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Bauhaus-Neubau in DessauDas Meisterhaus zerstört

Dessau hat ein Stück Baukunst bekommen, aber einen authentischen Ort verloren. Am Freitag wurden die „neuen Meisterhäuser“ feierlich eröffnet.

Das neue Meisterhaus Gropius, Bruno Fioretti Marquez Architekten 2010-2014. Bild: Foto: Christoph Rokitta, 2014, Stiftung Bauhaus Dessau

„Gropius kehrt zurück nach Dessau“, so eine Formulierung hat man in der anhaltinischen Metropole anlässlich der feierlichen Eröffnung der „neuen Meisterhäuser“ am vergangenen Wochenende tunlichst vermieden. Die Sprachregelung lautet stattdessen „städtebauliche Reparatur“, um das belastete Wort Rekonstruktion zu vermeiden.

Über ein Jahrzehnt hatten sich Experten und politisch Verantwortliche gestritten, ob und wie das kriegszerstörte Meisterhaus von Bauhaus-Direktor Walter Gropius und die ebenso verloren gegangene Doppelhaushälfte von Bauhaus-Meister László Moholy-Nagy wieder aufgebaut werden sollten. Die Stiftung Bauhaus war anfangs dagegen, stimmte dann aber unter dem 2009 berufenen Direktor Philipp Oswalt einer Art von Kompromiss zu.

Was jetzt durch das Berliner Archititektenbüro Bruno Fioretti Marquez realisiert wurde, reproduziert das ehemalige Volumen der beiden Häuser, die prominent die Spitze der Meisterhaussiedlung besetzen.

Gropius hatte die Doppelhäuser zusammen mit dem Bauhausgebäude 1925/26 für die sogenannten Meister der Schule zu Wohn- und Arbeitszwecken errichtet. Für sich selbst baute er ein Einzelhaus mit separater, straßenseitig gelegener Garage. Die Garage und der Kellersockel sind heute die einzigen original erhaltenen Teile des Gebäudes.

Die Ausstellung

„Moderne zerstört“, Bauhausgebäude Dessau, bis zum 7. September 2014

Replik der alten Hülle

1956 wurde auf dem Sockel ein Wohnhaus für die DDR-Intelligenzija errichtet. Dieses nach seinen Bewohnern mit Haus Emmer bezeichnete Gebäude stand bis 2011 und musste danach der Replik der alten Hülle weichen. Ein herber Verlust. Nicht weil das Haus der Familie Emmer architektonisch sonderlich wertvoll gewesen wäre, sondern weil es eine Menge zu erzählen hatte.

Der Internationale Rat für Denkmalpflege (Icomos) bescheinigte dem Haus eine „Irritation auslösende Zeugnishaftigkeit“. Jetzt fehlt bei der Darstellung der Geschichte des Bauhauses und seiner Rezeption, zu der die Stiftung Bauhaus sich ihrer Satzung gemäß verpflichtet, die Zeitgeschichte der DDR. Haus Emmer zeigte bis zu seiner mutwilligen Zerstörung, dass die DDR in den fünfziger Jahren ein strikter Feind der Bauhaus-Tradition war. Eben deswegen bekam der verbliebene Rest des Gropius-Hauses ein biederes Einfamilienhaus mit Satteldach aufgesetzt.

Beim Grundriss unterschied sich das Haus Emmer aber nicht sonderlich von seinem Vorgänger. Denn so meisterlich und so modern waren die Gropius-Meisterhäuser durchaus nicht. Das Image der nackten und weiß verputzten Fassaden verdeckte die traditionell-bürgerliche Vorstellung des Wohnens, die Gropius hier mit kleinteiligen Zimmerchen und der Hausmeisterwohnung im Keller bei seinem eigenen Haus verwirklicht hat.

Abstraktion und Subtraktion

All das wird sich demnächst im Inneren des Neubaus nur noch in einer Dokumentationsausstellung über die Meisterhäuser finden lassen. Denn hinter der deutlich als Neubau erkennbaren Fassade aus Leichtbeton und Mattglasfenstern haben die Architekten ein Konzept verwirklicht, das auf Abstraktion und Subtraktion fußt. Das heißt, es fehlen ganz einfach viele der zum Original gehörigen Innenwände.

So entstanden etagenübergreifende Räume mit Galerien, die wie ein Rohbau anmuten. Einzige Zutat sind zarte, kaum erkennbare Putzflächen in unterschiedlicher Texturen, die vom Künstler Olaf Nicolai auf hölzerne Artefakte aufgetragen wurden, die Teile der ehemaligen Binnenstruktur aufgreifen.

Kurzum: Es ist tatsächlich keine echte Rekonstruktion entstanden, sondern etwas Neues, sehr Artifizielles, das gleichwohl den neuen Nutzungen als Besucherzentrum beim Gropius-Haus und der Erweiterung des Kurt-Weill-Zentrums beim Moholy-Nagy-Haus besser Platz bietet, als das die alten Wohngrundrisse ermöglicht hätten. Dessau hat ein Stück Baukunst bekommen, zugleich aber mit dem Abriss von Haus Emmer eine Portion Authentizität verloren.

Um die Gunst der Touristen buhle

Zu verantworten haben das die politischen Vertreter von Stadt und Land, die sich damit brüsten, dass Dessau die „authentischste“ Bauhausstadt sei, und damit schon auf das 2019 bevorstehende hundertjährige Jubiläum des Bauhauses vorausblicken. Dessau wird dann zusätzlich mit einem neuen Bauhausmuseum im Stadtpark um die Gunst der Touristen buhlen und in Konkurrenz zu den beiden anderen Bauhaus-Stätten in Weimar und Berlin treten, die zum Jubiläum ihrerseits Museumsneubauten präsentieren werden.

Das Bauhaus wird in Dessau immer mehr zum Faktor des Tourismusmarketings. Das neue Meisterhaus von Gropius ist dabei als Besucherzentrum vorgesehen und wird auf die in Dessau verteilten Bauhaus-Bauten hinweisen – vom Bauhausgebäude bis zur Siedlung Törten, vom Restaurant Kornhaus an der Elbe bis zum ehemaligen Arbeitsamt von Gropius in der Innenstadt.

Hatte man sich am Bauhaus seit der Gründung der Stiftung 1994 noch in die Stadt- und Regionalplanung in der Region Anhalt eingemischt (etwa mit Projekten zum „Industriellen Gartenreich“), so scheint der Politik solche Mitarbeit in letzter Zeit zunehmend entbehrlich. Das war wohl auch einer der Gründe, warum der Kultusminister von Sachsen-Anhalt, Stephan Dorgerloh (SPD), den im Februar ausgelaufenen Vertrag von Bauhaus-Direktor Philipp Oswalt nicht verlängern wollte.

Kompromiss bei den neuen Meisterhäusern

Oswalt, der maßgeblich zum gefundenen Kompromiss bei den neuen Meisterhäusern beigetragen hat, gibt nun als Kurator dem Bauhaus noch ein Abschiedsgeschenk mit auf den Weg. Das Ministerium von Dorgerloh drang zwar darauf, dass die Schlüsselübergabe der neuen Meisterhäuser im Beisein von Bundespräsident Gauck mit der Eröffnung der Oswalt’schen Ausstellung nicht zusammenfiel, aber die zwei Tage zuvor eröffnete Schau „Moderne zerstört“ liefert einen wichtigen Kontext zur Bauhaus-Rezeption nach.

In dieser im Bauhausgebäude gezeigten Ausstellung geht es nämlich um die Frage, warum das Gropius’sche Meisterhaus überhaupt zerstört wurde. Die Antwort findet sich in den Jahren nach 1932, als die Nazis die Bauhaus-Schule aus Dessau bereits vertrieben hatten.

Dessau wurde zur Boomtown der Rüstungsindustrie, seine Bevölkerung wuchs von 80.000 auf 130.000 Einwohner. Vor allem die Junkers-Werke wurden zur Waffenschmiede der Luftwaffe. Hier wurden nicht nur die berühmt-berüchtigten Stuka entwickelt, sondern auch die „Tante Ju“ produziert, die meist als Militärmaschine eingesetzt wurde.

„Erhöhung“ zur Gauhauptstadt und Rüstungsmetropole

Dessaus Boom, seine „Erhöhung“ zur Gauhauptstadt und Rüstungsmetropole, hatte seinen Preis. Der von hier munitionierte Luftkrieg der Nazis kehrte in den letzten Kriegsjahren nach Dessau zurück. 80 Prozent der Stadt waren bei Kriegsende zerstört. Zufällig hatte eine Bombe auch das Meisterhaus von Gropius getroffen.

Die Geschichte des Gropius-Hauses ist also auch eine der Verwicklung der Stadt Dessau in den Nationalsozialismus und in die Rüstungsindustrie. In Dessau wurde auch das Zyklon B für die Vernichtungslager hergestellt. Solche fatalen Zusammenhänge zeigt die Ausstellung von Oswalt und liefert damit erstmals eine größere Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit jener Stadt, die sich einst mehrheitlich für die Nazis entschied und damit gegen das Fortbestehen des Bauhauses am Ort. Ob man es Oswalt danken wird?

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5 Kommentare

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  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    "Jetzt fehlt bei der Darstellung der Geschichte des Bauhauses und seiner Rezeption, zu der die Stiftung Bauhaus sich ihrer Satzung gemäß verpflichtet, die Zeitgeschichte der DDR."

     

    Die DDR hat es nie gegeben - deshalb musste man ja auch den bereits entkernten, asbestsanierten und somit intakten Palast der Republik aus Berlin und der Erinnerung entfernen, um Platz für des Kaisers neues Stadtschloss zu machen. Geschichte... ja, aber Deutschland war doch einmal eine so große Nation, da wollen wir doch die Kommunisten nicht dabei haben!

     

    Dass in dem Gebäude, vor dem Karl Liebknecht die Revolution ausrief, eine Business School untergebracht ist, passt da ganz gut ins Bild.

  • Historische/authentische Orte beseitigen gibts doch auch in anderen Städten. Z.B. die Altstadt-Simulationen in diversen Innenstädten: Berlin, Potsdam, Frankfurt/Main, Dresden.... jetzt gehört Dessau auch dazu ;-)

    • 9G
      970 (Profil gelöscht)
      @vøid:

      Authentische Orte vertragen sich nicht mit dem kapitalistischen System. Wir brauchen Symbolorte, Orte kollektiver Rückbesinnung auf Zeiten, die es so niemals gab.

       

      Oder - das wäre die Erkenntnis - wir brauchen den Kapitalismus gar nicht, weil er ungeeignet ist, eine Gesellschaft zusammen zu halten.

      • @970 (Profil gelöscht):

        Schon vergessen, was für Denkmäler die Kommunisten errichtet haben?

  • Das ist nun etwas, das selbst Gauck ohne nennenswerten Schaden hinbekommt....