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Kommentar Erdogan-Rede in KölnEr kennt nur Gut und Böse

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Mit Nationalismus und Intellektuellenfeindlichkeit kann Erdogan bei seinen Anhängern punkten. Die Großdemo gegen seine Politik macht Mut.

Keine Heldenverehrung auf der linken Rheinseite: Demo gegen Erdogan. Bild: dpa

D er Kontrast hätte nicht schärfer sein können. Auf der rechten Rheinseite jubelten 15.000 islamisch-konservative Erdogan-Fans frenetisch ihrem Idol zu. Zu besichtigen war eine Heldenverehrung, die Demokraten frösteln lässt.

Auf der linken Rheinseite protestierten hingegen mehr als 50.000 Menschen gegen den türkischen Premier. Es war die größte Anti-Erdogan-Demonstration, die Deutschland je erlebt hat. Ein ermutigendes Zeichen.

Das Weltbild, das Erdogan seinen Anhängern vermittelt, ist ein schlichtes. Es gibt Gut und Böse, dazwischen nichts. Gut sind er und seine Regierung. Böse sind all jene, die ihn und seine Regierung kritisieren.

Da redet er dann verschwörungstheoretisch von „Marionetten internationaler Kreise“, „illegalen Kreisen“ oder einfach von „Terroristen“. Während er sich als authentische Stimme des „einfachen“ Volkes geriert, garniert er seine Tiraden gegen die Opposition mit einer ausgesprochenen Intellektuellenfeindlichkeit und einem überbordenden Nationalismus.

Bei einer bestimmten Klientel kommen diese demagogische Botschaften an. Das ist kein türkisches Phänomen. Auch Putin in Russland, Orbán in Ungarn oder Berlusconi in Italien können virtuos auf dieser Klaviatur spielen. Was Erdogan mit ihnen gemeinsam hat, ist ein sinnentleertes Verständnis von Demokratie, reduziert auf den Wahlakt zur Legitimierung autokratischer Herrschaft.

Der bunte und lebendige Zug, der am Samstag friedlich durch die Innenstadt Kölns zog, zeigt die große Sehnsucht nach einer säkularem Staat, ohne die Unterdrückung der Meinungsfreiheit, ohne Panzer und Wasserwerfer, ohne die Verfolgung Andersdenkender. Und diese Hoffnung auf eine bessere Welt beschränkt sich nicht auf die Türkei.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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7 Kommentare

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  • Noch ein P. S.

     

    taz-Versteher bin ich auch, glaube ich.

     

    Doch jetzt lese und beschäftige ich mich mit etwas Anderem, mit dem Lokalem, mit dem ADFC, damit ich weiterhin das Fahrradfahren verstehe, morgen bei der "Sternfahrt" quer durch Berlin. - Am Pfingstsonntag dann mit dem "Karneval der Kulturen". - "Critical Mass" mußte ich gestern leider ausfallen lassen. Der nächste Freitag kommt bestimmt, hoffentlich auch mit sonnigem, abendsonnigem Wetter.

  • Ach, Herr Pascal Beucker, Sie sind demnach kein Putin-Versteher, kein Erdogan-Versteher, kein Orban-Versteher, kein Berlusconi-Versteher?

     

    Also ich bin Putin-Versteher, Erdogan-Versteher, Orban-Versteher, Berlusconi-Versteher und auch

     

    Merkel-Versteher, Obama-Versteher, Kerry-Versteher, McCain-Versteher, Gabriel-Versteher, Rasmussen-Versteher, Schröder-Versteher, Martin Schulz-Versteher, Juncker-Versteher, Hollande-Versteher, Cameron-Versteher, NATO-Versteher, EU-Kommission-Versteher, IWF-Versteher, EU-Parlament-Versteher, AfD-Versteher, FN-Versteher, UKIP-Versteher, NSU-Versteher, TTIP-Versteher, CETA-Versteher, Assad-Versteher, Iran-Versteher, "Frontex"-Versteher, AKW-Versteher ........

     

    Ich glaube, mein Verständnis reicht ganz gut aus, sogar für sogenannte "Gutmenschen" und "Schlechtmenschen".

     

    P.S.

    NSA-Versteher, CIA-Versteher, Snowden-Versteher, ganz besonders und ebenso aktuell - Snowden-Versteher!

  • wir sind ja sooo gut!

    bei dem anti-erdogan-hype fragte ich mich und andere immer wieder, wie wohl die chancen eines kumpels aus Soma auf asyl in 'schland stünden. wo doch der kampf für sicherheit am arbeitsplatz (über wie unter tage) mit politik nix zu tun hat - wenn ich mir die kommentare zu flucht+asyl hier bei der taz so angucke.

    • @christine rölke-sommer:

      passen sie bloß auf, dass sie nachher nicht als erdogan-versteher (turkophile variante zu seinem russischen pendant) durchgehen! das geht heutzutage recht schnell.

  • er kennt nur gut und böse?

    wer jetzt, der taz-kolumnist?

  • Er wäre besser zuhause geblieben! Aber immerhin wurden die richtigen Rheinufer eingehalten. Der reaktionäre Sack auf der "schäl Sick" - dat passt!

    • @Uwe Lorenzen:

      Erdogan ist so Richtung Putin oder Orban. Hatte seine Rolle, aber es reicht nun.