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Leben ohne CO2-AbgaseAutoentzug für einen Monat

In Berlin Prenzlauer-Berg soll ein Kiez mit tausenden Einwohnern auf herkömmliche Pkws verzichten. Ziel ist Werbung für Elektromobilität.

Straßen frei für Elektroautos und Fahrräder: einen vollen Monat lang. Bild: dpa

BERLIN taz | Was auf der Nordseeinsel Langeoog längst Realität ist, soll nun auch im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg Wirklichkeit werden: ein Leben ohne konventionelle Autos. Im Unterschied zu Langeoog soll in Berlin aber nicht die gesamte Kommune, sondern nur ein kleiner Teil einbezogen werden – und das auch nur einen Monat lang. So plant es der Grünen-Stadtentwicklungsstadtrat Jens-Holger Kirchner.

Kirchners Vorschlag, der am Dienstag im zuständigen Bezirksamt Berlin-Pankow behandelt wird: In einem dicht bebauten, etwa 800 mal 500 Meter großen Kiez sollen im Mai 2015 keine Fahrzeuge mit Diesel- oder Benzinmotoren fahren dürfen. Zugelassen wären dann Fahrräder oder Elektroautos. Die Anwohner müssten ihre Privat-Pkws außerhalb des Gebiets auf einem bewachten Parkplatz abstellen. Auf den freien Straßenflächen innerhalb des Gebiets um den Helmholtzplatz sollen vielfältige Werbe- und Kulturveranstaltungen rund um das Thema Öko- und Elektromobilität stattfinden.

„Wir wollen zeigen, was alles möglich ist“, sagte Kirchner der taz. Es gehe darum, die Mobilität von Personen und Waren ökologisch zu organisieren. Der Kiez sei bewusst gewählt, da dort ohnehin nur ein Fünftel aller Wege mit dem Auto zurückgelegt würden. „Deshalb verstehe ich die Aufregung nicht.“ Zudem stehe die Abgrenzung des Gebiets noch nicht fest.

Pankows Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD) hält nichts von Kirchner Vorschlag. „Das ist eine Schnapsidee“, sagte Köhne der taz. „Man kann ein Gebiet mit 20.000 Einwohnern und 3.500 Autos nicht einen Monat lang in den Ausnahmezustand versetzen.“ Das tägliche Leben werde massiv beeinflusst.

Der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) begrüßte Kirchners Vorstoß. „Das kann einen Aha-Effekt haben“, sagte Clubsprecherin Anja Smetanin. Viele Menschen könnten so lernen, eine Zeit lang ohne Auto auszukommen.

Vorbild der Berliner Idee ist die südkoreanische Stadt Suwon. Im gesamten September 2013 gab es dort in einem kleinen Gebiet, dem Haenggung-Dong-Kiez mit 4.300 Einwohnern, eine autofreie Zone.

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1 Kommentar

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  • Wie wäre es da mal mit Vorab-Bürgerbeteiligung, Herr Kirchner? So ein massiver Eingriff ist nur dann angemessen, wenn die Bewohner des Gebiets eng eingebunden werden und in ganz überwiegender Mehrheit dafür votieren, das Thema Wirtschaftsverkehr geklärt ist (man wird ja wohl kaum zur Anlieferung der ganzen Läden dort an der "Zonengrenze" dort die LKW-Ladungen auf Lastenfahrräder umladen und ausliefern) und der Verbleib der Privat-PKW geregelt ist.

     

    Pfiffiger wäre als Einstieg, mal mit einem autofreien Wochenende anzufangen, dafür könnte sich leicht eine Mehrheit in der Anwohnerschaft finden, statt gleich einen Monat alles "dicht" machen zu wollen.

     

    Insbesondere an Werktagen würde man mit dieser Aktion die umliegenden Kieze zusätzlich belasten, auch das wäre zu bedenken.

     

    Und eine große Werbeverkausfveranstaltung für e-mobile, bei den ganzen ungeklärten Fragestellungen wie den Batterien und darin verbauten umweltschädlichen Stoffen, der Herkunft der Elektroenergie usw., ist ein wenig verfrüht.

     

    Der Trend müßte eher sein generell weg von MIV (motorisiertem Individualverkehr) in Kiezlagen, autofreie Quartiere etc. pp., nicht als Werbeaktion, sondern als langfristig geplante nachhaltige Stadtentwicklung zusammen mit den Bürgern, so dass die, die interessiert sind an einem autofreien Kiez entsprechende Angebote vorfinden. Statt Verbote Angebote!

     

    In Berlin enstehen wieder neue Quartiere, z.B. im Prenzlauer Berg geplant an der S-Bahn Greifswalder Straße südlich der S-Bahntrasse, warum nicht dort von Anfang an auf "autofrei" und fahrradgerecht mit einem Spot für e-mobility-car-sharing planen, für das entsprechend interessierte Klientel, und dort das Modellquartier etablieren.

    Kostengünstigerer Wohnungsbau durch Wegfall von teuren Tiefgaragen und oberirdischen PKW-Stellflächen und Fahrstraßen. Lediglich Wohnwegerschließung, dazu eine Feuerwehrumfahrt auch nutzbar für Möbellieferwagem, Rettungswagen und Mülllaster, mit Rasengittersteinen.