Präsidenten-Stichwahl in Afghanistan: Dutzende Tote bei Taliban-Attentaten
Die Taliban verübten über 150 Anschläge, insgesamt starben mehr als 120 Menschen. Doch das afghanische Volk ließ sich nicht einschüchtern und ging an die Urnen.
KABUL ap | Die Taliban haben am Wahl-Wochenende in Afghanistan ihre Drohung wahr gemacht und Dutzende Menschen bei Anschlägen getötet. Mehr als 120 Menschen starben am Samstag und Sonntag bei den Attacken, darunter mehr als 60 Rebellen, wie das afghanische Innenministerium mitteilte.
Zur Wahl standen der ehemalige Außenminister Abdullah Abdullah und der frühere Weltbank-Mitarbeiter und Finanzminister Aschraf Ghani Ahmadsai. Ein vorläufiges Endergebnis wird für 2. Juli erwartet, in den kommenden Wochen soll es aber bereits Teilergebnisse geben. Das endgültige Ergebnis soll am 22. Juli stehen.
Trotz der Drohungen beteiligten sich nach vorläufigen Berechnungen mehr als sieben Millionen Afghanen und damit 60 Prozent der Berechtigten an der Wahl, wie der Chef der Wahlkommission, Ahmed Jussuf Nuristani, sagte. Das wären ebenso viele wie in der ersten Runde am 5. April. Die Taliban hatten die Bevölkerung gewarnt, zur Wahl zu gehen. Allein am Samstag kam es zu 150 Anschlägen im ganzen Land.
Bei einer Bombenexplosion im Norden töteten die Taliban elf Menschen, darunter vier Wahlbeobachter, wie die Behörden am Sonntag mitteilten. Durch die Explosion einer am Straßenrand deponierten Bombe seien sechs Frauen, ein Kind und vier Männer in der Provinzhauptstadt Ajbak in einem Kleinbus ums Leben gekommen. Vier der Opfer seien Angestellte der städtischen Wahlkommission gewesen, die die Wahl organisiert habe.
Bei einem anderen Vorfall schnitten Taliban-Kämpfer am Samstag in der Provinz Herat im Westen des Landes elf Zivilisten die Finger ab, um sie dafür zu bestrafen, dass sie gewählt hatten, wie die Polizei mitteilte. In der Provinz Kandahar im Süden des Landes stürmte die Polizei am Sonntag ein von den Taliban tags zuvor besetztes Gebäude. Dabei wurden drei Polizisten und vier Selbstmordattentäter getötet.
In der ersten Runde der Wahl am 5. April hatte Abdullah, halb Tadschike und halb Paschtune, 45 Prozent der Stimmen erreicht. Der Paschtune Ahmadsai wurde mit 31,6 Prozent Zweiter. Der Sieger der Stichwahl wird Präsident Hamid Karsai ablösen, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf. Er wird dann auch in der Verantwortung stehen, wenn der Großteil der ausländischen Truppen zum Jahresende das Land verlässt.
Beide Kandidaten haben versprochen, ein bisher von Karsai hinausgezögertes Sicherheitsabkommen mit den USA zu unterzeichnen, dass den Verbleib von rund 10.000 Soldaten für weitere zwei Jahre garantiert. Diese sollen zur Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte und für Anti-Terror-Aktionen eingesetzt werden. Das Weiße Haus würdigte die Wahl als Schritt nach vorne auf dem „demokratischen Pfad“ Afghanistans und beglückwünschte die Wähler für ihren „Mut und ihre Entschlossenheit“.
Die Wahlbeschwerdekommission will bis zum Montagabend Klagen bearbeiten. 275 Beschwerden habe es gegeben. Allerdings unterstelle sie keine ausgedehnte Fälschung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!