piwik no script img

Die WahrheitVerkommene Familie

Gürteltierkritik: Namhafte Zoologen bescheinigen dem WM-Maskottchen hässliche Ohren sowie einen dubiosen Charakter.

Und das Kugelgürteltier? Ist wie immer der Dumme. Bild: ap

Nicht Jaguar, nicht Piranha, nicht Anaconda – völlig überraschend wurde das unscheinbare Gürteltier zum Maskottchen der WM in Brasilien erklärt. Ausgerechnet ein Tier, das aus eigener leidvoller Erfahrung den Fußball hasst wie die Pest. Man sollte sich nämlich niemals in einem Land, in dem ein Fußball unerschwinglich ist, zu einer Kugel zusammenrollen. Blöd, wenn man da ein Kugelgürteltier ist.

Was befähigt unser Gürteltier außer dem Hang zum Herumkugeln noch zum Maskottchen? Und wie steht es um seine charakterlichen Eigenschaften? Leider genießt das Gürteltier in dieser Hinsicht einen denkbar schlechten Ruf. Schon Brehm ätzte 1870 in seinem „Tierleben“: „Gürtelthiere sind wie die Faulthiere eine durchaus verkommene Familie.“

Damit spielt er auf den Schrumpfungsprozess der Gürteltierfamilie an, deren Ahnen in der Urzeit noch Nashorngröße aufwiesen. Ein kleinliches Urteil des großen Zoologen, dem das Aussehen der Tiere ebenfalls missfällt: Plumpe Geschöpfe mit großen Schweinsohren und kurzen Füßen seien sie. Wilhelm Lackowitz fällt im „Buch der Tierwelt“ von 1900 ebenfalls ein vernichtendes Urteil: Tutenförmige Ohren und noch stumpfsinniger als das Faultier.

Auch die Gewohnheiten der Gürteltiere werden gescholten. Brehm äußert abfällig, dass sie „vollständig in Fäulniß übergegangenes Aas“ fressen, und berichtet: „Mit Beginn des Abenddunkels kommen die gepanzerten Feiglinge aus ihren tiefen, unterirdischen Bauen hervor und strolchen eine Zeit lang umher.“ Wie steht es um ihre geistigen Fähigkeiten? „Geschöpfe von stumpfen Sinnen ohne jede Spur höherer geistiger Fähigkeiten“, urteilt der Naturforscher kategorisch.

Sind die „durchaus harmlosen und friedlichen Geschöpfe“ (Brehm) nicht aus diesem Grunde geeignete Hausgenossen des Menschen? Leider nein: „Sie sind zu traurige und wegen ihres Grabens zu schädliche Hausgenossen, als dass der Mensch sich besonders mit ihnen befreunden könnte. Niemals beweisen sie durch eine Handlung, dass sie Verstand besitzen.“

Einzelgängerischer Scharrfüßler

Wegen der notorischen Wühlarbeit der Gürteltiere brechen südamerikanische Reiter reihenweise in deren unterirdischen Baue ein, sich selbst den Hals und ihrem Pferd das Bein. Brehm schildert die Folgen für die „armen Panzerträger“: „Die Eigenthümer aller Meiereien verfolgen sie auf das erbittertste und grausamste“ und prognostiziert schon 1870: „Sie gehen ihrer gänzlichen Ausrottung entgegen.“

Gibt es denn gar nichts, was für die einzelgängerischen Scharrfüßler spricht? Die Indianer schätzen immerhin deren schmackhaftes Fleisch und in Paraguay verfertigt man kleine Körbe aus ihren Panzern, die Botokuden wiederum verwenden abgestreifte Schwanzpanzer als Sprachrohre.

Wirklich preiswürdig scheint nur die Hässlichkeit der Gürteltiere, das hässlichste von ihnen ist für Brehm das Sechsbindengürteltier, dem das kellerasselähnliche Braunborstengürteltier um wenig nachsteht. Das Nördliche Kugelgürteltier, das Vorbild des WM-Maskottchens, beschreibt die Berliner Zeitung immerhin wohlwollend als „sympathischen Zeitgenossen“, aber so beliebt scheint auch diese Spezies nicht zu sein, denn sie wird weder in brasilianischen noch in europäischen Zoos gehalten, obwohl der Bestand in freier Wildbahn seit 2002 um 30 Prozent zurückgegangen ist.

Ignoriert, getreten und hochgefährdet, sollte nun ausgerechnet die umstrittene Fifa zum weißen Ritter unseres verfolgten Außenseiters werden? Den Eindruck möchte die Fifa nur allzu gern vermitteln, schließlich ist der Name des Maskottchens Fuleco ja aus den Begriffen Futebol und Ecologia zusammengesetzt. Als erste Maßnahme verkauft die Fifa erst mal eine Million glubschäugige Stoff-Fulecos aus chinesischer Produktion. Der Verkauf der Kuschelkugeltiere müsste doch ihren Vettern, den Kugelgürteltieren, zugutekommen?

Weit gefehlt, die steinreiche Selbstbedienungsorganisation blattert keine müde Pesete für die lebenden Fulecos hin, die brasilianischen Umweltorganisationen gehen allesamt leer aus. Und das Kugelgürteltier? Ist wie immer der Dumme und nur um die Erkenntnis reicher: Etwas Besseres als die falschen Freunde von der Fifa findest du überall!

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!