haben. Man muss deshalb genau begründen, was man machen will und warum: So etwas geht nicht für ein einzelnes Gebäude, man muss das gesamte Umfeld definieren. Wohnungseigentümer haben auch das Recht, dagegen vorzugehen. So etwas schüttelt man nicht aus den Armen.
Warum hat die Gewoba für die Grohner Düne nicht mehr Geld geboten?
55, ist seit 2011 grüner Senator für Bau, Umwelt und Verkehr. Bis 2009 leitete er das Öko-Institut in Freiburg und war dann Dezernent in Kassel.
Ganz so einfach ist es eben nicht. Die Gewoba hat schon mehr gemacht als jemals zuvor. Der Vorstand ist sogar über die geltende Investitionsstrategie hinausgegangen. Spekulative Fonds, die auf maximale Rendite aus sind, können anders auftreten. Sie haben mehr Spielraum, indem sie weniger Rücksicht auf Mieter nehmen, als jemand, der wie die Gewoba als guter und fairer Vermieter auftritt. Dabei ist die Gewoba als Aktiengesellschaft auch an strikte Regeln gebunden, reine Zuschussgeschäfte darf sie nicht machen. Wenn, dann müsste die Stadt selbst kaufen.
Aber?
Die Stadt Bremen hat sich bislang gescheut, wir sind ein Haushaltsnotlageland. 2012 haben die Häuser das letzte Mal den Besitzer gewechselt und da gab es keine öffentliche Diskussion. Wenn man damals reagiert hätte, wäre man dieses Mal vorbereitet gewesen. Aber das kann das Bauressort gar nicht allein machen.
Warum nicht?
Für ein Bauressort ist ein Eingreifen zwar auch nicht einfach, aber möglich, wenn es bauliche Probleme betrifft: Bei Schrottimmobilien, denen Türen und Fenster fehlen, mit Brandschutzproblemen oder maroden Treppenhäusern. Die Grohner Düne ist aber baulich in einem vergleichsweise guten Zustand. Sie ist keine Schrottimmobilie, die Situation dort ist komplizierter. Die Missstände, die dort beklagt werden, haben vier Senatsressorts gemeinsam vergeblich versucht anzugehen.
Sie meinen das Projekt „Pro Düne“?
Daran waren Inneres beteiligt, Justiz, Soziales und das Bildungsressort. Das Projekt ging bis März diesen Jahres und wurde dann beerdigt. Am Ende wurde gesagt, das Bauressort möge das mit den Mitteln aus „Soziale Stadt“ und „Wohnen in Nachbarschaft“ richten, wovon in den letzten 15 Jahren schon über 2,5 Millionen Euro investiert wurden. In meinem Ressort liegt ein Werkzeugkasten, aber wir müssen den Einsatz gemeinsam planen. Und auch fragen: Wie viel können wir dafür investieren?
Wie viel Geld ist denn nötig?
Wenn man ein Vorkaufsrecht der Stadt wahrnimmt, dann muss man zu dem Preis einsteigen, den der Höchstbietende geboten hat. Das würde Bremen einen zweistelligen Millionenbetrag kosten. Nehmen wir an, die Gewoba dürfte über ein Gebot von 15 Millionen nicht hinaus, aber der Meistbietende wollte 20 Millionen zahlen. Dann muss Bremen das aufbringen und würde das Objekt für 15 Millionen der Gewoba überlassen. Zu den 5 Millionen für die Differenz käme dann noch Geld, das in Sanierungs- und Umbaumaßnahmen fließt. Der Rückbau in Osterholz-Tenever hat 38 Millionen Euro gekostet.
Es gibt Forderungen nach einem Rückbau auch der Grohner Düne. Ist das eine Option?
Der Teilrückbau hat in Osterholz-Tenever und in Lüssum richtig viel gebracht. Aber man muss darüber genau nachdenken, denn in Osterholz-Tenever hatten wir 70 Prozent Leerstand, bei der Grohner Düne herrscht Vollvermietung. Man müsste Ersatzwohnungen beschaffen oder dafür sorgen, dass keine Neuvermietungen mehr stattfinden. Das, was dieses Objekt so attraktiv macht, ist, dass für viele Mieter das Sozialamt die Miete garantiert. Diesen Teufelskreis müssen wir durchbrechen – und das geht wiederum nur zusammen mit dem Sozialressort. Wie gesagt: Wir können das nicht alleine lösen.
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