piwik no script img

Geschlechtergerechte Sprache„Es gibt mehr als Frauen und Männer“

Anna Damm und Lann Hornscheidt über die Häme der Medien über die sprachliche x-Form und warum Veränderungen immer mit Widerstand verbunden sind.

Statt Binnen-I und Gender-Gap, gerne auch mal einfach nur X. Bild: flo-flash/photocase.de
Malte Göbel
Interview von Malte Göbel

taz: Anna Damm, Lann Hornscheidt, waren Sie überrascht über das Feedback der Medien? „Gender-Wahnsinn“ schrieb der Focus, „Duden für Dadaisten“ die Jungle World, und N24 sprach von einer „merkwürdigen Studie“ …

Anna Damm: Auf so diffamierende, reißerische Hetz-Artikel waren wir nicht eingestellt. Warum muss uns jemand so extrem abwerten und beleidigen? Warum findet die Bild-Zeitung es so wichtig, da prominent drüber zu schreiben? Was haben wir da angetickt? Wir machen denen anscheinend Angst!

Lann Hornscheidt: Soziale Veränderungen sind immer mit Widerstand verbunden, mit Abwehr von Leuten, die die sozialen Veränderungen nicht haben wollen. Wenn die Bild-Zeitung positiv über unsere Broschüre gesprochen hätte, wäre auch sicher etwas falsch gelaufen mit dem, was wir geschrieben haben.

Im Zentrum der Kritik steht Ihr Vorschlag, nicht mehr „Professor“ oder „Professorin“, sondern „Professx“ zu sagen – um damit jeglichen Verweis auf das Geschlecht zu eliminieren.

A.D.: Wir bieten in unserem Leitfaden verschiedene Formen an, das war uns immer wichtig. Das ist unter anderem die x-Form, aber auch der dynamische Unterstrich, das Binnen-I, der statische Unterstrich, auch eine Zwei-Nennung. Es ist also ein Angebot für die jeweilige Situation. Je nachdem, was ich benennen oder aufzeigen will, können verschiedene Sprachformen benutzt werden.

Die x-Form ist die weitest gehende davon: Statt einer geschlechtlich irgendwie zuordenbaren Endung steht nur noch ein x.

A.D.: Sie ist für uns im Moment die Form, die Zweigeschlechtlichkeit am besten aufbricht. Sie durchkreuzt sie, deswegen auch das x. Sie sagt nicht nur, es gibt eine Lücke, wo etwas reingedacht werden kann, sondern hier findet tatsächlich ein Aufbrechen von klassisch zweigeschlechtlichen Formen statt.

L.H.: Beim Unterstrich („Professor_in“) gibt es Frauen und Männer und die in der Mitte dazwischen. Die x-Form berücksichtigt Leute, die sich gar nicht zu Frau-sein und Mann-sein verhalten möchten.

Die Interviewpartx

Lann Hornscheidt hat am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien der Humboldt-Universität eine Professur für Gender Studies und Sprachanalyse.

Anna Damm studiert Geschichte und ist Queer-Referent_in für Queer_Feminismus in der studentischen Selbstverwaltung der Humboldt-Universität.

Beide haben den Leitfaden „Sprachhandeln – aber wie?“ (AG Feministisch Sprachhandeln an der HU Berlin. Berlin 2014) mitgeschrieben.

Aber die meisten Leute definieren sich als männlich oder weiblich. Mache ich die mit der Verwendung der x-Form nicht unsichtbar?

L.H.: Das x zeigt: Es geht um eine Wahrnehmung von Menschen – jenseits davon, dass Gender zentral gesetzt ist. Das ist nicht mehr ein Aufrufen von „männlich“ und „weiblich“ als Polen und ein bisschen daneben.

Soll jetzt alles ge-xt werden?

L.H.: Nein, definitiv nicht. Es ist total wichtig, sehr konkret zu gucken, worum geht es eigentlich genau, und dann spezifische Formen zu wählen.

A.D.: Durch verschiedene Sprachformen können Machtverhältnisse klargemacht werden. Es geht nicht, wenn es nur männliche, weiße Präsidenten gab, das mit einer x-Form aufzubrechen: Ich würde sexistische Machtverhältnisse dadurch negieren und unsichtbar machen. Ich muss also immer genau schauen und überlegen, was ich mit den jeweiligen Formen mache. Genau diese Spannungsverhältnisse wollen wir mit diesem Leitfaden aufzeigen.

Im Interview mit Spiegel Online betonen Sie, dass die x-Form irritieren soll. Das funktioniert nur, solange es nicht normal ist, sie zu benutzen.

L.H.: Deswegen sagen wir auch ganz klar: Nie nur die x-Form anwenden, höchstens im Wechsel mit anderen Formen, und immer genau überlegen, wann ich andere Formen einsetze. „StaatsbürgerIn" würde ich mit großem "i" schreiben und nicht mit Unterstrich, weil ich nur als Frau oder Mann momentan StaatsbürgerIn sein kann: Ich muss mich in eine der beiden Kategorien einordnen. Nur in ganz wenigen Ländern ist das anders wie in Neuseeland.

A.D.: Wenn sich irgendwann die x-Form etabliert hat und die gesellschaftlichen Verhältnisse so sind wie jetzt gerade, dann ist die x-Form abgeschrieben. Wenn die gesellschaftlichen Verhältnisse sich mitverändern, dann ist es eine andere Frage, welche Form wie entwickelt werden muss, was für Diskriminierungsverhältnisse angegangen werden müssen. Im Ist-Zustand ist die x-Form auf jeden Fall irritierend.

L.H.: Sprache muss sich weiterverändern, auch diese Form muss irgendwann wieder kritisiert werden. Wenn Angela Merkel morgen die x-Form in ihrer Regierungserklärung verwendet, dann ist sicher etwas falsch gelaufen und eine politische Bewegung vereinnahmt!

So eine Irritation erleichtert nicht gerade die Kommunikation.

L.H.: Das ist immer die Frage, wen – oder wex – ich als Norm setze. Für mich erleichtert es die Kommunikation. Viele Leute haben noch nie darüber nachgedacht, dass sie privilegiert sind, dass nicht alle Leute mitgemeint sind bei vielen Formen, und dass sie eventuell selber dazu beitragen, dass Personen ausgeschlossen werden. Das ist für Menschen unvorstellbar, die die ganze Zeit – vor allem implizit – angesprochen werden. Weil sie nie auf die Idee kämen, dass es anders sein könnte und dass das nicht für ‚alle‘ so ist.

Vielen erscheint das alles als verkopfte Theorie aus dem Elfenbeinturm, im Alltag schwer anzuwenden.

A.D.: Deswegen haben wir den Leitfaden „Sprachhandeln – aber wie?“ genannt. Es sind Handlungen: Auf einmal werden Leute und Positionen sichtbar gemacht, die im althergebrachten Sprachgebrauch nicht auftauchen. Das öffnet Räume, das macht möglich, mich wohl zu fühlen und nicht als marginalisierter Freak, der nicht vorkommen darf, weil ich anders bin und irritiere. Es sind Sprachformen, wo klar wird: Mich gibt's! Das sind Handlungen, das sind Veränderungen.

L.H.: Ich würde es noch mal anders formulieren: Ich finde den Alltag schwer anzuwenden für mich. Ich komme, wenn ich mich nicht mit Zweigenderung identifiziere, bisher in allen öffentlichen Räumen nicht vor. Für mich ist es total schwierig, welchen Roman auch immer zu lesen, auf welche Toilette und in welche Sportgruppe auch immer zu gehen. Ich komme in keiner der Sprachformen vor, auch nicht in diesen ganzen heteronormativen Vorstellungen. Für mich ist der Versuch, Sprachformen zu finden, der Versuch, eine Anwesenheit in Welt zu gewinnen. Das sind natürlich kleine Kontexte, kleine Communities, aber das ist hundertmal mehr, als ich bisher hatte.

Sie wollen also über die Sprache Räume für marginalisierte Gruppen schaffen.

L.H.: Es geht auch darum, diese Normalität, in der einige Leute privilegiert sind und andere nicht, weniger normal zu machen. Es geht nicht um ‚neue‘ kleine Minderheiten. Meiner Meinung nach stellt Sprache Wirklichkeit her: Sprache ist immer Handlung und nicht nur ein vorhandenes Sprachsystem, das ich dann richtig oder falsch anwenden kann.

A.D.: Es geht uns mit der Broschüre nicht darum, neue Regeln oder Normen zu schaffen. Wir wollen Anregungen liefern für Personen, die entweder selber diskriminiert sind und neue Ideen haben wollen, oder die Leuten, die diskriminiert sind, genau zuhören wollen und respektvoll in Kommunikation sein wollen. Alle sollen merken: Mensch, ich kann handeln durch Sprache! Ich bin nicht einem Sprachsystem ausgesetzt. Das ist nicht einfach da, sondern ich kann mitgestalten! Ich kann mein soziales Leben mitgestalten, indem ich andere Sprachformen benutze und dadurch anderen Personen eine Anwesenheit geben kann.

Warum tun sich die Leute so schwer?

A.D.: Ich verstehe das auch nicht: Es geht ja im ersten Schritt noch nicht einmal darum, dass die Leute ihre Privilegien abgeben. Es geht nur darum anzuerkennen: Ah, dich gibt's auch! Dass allein dieser Prozess dazu führt, dass sie so gewaltvoll werden, das ist für mich ein Riesen-Fragezeichen.

L.H.: Schade, dass sie nicht sagen: Wie spannend! Ich selbst lerne gerade von der critical-disability-Bewegung, was an Begriffen problematisch ist, weil sie Behinderung immer wieder herstellen ohne es kritisch zu hinterfragen. Ich lerne andere Perspektiven kennen, das finde ich spannend. Gerade auch was Gender angeht: Manche Leute, die behindert sind, wären froh, erstmal als Frau oder Mann wahrgenommen zu werden. Darüber mehr zu lernen, bedroht mich nicht. Sondern es öffnet meine Welt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

33 Kommentare

 / 
  • Danke taz für dieses Interview. Mir war bis heute nicht klar, wie gefährlich diese Leute tatsächlich sind. Ich bin vor geraumer Zeit schon mal auf diese X-Schreibweise gestoßen ( http://blog.fefe.de/?ts=addeacc3 ), hab das aber als Humbug von gesellschaftlichen Geisterfahrern abgetan.

     

    1. Die Sprache ist ein lebendiges Kulturgut. Sie ist ständigen Veränderungsprozessen unterworfen (Chatsprache, Slang, Abkürzungen, so wie weitere Verschandelungen durch Anglizismen). Diese Veränderungen geschehen aber in der Praxis und können nicht "von oben" durchgesetzt werden. Wie toll das funktioniert, sieht man ja an der letzten Rechtschreibreform, die mehr Chaos als Klarheit verursacht hat.

     

    2. Der Versuch, die deutsche Sprache ein weiteres Mal zu vergewaltigen, in dem man diese mit "x" durchsetzt, um sie komplett unleserlich zu machen (allein der Beitrag von Demokrat ist schon nicht mehr vernünftig zu lesen), scheitert hoffentlich an der mangelnden Akzeptanz. Im übrigen hat ein anderer Kommentator auf eine Browsererweiterung zur Entfernung der Binnen-I-Schreibweise verlinkt - ich hoffe das dort auch mit der x-Schreibweise kurzen Prozess gemacht wird.

    • @muds0r:

      3. Ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, mir das EU-Wahlprogramm der AfD durchzulesen (die Berichterstattung in den Medien zwingt einen ja dazu). Dort steht, dass doch alle Gender-Forschungen keine staatlichen Mittel mehr erhalten sollen. In dem Moment war ich der Auffassung, dass es solche Professuren bei uns gar nicht gibt, weil niemand mit gesundem Menschenverstand auf die Idee kommen würde, dieser Gendergeschichte auch nur einen Cent hinterherzuwerfen. Bis heute.

      "Lann Hornscheidt hat am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien der Humboldt-Universität eine Professur für Gender Studies und Sprachanalyse."

      Sowas macht mich nicht nur als Bürger sondern auch als Wissenschaftler mehr als wütend; nichts gegen L.H. an der Stelle - ich kenne sie persönlich nicht näher. In jedem Forschungsgebiet müssen wir um Mittel bitten oder gar um Drittmittel werben (das ist dann eben mal McDonalds, CocaCola usw. und die ganz verzweifelten aber auch ethisch fragwürdigsten holen sich Geld vom Militär, was dann ab und an mal vereinzelt in den Medien auftaucht) und den Gender-Sektierern wird für ihren pseudowissenschaftlichen unhaltbaren Unsinn das Geld in den Rachen geworfen. Unfassbar.

  • Interessantex idex.

    Dax Themax regt bestimmt vielex Fraux und Männx und Sontigx zum Denken an.

    Was interessant ist, ist die Überaschung dex Professx, dass hier zum Teil unfair über die Idee (oder IDEX) gehetzt wird. Jede neue und revolutionäre Idee (oder Idex) wurde zunächst bekämpft. Letzendlich setzt sich die Idee (oder Idex) durch oder auch nicht, je nachdem ob die Idex durch Konsens angenommen wird oder von einex Autoritätx durchgeprügelt wird.

    Was wurde über das Dosenpfand am Anfang gespottet und gelacht. Wenn ich zur Feierabends Zeit oder am Wochenende die Schlangen vor den Rückgabeautomaten siehe, da lacht wirklich niemand mehr. Alles eine Frage des Durchsetzungswillen. Man kann hier von den Deutschen denken was man will. Hat erst mal die Obrigkeit etwas neues durchgeprügelt, dann wird es auch angenommen. Also nicht aufgeben und durchhalten.

    Was mich allerdings an der Idee (oder Idex) stört, dass ausgerechnet der Buchstabe X ausgesucht wurde. Vor dem Hintergrund einer Genderdebatte sollte man vor allem als Professx schon wissen, dass bei der Geschlechtereinteilung das X für das weibliche Geschlecht steht und das Y für das männliche Geschlecht. In diesem Sinne ist dieser Buchstabe vollkommen unüberlegt gewählt. Das weibliche Geschlecht wird also hervorgehoben, anstatt eine Gendergerechtigkeit zu symbolisieren und Neutralität her zu stellen.

    Mein Vorschlag wäre das „U“ zu verwenden. Da kann man kein X vor das U machen. „Z“ würde zur Not auch noch gehen, aber vielleicht auch „O“ (da klingt dann vieles spanisch).

  • Die Natur hat die Geschlechter erschaffen, Mann und Frau sind unterschiedlich, selbst bei Medikamenten spielen die Unterscheide eine Rolle. Diese Versuche, die Geschlchtsunterschiede zu verwischen oder zu beseitigen, werden zum Scheitern verurteilt sein.

    Zum obigen Vorhaben:

    Ich habe absolut kein Verständnis dafür, dass für solchen Schwachsinn Steuergelder ausgegeben werden. Haben diese eute keine sinnvolle und nützliche Beschäftigung?

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    wenn die sprache die realität erschafft,dann müssten ja sämtliche englischsprachige länder frei von sexismus sein.

     

    komisch,ich habe nicht das gefühl das frauen und transexuelle in den usa im wesendlichen emanzipierter sind oder im fall der transexuellen weniger am rande stehen.

     

    das deutsche "Sie" fällt auch weg,stattdessen gibt es das "you"

    ist die gesellschaft deshalb weniger hierarchisch?

     

    nachdem hure irgendwann nicht mehr gesagt werden sollte,bekam prostituierte nach kurzer zeit auch einen negativen beigeschmack.nun handelt es sich also um sexarbeiterinnen.

    ändert diese begrifflichkeit etwas an der tatsache das ein blowjob 30 euro kostet und anal 100 euro?

    ist es nun der begriff "prostituierte" der negativ besetzt ist,oder das die handlungen gegen geld die dieser beruf mit sich bringt gesellschaftlich nicht anerkannt sind?

     

    vor allem ist mir diese debatte mal wieder viel zu akademisch.warum ist "die sonne"weiblich und "der mond" männlich?da kann "man" sich jetzt damit ausseinadersetzen,man kann es auch einfach lassen."man" kommt übrigens von "manus" und nicht von "Mann".

     

    diese ganzen be(emp)findlichkeits-debatten gehen mir mittlerweile zu weit und sind absolut dekadent.

    wenn man(mann,frau,trans-,usw.) wirklich etwas gegen sexistisches denken unternehmen will,dann schreibt doch lieber mal eine gegenposition zu büchern "warum männer besser einparken..." usw.

    denn da kommt das sexistische denken wirklich her.

  • Ich höre immer, das Deutsche sei so schrecklich diskriminierend.

     

    Dabei müssten doch alle Interessierte, die das grammatikalische Geschlecht mit dem biologischen in eins setzen, heftig gegen diese Auffassung protestieren.

     

    Schön mal jemand aufgefallen, dass sich alles, was es mehr als einmal auf dieser Welt gibt, ins Weibliche verwandelt?

     

    Bsp. der Mann, aber DIE Männer.

     

    Warum schreit die Männerwelt deswegen nicht auf?

     

    Vielleicht weil ihr bewusst ist, dass es einen Unterschied gibt zwischen Grammatik und Biologie?

  • Studentx? Professx? Asterix? Obelix? Asterix ist dann die Gemeinschaft aller Aster, Asterinnen und andersgeschlechtlichen Asterwesen, oder? Was Obelix ist, will ich dann lieber nicht wissen :-) Mal im Ernst, das Problem ist der Artikel im Deutschen. Warum wird der nicht angegangen? Wenn es "das Professor" heißt, ist alles okay. Der Einheitsartikel ist es, der das Englische so schön genderneutral macht! Warum doktern (bzw. dokterinnen) wir an den Endungen unserer Nomen rum, statt einfach den blöden Artikel zu kastrieren?

  • Das X, a priori ein kreativer Beitrag. A posteri, warum kann man sich nicht mal ernsthaft ein Beispiel am Englischen nehmen, wo es eine solche Diskussion überhaupt nicht gibt? Das Übel sind nicht die geschlechtsspezifischen Wortendungen, sondern die diskriminierenden Artikel der, die und das. Ich warte auf einen geeigneten Vorschlag wie 'the' am besten übersetzt werden könnte.

    • 9G
      970 (Profil gelöscht)
      @bouleazero:

      Da helfen Dialekte: im Schwäbischen ist's sowohl "a Moo" als auch "a Weib". Beide kommen mit demselben Artikel aus.

  • "Die Bedeutung eines Begriffes ergibt sich aus seiner Verwendung im Zusammenhang." (frei nach Wittgenstein).

     

    Heißt: Wenn ich in meiner konkreten Rede, auch wenn ich nur "Studenten" sage, ALLE Menschinnen und Menschen mitmeine, die studieren, dann sind mit diesem von mir verwendeten (angeblich "männlichen") Ausdruck "Studenten" auch ALLE gemeint, die studieren. Niemand hat das Recht, mir zu unterstellen, ich würde damit nur die männlichen Studenten meinen, weil es sich aus dem Zusammenhang der Begriffsverwendung klar und offensichtlich ergibt, dass selbstverständlich auch alle weiblichen Studenten mitgemeint sind.

    Wieso sollte ich denn nur die männlichen meinen?!

    Wieso sollte jemand vernünftigerweise denken, dass ich nur die männlichen meine?!

    Wenn sie ehrlich wären, würden auch alle Gender-Menschen zugeben, dass sie natürlich wissen, dass ich damit Männer, Frauen, und alles dazwischen meine.

    Aber das reicht ihnen anscheinend nicht, sondern sie verlangen für jede extravagante Ausgefallenheit eine extra konstruierte Grammatikform, damit sie sich auch wichtig genug fühlen können.

    Dieser Anspruch an die Sprachgemeinschaft ist nichts anderes als totalitär.

     

    By the way: Sprache bildet nicht das Denken ab, sondern das Denken äußert sich eben einfach durch das (natürlicherweise und immer schon strenggenommen "unzureichende" und "unperfekte") Medium der Sprache.

  • Gender ist eine totalitäre Ideologie, d.h. da bleibt nicht viel von Freiwilligkeit. Selbstgerechte Sprache wird damit zu einem Gesinnungstest und wird inzwischen bereit an einigen Unis verpflichtend vorgeschrieben.

  • D
    D.J.

    "Wir machen denen anscheinend Angst!"

     

    Hach wie süß. Ich stelle mich gleich auf den Marktplatz, fange an wie ein Vöglein zu zwitschern und mit den Armen zu wedeln - und wenn die Leute mich aulachen, werde ich rufen: "Ätschibätschi, ihr hab ja nur Aaangst!"

    Jetzt mal ernsthaft: das Problem ist, dass gesellschaftlich kaum noch wahrgenommen wird, dass es überaus seriöse Genderwissenschaft gibt (z.B. historische Genderforschung). Darum lachen die mir bekannten seriösen Genderwissenschaft-Studentx auch nicht darüber, sondern sie sind stinksauer.

  • Studien beweisen, dass beim generischen Maskulinum nun mal doch leider die meisten Leute im ersten Moment an Männer denken und andere Geschlechtsidentitäten damit sprachlich ausgeschlossen werden. Es müssen also Alternativen her! Und mit dem Binnen-I, dem Unterstrich oder der Doppelform sind ja auch viele nicht richtig glücklich. Mit der x-Form ist einfach eine interessante neue Möglichkeit gegeben, mit einem sprachlichen Problem umzugehen. Und ja, es ist nur eine MÖGLICHKEIT! Niemand ist genötigt, die x-Form zu adaptieren, wenn es nicht gefällt. Woher also diese Wut? Hier findet keine „Sprachverhunzung“ statt, sondern ein kreatives Experimentieren mit Sprache, um eine gesellschaftliche Ungerechtigkeit zu tilgen. Das kann nicht schlecht sein!

    • D
      D.J.
      @chiyo:

      "Studien beweisen, dass beim generischen Maskulinum nun mal doch leider die meisten Leute im ersten Moment an Männer denken und andere Geschlechtsidentitäten damit sprachlich ausgeschlossen werden."

       

      Aber kann es nicht sein, dass ebendies gerade die Folge differenzierender Sprache ist? In der DDR war man - sicher einer der wenigen positiven Aspekte - weiter hinsichtlich geschlechtlicher Diversität in vielen Berufen als in der damaligen BRD. Eine differenzierende Sprache gab es aber nicht. Dennoch - oder gerade deshalb! - wäre niemand auf die Idee gekommen, dass z.B. zum "Kollektiv der Lehrer" nicht auch Frauen gehört hätten.

  • Subversive Kraft einer elitär von Uni-Professoren verordneten Sprachreform??

    Durch von oben verordnete Sprachreformen gesellschaftliche Machtverhältnisse aufbrechen???

    Fragt sich nur, warum die türkische Gesellschaft nicht weniger patriarchalisch ist, obwohl es in der türkischen Sprache seit Jahrhunderten kein grammatikalisches Geschlecht gibt?

    Wenn man im Türkischen vom "profesör" redet, dann kann man nicht erkennen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt.

    Das Türkische ist also die Traumsprache für all diejenigen, die eine gendergerechte Sprache wollen.

    Empfehle den feministischen Sprachreformern, einfach nur noch Türkisch zu reden, statt die deutsche Sprache zu verhunzen!

  • Die Forderung.

    Ungerechte Geschlechterverhältnisse schlagen sich in Sprache nieder, die Weise des Sprechens beeinflusst die kulturellen Denkweisen. Ändern wir die Sprache so ändert sich die Kultur. Die Sapir-Worf-Hypothese. Wer Sprache ändern will, der muss Sprachpolitik betreiben und grob in den Fluß der natürlichen sprachlichen Evolution eingreifen. Die subversiven Kräfte, welche so ein sprachpolitischer Eingriff auslöst, sind nicht nur die gewünschten. Denn sie stellen einen äußeren, politisch motivierten Eingriff in die persönlichen Rechte des Einzelnen auf Sprache dar. Die Hypothese erweist sich in dieser Hinsicht als schwach: während Menschen die ohnehin ein großes Bewusstsein für Geschlechterfragen haben, ihr Bewusstsein konstant reproduzieren können, werden andere ständig zur Bewusstmachung des Geschlechteraspektes genötigt, denn dieser psychologische Effekt wird mit der Gendergerechten Sprache implementiert. Sprache und Sprachgefühl wehren sich gegen so eine Vereinahmung, die zudem die Leserlichkeit und die kommunikative Stärke senkt. Sprache ist vor allem pragmatisch und ökonomisch und weniger gerecht. Was zur Frage nach der Substanz der Forderung führt: wie drängend ist das gesellschaftliche Problem der Geschlechterungerechtigkeit, schreit es immer noch bis in den Himmel, oder hat sich nicht auch ohne die Generalisierung gendergerechter Sprache bereits viel verändert?

    • @OpaMejang:

      "grob in den Fluß der natürlichen sprachlichen Evolution eingreifen" Man schreibt mittlerweile "Fluss". Dank der natürlichen, sprachlichen Evolution.

       

      Definieren Sie vor dem Hintergrund des Regelwerks der (deutschen) Sprache bitte, was natürlich ist. Und wieso eine Berücksichtigung der Geschlechter eben nicht "natürlich" sein soll.

       

      Dass sich das Sprachgefühl gegen neue Regeln wehrt ist klar, aber das Sprachgefühl gibt mit der Zeit den Widerstand auch auf.

       

      Zur Frage der Dringlichkeit: es gibt immer Wichtigeres, allerdings handelt es sich hier um ein Langzeitprojekt.

      • @Sapasapa:

        Nein, man schreibt Fluss aufgrund von sprachpolitischer Regelung. Aber danke für diesen Hinweis, der mir nicht neu ist, und demonstriert was ich meine: Sprache und -nutzer verwehren sich gegen Spracheingriffe die in ihren Augen unsinnig sind, politisch oder sprachlich. Natürliche Sprachentwicklung im Sinne der S-W-Hypothese: gesellschaftliche Lagen üben Druck auf Sprache aus, Sprache ändert sich. Sprachpolitische Manipulation: eine Gruppe, hier Feministen, nehmen eine Hypothese zu ernst und ziehen Konsequenzen für den Sprachgebrauch, deren Nichtbefolgung von impliziten Sanktions- und Ausschluß (ss?)- mustern gerahmt wird. Nochmals: es geht bei Sprache um Kultur, und die Kultur besitzt niemand, weshalb es für viele eine Anmaßung ist, wenn sich Sprachdiktate etablieren wollen. Dies erst recht, wenn man dahinter eine politische Kraft vermutet, mit der man sich nicht identifiziert. Dann gibts Reaktanz. Es geht um die Ermächtigung über ein Allgemeingut.

        • @OpaMejang:

          Die Schweiz hat vor fast 50 Jahren das buckelige altdeutsche es-zet abgeschafft. und das war auch gut so. niemand hat es vermisst. Gruss, baz

          • @bouleazero:

            Ich brauch das ß auch nicht unbedingt, nutz es aber gern und beliebig, weil all die Reförmchen von oben mir nicht sehr konsistent und eigentlich nicht sprachlich begründet schienen, sondern vielmehr von kommerziellen Interessen motiviert. Meine Art von Protest als individueller Kulturträger und damit Anteilseigner am Gut Sprache. Wenn ich muss kann ich auch "richtig" schreiben, sogar Genderslang (aber nur wenn ich wirklich beruflich muss und dann widerwillig).

  • Subversive Kräfte.

    Sprache ist Kulturgut, die gehört niemandem aber jeder bemächtigt sich ihr. Viel Disziplin war nötig, bis man sie auf erwünschte Weise beherrschte. Dies sagt man nicht, das sagt man nicht, dies sagt man, das sagt man. Viele fühlen sich nach all den Jahren der spracherzieherischen Gängelung angegriffen, wenn sie als souveränes, sprachbesitzendes Subjekt mit Forderungen von außen konfrontiert werden, auf welche Weise sie sich "ihrer" Sprache bedienen sollen. Das ist in der Grundkonstellation ein Wiederfahren alter Gängelung, eine Untergrabung des souveränen Sprechers, und ein zweiter Punkt ist der Inhalt der Forderung. Inwiefern leuchtet die unmittelbar ein, läd zu sprachlicher Adaption ein?

  • Leider haben die Foristen (!) und die Mehrheit der Kritiker nicht verstanden, welch subversive Kraft von der Änderung der Sprachgewohnheiten ausgehen kann. Es brüllt doch fast jeder nach Veränderung?! - Ja, aber doch nicht so... Aha, also doch lieber weitermachen wie gehabt.

     

    Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, und er kann seine Gewohnheiten so toll rationalisieren. Was haben wir zu verlieren, uns darauf einzulassen? Was ist das Schlimmste, was passieren könnte? Richtig: nichts.

  • 6G
    677 (Profil gelöscht)

    Wenn so etwas öffentlich finanziert wird, weiß ich wirklich nicht, warum wir uns über irgendwelche Tiefbahnhöfe / Flughäfen / Philharmonien aufregen.

  • Ich bin großimperator Grohm und wurde leider in einen normalen Menschenkörper geboren.

     

    Es ist für mich hart genug, jeden Tag für mein Geld arbeiten zu gehen anstatt mit einem Federstrich ganze Planeten zu entvölkern und Zivilisationen zu unterjochen.

     

    Es wäre für mich das wenigste, wenn die Gesellscahft anderkennen würde welche Seele wirklich in meinem Körper wohnt! Ist es zu viel verlangt so angesprochen zu werden wie man wirklich ist?! Trotzdem weigert sich dieses Schweinesystem mir meinen Titel in den Perso zu schreiben.

     

    ...sehr geehrte Damen, Herren,Unentschlossene und andere, Großimperatoren/innen/inninene

    Manchmal fühle ich mich so unsichtbar gemacht!

  • Wie schön, dass sich diese Damen endlich mal den wahren Problemen in diesem Land annehmen, unseren Luxusproblemen.

  • Oh Herr (oder besser gendergerecht Herr/Frau/Herx) lass Hirn vom Himmel regnen. Mit welchem Schwachsinn sich hochbezahlte Professorinnen beschäftigen, das ist unglaublich. Man fasst es nicht: Während überall in Deutschland für solche Dinge wie Jugendschutz oder die Betreuung hilfebedürftiger Familien immer weniger Mittel zur Verfügung stehen, dürfen solche komplett von jeder Realität außerhalb der Hochschule entfernten Akademikerinnen einen dartigen Unfug verbreiten und das im Ergebnis auf Kosten der Steuerzahler. Wenn es diesen Figuren aus dem Elfenbeinturm um die Hilfe für Frauen in Krisenlagen ginge, nur zu, da gäbe es genug zu tun. Aber das wären dann ja auch echte Probleme und den Kontakt mit der Realität werden diese Personen um jeden Preis vermeiden.

    • @Jörg Lehnert:

      Es gibt in Deutschland auch ProfessorInnen die für die amerikanische Rüstungsindustrie forschen. Deren Gehalt wird ebenfalls von den deutschen Steuerzahlern gezahlt und deren Ergebnisse sind nicht bloß kurios sondern gefährlich. Im Verhältnis ist mir eix LH da viel lieber.

  • Eine solche gender-korrekte Formulierung klingt dann zum Beispiel in meiner Promotionsordnung über 16 Seiten hinweg so:

     

    "...Betreuerinnen oder Betreuer eines Dissertationsvorhabens sind im Regelfall Hochschullehrerinnen oder Hochschullehrer oder habilitierte Mitglieder der Fakultät. Die Betreuung eines Dissertationsvorhabens ist andauernde Pflicht der Betreuerinnen und Betreuer und darf nicht delegiert werden. Den Betreuerinnen oder Betreuern gemäß Abs. 2 (a) bzw. der Betreuungskommission gemäß Abs. 2 (b) gehört mindestens eine hauptberufliche Professorin oder ein hauptberuflicher Professor oder ein in der Fakultät tätiges, habilitiertes Mitglied der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften an, die oder der in der Regel als Gutachterin oder Gutachter der Dissertation bestellt wird..."

     

    So ein Schwachsinn lenkt völlig vom eigentlichen Inhalt ab.

    • @peterpan:

      ja, das klingt tatsächlich kompliziert. aber: dann denk doch mal drüber nach, wie das kreativ anders geschrieben werden kann, ohne wieder darauf zurückzufallen, dass nur männliche formen vorkommen: zum beispiel indem "hochschullehrerInnen" geschrieben wird, dann wird das gleich viel lesbarer.

      warum immer dieser heftige widerstand gegen alles, was nicht gewohnt ist? warum immer sofort das ganze projekt gendergerechte sprache an sich und alle anliegen, die dahinter liegen, verwerfen, nur weil es in der praxis manchmal kompliziert werden kann?

      • @leserin:

        Im Plural geht das ja noch ganz gut, erst im Singular wird das umständlich.

         

        Es heißt nunmal "Der Professor", genauso wie es "Der Tisch" heißt. Wenn man also niemanden bestimmtes meint, dann sollte man einfach die Grundform nehmen. Genauso bei "Die Geschäftsführung." Sie hat verschiedene wichtige Aufgaben, die von ihr wahrgenommen werden, aber bezeichnet genausogut auch Männer. Man muss das ja nicht als wertend betrachten, sondern nunmal als historisch gewachsen. Ich denke bei "Zimmermann", "Bürgermeister" und "ESC-Gewinner" übrigens nicht nur an Männer, da ich in allen Fällen auch Frauen und nun sogar TransvestitInnen (?) kenne. Diese Umstellung im Kopf ist viel wichtiger, als ihre Manifestation in künstlichen Sprachkonstrukten.

         

        Wer es wirklich geschlechtsneutral haben will, soll halt Englisch oder Esparanto reden.

  • Als Leseerleichterung für durchgegenderte Texte kann ich "Binnen-I be gone" empfehlen.

    http://binnenibegone.awardspace.com/

  • Satz mit X? War wieder nix. Dieses Rumgepfusche an der Sprache, na wo wenn nicht in der Zeitung der wir schon das BinnenI verdanken. Na vielen Dank Freunde.