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Die Krim nach dem russischen AnschlussBereit, die Heimat abzugeben

Kommentar von Ana Gordijenko

Unsere Autorin wurde auf der Krim geboren und verließ die Halbinsel im Frühjahr. Jetzt kehrte sie zurück – in ein fremdes Land.

Touristisch geht es auf der Krim derzeit eher ruhig zu. Bild: ap

Z wei Monate war ich nicht mehr in meiner Heimat, der Krim. Voller Ungeduld besteige ich den Zug „Lwow–Simferopol“ und steige in einem anderen Land aus – in Russland.

Die Luft ist noch dieselbe. Aber die ukrainische Flagge auf dem Bahnhofsgebäude durch eine russische ersetzt. Ich blicke in gereizte, selbstsichere Gesichter. Es fahren nur noch halb so viele Züge auf der Krim und die, die noch fahren, verspäten sich regelmäßig um ein bis zwei Stunden. Der Grund dafür ist: Zwischen dem ukrainischen Festland und der russischen Halbinsel – zwischen meinem Land und meiner Heimat – verläuft jetzt eine Grenze.

Ukrainische Staatsbürger, die keine Registrierung auf der Krim besitzen, müssen eine Migrationskarte ausfüllen und dürfen maximal neunzig Tage auf der Halbinsel bleiben. Doch auch denen, die im Besitz einer Registrierung sind, wird es nicht leicht gemacht. Eine Freundin, die seit acht Jahren auf der Krim wohnt, aber auf dem ukrainischen Festland gemeldet ist, verließ vorübergehend die Krim. Als sie zurückkehrte, wurde ihr vom russischen Grenzschutz Spionage und Kollaboration mit dem Westen vorgeworfen.

Der ukrainische Grenzschutz ist nicht minder streng. Im April verließ ich die Krim und musste eine erniedrigende Prozedur über mich ergehen lassen: An der Grenze sollte ich mich, Staatsbürgerin der Ukraine mit Registrierung auf der Krim, rechtfertigen, warum ich denn in die Westukraine ausreise.

Langsamer Saisonstart

Während der Zugverkehr nur schleppend vorangeht, boomt der Luftverkehr. Vom Flughafen Simferopol fliegen täglich mehr als 15 Flugzeuge nach Moskau, Sankt Petersburg und Rostow am Don. Marktführer ist die tschetschenische Airline „Grosni-Avia“. Die Touristensaison auf der Krim beginnt nur langsam. Einzige Stadt, der es nicht an Touristen fehlt, ist Sewastopol, Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte. Schon zur Siegesfeier am 9. Mai kamen viele russische Staatsbürger in die Stadt. Viele von ihnen blieben gleich für einige Monate. Ob die russichen Gäste den Mangel an ukrainischen ausgleichen können, wird man aber erst in ein paar Wochen beurteilen können.

Die Autorin

Ana Gordijenko, 27, verließ im März ihre Heimatstadt Simferopol, weil sie sich bedroht fühlte. Seit einem Monat lebt die Journalistin in Lemberg. Über ihren Abschied von der Krim und ihre Ankunft in Lemberg schrieb sie in der taz: www.taz.de/lebwohlkrim und www.taz.de/jetztinlemberg.

Auf der Krim ist die russische Flagge allgegenwärtig. Die ukrainische hatte hier nie eine solche Präsenz. Prorussisch eingestellte Bewohner erkennt man bereits an ihren Autokennzeichen: Die besonders Eifrigen haben, um patriotischen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, ihr ukrainisches Nummernschild gegen ein russisches eingetauscht, Autoaufkleber mit der ukrainischen Flagge entfernt und solche mit der russischen aufgeklebt. Nur die Krimtataren sind mutig genug, ihre Autos mit der eigenen Nationalflagge zu bekleben. Noch kümmert es die Staatliche Autoinspektion nicht.

Ein Bankensystem ist auf der Krim quasi nicht existent. Die ukrainischen Banken mussten schließen, die russischen haben ihre Tätigkeit noch nicht aufgenommen. „Bank Rossija“ kann man jetzt auf Schriftzügen der alten Bankgebäude lesen. Eine einzige Bank ist noch in Betrieb, da sie keine Filialen auf dem Festland besaß. Für die Bewohner ist das eine Katastrophe: Viele haben ihre Ersparnisse verloren. Sie zurückzubekommen, gestaltet sich als schwierig. Wer Überweisungen tätigen will, muss sich in eine meterlange Schlange einreihen.

Ich habe das Pech, Geld überweisen zu müssen. Vor der Bank treffe ich auf eine Schlange mit zwanzig Menschen. Ich werde gleich einem Mitarbeiter zugewiesen, der mit einer Liste vor der Bank wartet. Ich erhalte die Nummer 161. Ein junges, leicht genervtes Mädchen erklärt mir, dass die Nummer nur für den heutigen Tag gelte, dass die Warterei Tage dauern könnte und ich meine Nummer daher jeden Tag um Punkt 18 Uhr vor der Bank bestätigen müsse. Sollte ich einmal nicht erscheinen, würde meine Nummer gleich von der Liste gestrichen.

Vergessene Regierung

taz am Wochenende

Manuela Schwesig ringt darum, Kind und Karriere zu vereinbaren. Nicht nur als Familienministerin. Warum sie trotz eines Kanzlerinnen-Rüffels immer noch an ihre Idee von der 32-Stunden-Woche glaubt, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 21./22. Juni 2014. Außerdem: Bekommen wir bald Vollbeschäftigung? Ein Vater blickt in die Zukunft seines Sohnes. Und im sonntaz-Streit: Nordsee oder Ostsee? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Ich beschließe, bis zur vorgegebenen Uhrzeit zu warten. Viertel vor sechs schart sich bereits eine Menschentraube vor der Bank. Eine Frau mit einem dicken Ordner erscheint. Punkt 18 Uhr werden die Namen aufgerufen. Dann bekommen die Wartenden neue Nummern, die sie der Kasse der Bank näherbringen.

Als die Nummer 161 aufgerufen wird, ist das nicht mein, sondern ein anderer Familienname. Die Wartenden erklären mir, dass die Liste von voriger Woche verlesen wird und nicht die von heute. Zum Schluss wird mir die Nummer 342 zugewiesen: In drei Wochen kann ich meine Überweisung tätigen. – Es fällt mir schwer zu glauben, dass die Menschen dieses absurde Theater hinnehmen. Sie hüten ihre Notizzettel mit den langen Zahlenreihen. Politik ist kein Thema während des stundenlangen Wartens: Die alte Regierung scheint bereits vergessen und die Angst, die neue zu kritisieren, zu groß.

Am schwersten hat es die jungen Menschen auf der Krim getroffen. Kurz nach dem Referendum wurde den Schul- und Hochschulabgängern versprochen, dass sie zwischen einem ukrainischen und russischen Diplom wählen können. Einige Tage bevor sie ihr Diplom erhalten sollten, wurde ihnen mitgeteilt, es gebe nur russische Diplome. Das Problem dieser Diplome ist, dass sie, außer in Russland, nirgends anerkannt werden. Das Referendum über den Anschluss der Krim an Russland wurde von der UNO-Vollversammlung mit großer Mehrheit für ungültig erklärt. Immerhin hat das ukrainische Bildungsministerium alle Absolventen der Krim dazu aufgerufen, ihre Diploma auf dem ukrainischen Festland bestätigen zu lassen.

Totale Überwachung

Hochschuldozenten und Lehrer werden für proukrainische Äußerungen vom russischen Geheimdienst, dem FSB, vorgeladen und müssen sich erklären. In Jalta sangen Schüler bei ihrem Abschlussfest zur Melodie der russischen Nationalhymne den ukrainischen Text und verbreiteten das Ganze über soziale Netzwerke. Eine Woche später verloren einige Lehrer der Schule ihre Arbeit, die Eltern der Schüler wurden zur Rechenschaft gezogen – das alles spielt sich 2014 auf der Krim ab, und nicht etwa in der Sowjetunion.

Seit der Annexion gibt es auf der Krim keine Miliz mehr, sondern nur noch die Polizei – und die patrouilliert überall. 95 Prozent der Polizisten stammen aus Russland, sie stehen für die totale Überwachung – und bedeuten für viele zugleich Sicherheit.

Hrywna, die ukrainische Währung, wurde am 1. Juni 2014 auf der Krim abgeschafft. In den letzten Maitagen waren die Supermärkte berstend voll. Viele Menschen bezahlten mit ihrem letzten Gehalt, das sie noch in Hrywna ausgezahlt bekommen hatten, an der Kasse wurden Hrywna als auch Rubel angenommen. An russischem Kleingeld mangelt es noch. Besonders in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist der Frust groß, da das Rückgeld knapp ist. Trotzdem behaupten die Behörden hartnäckig, dass die Krim auf die Währungsumstellung vorbereitet war.

Ich kann nicht behaupten, dass in den Supermärkten ein Defizit an Lebensmitteln herrscht. Nur noch ein Teil der alten ukrainischen Lieferanten beliefert die Halbinsel. Krimwein ist rar geworden. Auch die Schokoladenmarke „Roshen“, die dem neuen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko gehört, kann man seit einem Monat nicht mehr in den Geschäften finden. Das Schlimmste ist, dass es keine Preiskontrolle gibt. Die Rubelpreise sind in manchen Geschäften dreimal so hoch wie die Preise in Hrywna, in anderen sogar fünfmal. Im Durchschnitt haben sich die Preise in den letzten Monaten mehr als verdoppelt. Wirkliche Patrioten kennen darauf die immergleiche Antwort: „Das ist nur vorübergehend, wir können warten.“

Sie hassen die Regierung

Am glücklichsten mit dem Wechsel sind Beamte und Rentner. Jeden Monat erhalten sie 25 Prozent mehr Lohn. Da aber gleichzeitig die Preise gestiegen sind, profitieren sie nicht wirklich von der höheren Zahlung. Andere, deren Gehälter nicht erhöht worden sind, zum Beispiel private Arbeitnehmer, sind ärmer als zuvor. Die meisten Journalisten und Aktivisten haben die Krim bereits vor Wochen verlassen, unter ihnen vor allem junge Hochschulabsolventen. Geblieben sind nur Optimisten, die daran glauben, dass alles besser wird, wenn man durchhält.

In meinem Elternhaus schaut man traditionell ausschließlich russisches Fernsehen. Vor meiner Anreise habe ich meine Verwandten darum gebeten, während meiner Anwesenheit den Fernseher auszuschalten. Es ist erstaunlich, wie sehr sich ihre Stimmung in dieser kurzen Zeit verändert hat. Wut und Nervosität sind verflogen. Plötzlich können wir uns neben Politik auch noch über andere Themen unterhalten. Was die Kiewer Regierung anbetrifft, sind sich die Menschen einig: Sie hassen die Regierung für den Krieg gegen das eigene Volk. Sie glauben fest daran, dass es im Donbass weder Terroristen noch Kosaken noch Tschetschenen gibt, sondern nur Aufständische und Zivilisten.

Mein persönlicher Schmerz ist schwächer geworden. Trotzdem wundere ich mich immer wieder darüber, dass Menschen so schnell ihr Bewusstsein ändern können und sich plötzlich als Patrioten eines anderen Landes fühlen. Während meiner Recherche wandten sich viele Bekannte an mich und baten mich, doch „die Wahrheit“ über die Krim zu berichten. Die Wahrheit klingt aus dem Mund der Krimbewohner so: „Wir sind froh, jetzt russische Staatsbürger zu sein.“ „Die Benzinpreise sind gesunken.“ „Wir sind mit allem zufrieden, besonders die Beamten sind es.“ „Unsere Städte entwickeln sich weiter.“ „Wir haben bei dem Referendum nicht unter Waffengewalt abgestimmt.“

Vergessene Annexion

Das Problem der Krimbewohner ist, dass sie sich in den vergangenen 23 Jahren weder als Russen noch als Ukrainer fühlen konnten. Nach der „heldenhaften“ Rettung der Krim durch Russland können sie sich endlich als Patrioten in ihrem neuen Vaterland verstehen. Denjenigen, denen das nicht gefällt, wird mit Abscheu begegnet.

Nach allem, was ich hier gesehen habe, glaube ich nicht mehr daran, dass die Krim wieder ukrainisch werden kann. Auch Kiew scheint die Krimfrage nicht mehr zu interessieren. Noch vor den schrecklichen Ereignissen im Osten des Landes hatte man die Annexion vergessen. Wenn der Anschluss an Russland aber der Preis war, den die Ukraine zahlen musste, um ihre demokratische Zukunft und Einheit zu stärken, dann bin ich bereit, meine kleine Heimat abzugeben.

Übersetzung Ljuba Naminova

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38 Kommentare

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  • Meine Mutter wohnt auf der Krim., ich habe gerade den Artikel übersetzt und mit meiner Mutter disskutiert. Es ist eine Fälschung, in Bezug auf die Preis, es ist eine ganz geringe Preiserhöhung ( zwischen 10-20 % ) In Bezug auf die Banken, es stimmt , Banksystem funktioniert noch nicht, aber die Ersparrnisse sollen im Laufe der Zeit von Russland ausbezahlt werden. Ja, die Anzahl der Urlauber deutlich weniger Und die absolute Mehrheit ist bereit alle Schwierigkeiten in Kauf zu nehmen, und sagen wir wussten auf was wir uns eingelassen haben! Auch die Anzahl der Polizisten ist gross, aber nicht verwunderlich, in Anbetracht dessen, dass der rechte Sektor mehrmals mit Terroranschlägen bedroht hat. Es ist eine sehr, sehr positive, würde sogar sagen glückliche Stimmung auf der Krim! Ich spreche von der Grundstimmung, sicherlich gibt es Menschen, die es anders empfinden.

  • In welches Land will die Autorin eigentlich ziehen, wenn schon verspätete Züge und Warteschlangen vor Bankenschaltern ihr so zuwider sind?

    Die BRD koimmt schon mal wegen Punkt I nicht in Betracht. Okay, Warteschlangen vor Bankenschalter gibt es hier nicht, weil es keine Bankenschalter mehr gibt, an dem die alten Menschen ihren Service bekommen könnten. Die müssen alle zum Automaten.

    • @Age Krüger:

      Ich denke, das war auch nicht die Kernkritik der Autorin, genauso wenig wie Ihr Kommentar die Mißstände in auf der Krim zum Inhalt macht.

       

      Mit zweitem haben Sie trotzallem vollkommen recht.

      • @lions:

        Problem ist, dass es schwer fällt, andere sachliche Aussagen aus dem Artikel zu erkennen, was sich geändert hat. Da ist ansonsten nur noch die Preissteigerungen für einige Waren vermerkt.

         

        Ich persönlich kann daher nicht ganz nachvollziehen, wieso ich, wenn ich dem auch nur den geringsten Wert beimessen würde, "meine Heimat" aufgeben sollte wegen derartig doch ziemlich kleinen Problemen.

        • @Age Krüger:

          Naja, neben dem Schokoladen-Exodus und ähnlicher Makulatur war da noch was mit abgereisten Journalisten. Ganz freiwillig sind die sicher nicht gegangen und mit Ihnen die vll. viele Kritiker, die in demokrat. Verhältnissen sicher weiter ihr Auskommen gehabt hätten. Der Stein wiegt schon schwer und dürfte der Autorin schon mehr auf den Magen geschlagen haben. Klingt alles sehr nach Krim- Besenrein.

          • @lions:

            Oh toll, mein Geschreibsel !

             

            Berichtigung

            ...mit ihnen die vll. vielen Kritiker,.....

             

            Ruhig Braune !

  • Eine Tragödie! Solidarität mit den Ukrainer*innen!

  • was habt ihr denn alle gefrühstückt?

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Da haben die jetzt dank göttlicher Fügung einen Friedensfürsten Putin bekommen, einen Menschenfreund erster Kajüte und lupenreinen Demokraten und sind erst nicht zufrieden?

     

    Undankbar.

  • Die Bewohner der Krim haben sich ja in einer freien Abstimmung für Russland entschieden, das sollte man so langsam mal akzeptieren.

    Und mal ehrlich, die Menschen dort haben jetzt einen riesigen Vorteil: sie sind sicher, sie sind nicht kriegerischen Aktionen ausgesetzt. Die Bewohner der Ost-Ukraine wären vermutlich froh, wenn sie diese Sicherheit hätten.

    • @Bernado:

      das "problem" ist nur, so ("freie Abstimmung" einer wie auch immer gearteten Teilgruppe) funktioniert das nicht. Sonst könnte ja jeder hanswurst morgen seinen eigenen Staat gründen. Wollten die Krimler unbedingt Russen werden, hätte jeder von ihnen ja sofort auswandern können. Sie können aber nicht einfach ukranisches Staatsgebiet usurpieren und "mitnehmen". Dass sie selbst evtl. auch Grundbesitz haben, ändert nichts daran, dass es ukranisches Staatsgebiet war und zu bleiben hatte.-

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @Bernado:

      Hm. Kann es sein, daß Putins Gewehre mit Blumen schießen?

    • @Bernado:

      Klar, allerdings ist die Krim wie bereits erwähnt ein Sonderfall; zum einen wegen der besonderen Geschichte (Schwarzmeerhafen) und auch nicht zuletzt deswegen, weil die Bevölkerung dort viel homogener ist als in der Ostukraine, wo die Mehrheitsverhältnisse oft nicht klar sind. Selbst in einzelnen Regierungsbezirken sind im einen Dorf mehr Russen, im anderen mehr Ukrainer und so weiter - und alleine die ethnische Zugehörigkeit sagt auch noch nichts darüber aus, zu welchem Staat sie denn gerne gehören möchten.

       

      Zum anderen kann die Annexion der Krim meiner Meinung nach auch als ein Mitauslöser der Unruhen im Donbass angesehen werden - die Separatisten haben gemerkt, dass man aus der Ukraine aus- und Russland beitreten kann und haben sich erhofft, dass es in ihrem Fall genauso einfach wird, was es aber nicht wurde. Wie es gekommen wäre, wenn Russland nicht auf der Krim einmarschiert wäre, kann ich leider auch nicht sagen.

  • @Sepp Turbo

    Dibelius hat schon recht: Eine ''ukrainische'' Nation, Sprache und Volk gibt es nicht. Auch wenn sich die ukrainischen Nationalisten verzweifelt bemühen, eine solche aus dem Boden zu stampfen. Die Ukraine ist und bleibt ein künstlicher Staat. Genauso wie einst die DDR- oder wollen Sie etwa behaupten, es habe eine ''ostdeutsche Nation'' existiert?

     

    Die Ukraine ist ein gescheiterter Staat und geht unter- genau wie einst die DDR.

    • @Frotzelphilip:

      Wollen Sie etwa behaupten das so etwas wie Nationen existieren?

       

      Diese Idee ist höchst konstruiert und wird sich in mittlerer Zukunft überlebt haben.

       

      Wenn überhaupt ist die Ukraine aus deutscher Sicht mit Österreich zu vergleichen. Oder aus türkischer mit Aserbaidschan. Etc..

    • @Frotzelphilip:

      Menschen wie "Sepp Turbo" sollten sie gar nicht beachten. Bei solchen Leuten ist Demokratieverständnis und Geschichtsbewusstsein eben nicht vorhanden. Da wird einfach nachgeplappert, was die westliche Presse so vorgibt.

      Bei der SZ hat die Redaktion sich jetzt zum Beispiel offen zu Russland-Hassern entwickelt - und jeder kritische Kommentar zur Redaktion wird eben einfach wegzensiert.

      Und ähnliche Phänomene sieht man bei fast allen westlich orientierten Magazinen.

      Die Meinung der Bürger wollen Politiker und viele Presseorgane zum Bereich Russland/Ukraine gar nicht hören - im Gegenteil, man will den Leuten eine andere Meinung unterjubeln.

      • @antares56:

        Mein Verständnis von Demokratie heißt eben nicht "gelenkte Demokratie" à la Putin und gefälschte Referenda. Auch wenn ich es nicht in Ordnung finde, dass die Regierung in Kiew derzeit (!) nicht hundertprozentig demokratisch legitimiert ist (obwohl die Abgeordneten ja vom Volk gewählt wurden und bereits Neuwahlen angekündigt wurde, welche Faschisten würden denn bitte Neuwahlen anleiern?), finde ich es mehr als heuchlerisch, wenn die Causa Aksjonow (die dasselbe in Grün darstellt, nur noch viel schlimmer und noch krasseren Verstößen gegen das Wahlrecht) von den Russland-Befürwortern einfach so unter den Tisch gekehrt wird.

         

        Und wenn "Geschichtsbewusstsein" mit "Revisionismus" gleichzusetzen ist wie auf der Krim, dann könnte Deutschland auch gleich genausogut Ostpreußen wieder zurückverlangen. Oder Österreich annektiern, oder...

         

        Jedem, der Russland kritisiert, gleich vorzuwerfen, auf "westliche Propaganda" reinzufallen, lässt übrigens auch tief blicken.

    • @Frotzelphilip:

      Ja, das hat sie, wenn auch nur auf dem Papier. Der Unterschied zur Ukraine ist nur, dass damals sowohl West- als auch Ostdeutsche sich als ein Volk ansahen und die Frage, ob es zur Wiedervereinigung kommen sollte oder nicht, eigentlich gar nicht zur Debatte stand.

       

      Nur weil sie einen anderen Dialekt/eine andere, ähnliche Sprache sprechen und eventuell eine ähnliche Mentalität besitzen, heißt das noch lange nicht, dass sie auch in einem Staat zusammenleben sollen und wollen. Mit derselben Argumentation könnte ein Außenstehender auch fordern, Österreich wieder an Deutschland anzuschließen. Oder aber den Spieß umdrehen und argumentieren, Bayern sei Österreich viel ähnlicher als Norddeutschland und sollte ergo die BRD verlassen und sich Österreich anschließen.

       

      Was die Völker (falls Ihnen dieses Wort nicht auch wieder sauer aufstößt) wollen, wissen sie am besten selber. Genau wie die Schotten dieses Jahr übrigens (hoffentlich erfolgreich) demonstrieren werden. SO hat nämlich ein Referendum über Unabhängigkeit abzulaufen, mit entsprechender Vorlaufzeit und ohne Druck, und nicht wie diese Farce auf der Krim.

      • @Sepp Turbo:

        @Sepp Turbo

        Sie bringen es auf den Punkt: Sollen die Leute doch selber entscheiden, zu welchem Staat sie gehören wollen. Unsere Ansichten liegen ja gar nicht so weit auseinander. Die Krim hat abgestimmt, bald stimmen auch die Schotten und die Katalanen ab.

         

        Die Krim hat sich mit überwältigender Mehrheit für RU entschieden. Das müssen- siehe Artikel- sogar hartgesottene ukrainische Nostalgiker zugeben. Sogar die scheinen zu merken, dass sie das Rad der Geschichte nicht mehr zurückdrehen können.

         

        Und auch objektiv war der Entscheid der Krim richtig: Während in den restlichen Regionen der Ukraine Einberufung, Putsch, Bandenkrieg, rechtsradikale Strassenkämpfer und stellenweise sogar Bürgerkrieg herrschen, ist die Krim die mit Abstand ruhigste Region.

        • @Frotzelphilip:

          Das mag ja sein, aber mir stößt das Referendum selbst immer noch sauer auf, da es nicht nach demokratischen Standards abgehalten wurde. Naja, der Welt bleibt über kurz oder lang wohl nichts anderes übrig, als die Annexion zu akzeptieren. Was mir dabei sauer aufstößt, ist allerdings die Tatsache, dass es ein völlig falsches Signal an Putin und andere Regierungschefs schickt, wenn ein Staat mit so einer mehr als zweifelhaften Aktion so ungeschoren davonkommt.

           

          Die Krim ist, was die Bevölkerung angeht, innerhalb der Ukraine eh ein Sonderfall: 95% sprechen Russisch, aber nur ca. die Hälfte haben sich überhaupt als Russen gefühlt. Erinnert mich ein bisschen an Elsaß-Lothringen vor dem ersten Weltkrieg. Die Leute dort sprachen zwar überwiegend Deutsch, aber fühlten sich in der Mehrheit als Franzosen.

  • "Es sehnt sich ewig dieser Geist ins Weite,

    Und möchte fürder, immer fürder streben:

    Nie könnt ich lang an einer Scholle kleben,

    Und hätt ein Eden ich an jeder Seite.

     

    Mein Geist, bewegt von innerlichem Streite,

    Empfand so sehr in diesem kurzen Leben,

    Wie leicht es ist, die Heimat aufzugeben,

    Allein wie schwer, zu finden eine zweite.

     

    Doch wer aus voller Seele haßt das Schlechte,

    Auch aus der Heimat wird es ihn verjagen,

    Wenn dort verehrt es wird vom Volk der Knechte.

     

    Weit klüger ist's, dem Vaterland entsagen,

    Als unter einem kindischen Geschlechte

    Das Joch des blinden Pöbelhasses tragen."

    (August von Platen-Hallermünde - 1826)

  • @Sepp

    ''Landraub'', ''Einverleibung''- mein Gott, was ist denn das für ein vorsintflutliches Vokabular? Die Zeit der Nationen ist vorbei. Allein schon aus diesem Grund ist der ukrainische Nationalismus lächerlich.

     

    Die Krim-Bewohner haben abgestimmt, mit wem sie am liebsten zusammenleben wollen. Dieser Wille ist zu respektieren, und damit ist die Sache erledigt. Dass die wenigsten in der bettelarmen, korrupten, von einem steinreichen Oligarchen geführten, von ständigen Putschs, Unruhen und nun auch noch Bürgerkrieg erschütterten, nationalistischen Ukraine leben wollen, ist ja wohl klar. Das ist ein gescheiterter Staat, auf einer Stufe mit dem Irak und Somalia.

    • @Frotzelphilip:

      Die heldenhafte russische Armee hat die Krimbewohner vor dem Völkermord durch die ukrainischen Faschisten bewahrt. In einer freien Abstimmung begleitet von russischen Soldaten haben sie zu 99.5% für Russland gestimmt, so wie die Tschetschenen für Putin zuletzt (siehe die letzten Wahlergebnisse der Putinwahl in Tschetschenien). Ein gottesfürchtiger Volksheld, davor zwar Mafiosi, aber jeder ändert sich mal, hat das Volk der Krimbewohner heim ins Reich geführt.

    • @Frotzelphilip:

      Nationalstaaten sind eine Tatsache, egal ob es Ihnen passt oder nicht. Aber wenn Sie schon so gegen Nationalstaaten hetzen, warum dann nicht gegen Russland? Putin hat mit seinem Hurra-Patriotismus die Krise nur noch zusätzlich angeheizt.

       

      Und dass die Abstimmung auf der Krim wohl mehr als illegal war, darüber müssten wir eigentlich gar nicht diskutieren. Aber nochmal zur Erinnerung:

      - Die Abstimmung fand statt, *nachdem* bereits fremde Truppen auf der Krim waren.

      - Unabhängigen Forschungsgruppen zufolge hätten die Krimbewohner vielleicht knapp für die Unabhängigkeit gestimmt, aber nicht mit sowjetisch anmutenden 97% (http://en.wikipedia.org/wiki/Crimean_status_referendum,_2014#Alternative_estimates_of_results). Die Krimtartaren enthielten sich mehrheitlich aus gutem Grund der Abstimmung.

      - Die beiden in Frage kommenden Optionen waren eine Farce, da sie keine Rückkehr zum status quo ante ermöglicht hatten, sonder nur "Russland beitreten" oder "Verbleib bei der Ukraine unter der Verfassung von 1992" (in der die Krim allerdings kein Teil der Ukraine war bzw. ihr Status höchst diskutabel wäre). (Auch interessant: Die Krimbewohner konnten zwar abstimmen, ob sie zu Russland gehören wollen oder nicht, über eine Unabhängigkeit wurden sie jedoch nie befragt.)

      • @Sepp Turbo:

        Und damit war die Abstimmung wesentlich demokratischer wie z.B. die deutsche Wiedervereinigung und alle EU-Aufnahmen der letzen 20 Jahre.. Ich habe als Bürger der BRD(West) und als Bürger eines EU-Staates niemals die Gelegenheit gehabt, mich in einer Abstimmung dazu zu äußern, wie ich zu der Wiedervereinigung oder zu einer Aufnahme von z.B. Litauen oder Rumänien in die EU stehe.

         

        Natürlich ist der Prozeß, in dem die Krim zur russischen Förderation kam, auch schon deshalb fragwürdig, weil die Bewohner der russischen Förderation gar nicht befragt wurden, ob diese die Krim haben wollen.

        Aber letztendlich sind alle diese Mängel bedauerlich, aber nicht in meinem Einflußbereich. Ich muss weder auf der Krim oder in der Ukraine leben, sondern in einer BRD und einer EU die die Selbstbestimmung ihrer Bewohner nicht respektiert.

        Wenn dieser Mangel aufgehoben ist, dann werfe die EU den ersten Stein.

  • 9G
    9076 (Profil gelöscht)

    "In meinem Elternhaus schaut man traditionell ausschließlich russisches Fernsehen. Vor meiner Anreise habe ich meine Verwandten darum gebeten, während meiner Anwesenheit den Fernseher auszuschalten."

     

    "Wenn der Anschluss an Russland aber der Preis war, den die Ukraine zahlen musste, um ihre demokratische Zukunft und Einheit zu stärken, dann bin ich bereit, meine kleine Heimat abzugeben. "

     

    Liebe Frau Godiejenko, Sie haben scheinbar ein grosses Problem mit Russlands Einfluss auf ihre Heimat.

     

    Ich hätte an ihrere Stelle größere Probleme mit der Einflussnahme des Westens, die das Land mehr und mehr destabilisiert und in den sicheren Bürgerkrieg treibt.

    Die Beziehung zwischen Russland und der Ukraine wird sicherlich nicht besser, solange der Westen geopolitische und geostrategische Ziele in der Ukraine sieht.

     

    Ansonsten, liebe Frau Gordijenko, schließen sie sich doch der Swoboda- Bewegung an, wenn sie den Patriotismus auf russischer Seite nicht ertragen.

     

    RUSSEN UND UKRAINER SIND ALS EIN SLAVISCHES VOLK GEEINT.

     

    Die Ukraine steht Russland von der Mentalität näher als westlichen Ländern.

     

    Ukraine: "Das Krisentagebuch"

    http://www.youtube.com/watch?v=cvnzPF_axPM

    • @9076 (Profil gelöscht):

      "RUSSEN UND UKRAINER SIND ALS EIN SLAVISCHES VOLK GEEINT."

      Und das wissen Sie woher? Sind Sie etwa Russin oder Ukrainerin? Und wenn ja, woher nehmen Sie diese Gewissheit, haben Sie mit jedem einzelnen Russen/Ukrainer gesprochen?

       

      Ich traue mich wetten, dass sich viele Ukranier derzeit überhaupt nicht als Brudervolk des östlichen Nachbarn sehen. Wohin die Ukrainer wollen, wissen sie in erster Linie selber, und einseitige Statements wie "Russen und Ukrainer sind ein Volk" sind da eher kontraproduktiv.

       

      Ferner sind die destabilisierenden Kräfte in der Ukraine derzeit andere. Sofern die Separatisten im Donbass nicht zaubern können, beziehen sie ihr schweres militärisches Gerät aus Russland. Da sind unmarkierte Panzer russischer Bauart unterwegs. Das ganze erinnert sehr stark an die (illegale) Annektion der Krim, wo auch zuerst Truppen ohne Hoheitszeichen unterwegs waren und der Kreml auch zunächst stocksteif behauptet hat, die Truppen wären nicht die ihren. Wer einmal lügt...

      • 9G
        9076 (Profil gelöscht)
        @Sepp Turbo:

        Aber es ist doch so, dass Putin erst die Krim annektierte als das Assoziierungsabkommen zwischen Ukraine und EU feststand.

         

        Wir sollten ersteinmal die Außenpolitik des Westens reflektieren, bevor wir die Welt in gut und böse einteilen.

         

        Die verstärkte militärische Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und den Nato- Staaten, provoziert geopolitische Machtspielchen, wie z.B. die Annexion der Krim.

        • @9076 (Profil gelöscht):

          Präsident Poroschenko wird das Assoziierungsabkommen erst ab 27. Juni unterschreiben, bis dahin steht gar nichts fest.

           

          Es ist das gute Recht der Ukraine, sich für eine Seite entscheiden zu dürfen, oder auch neutral zu bleiben. Das Parlament und der zuletzt direkt vom Volk (!) gewählte Präsident wünschen anscheinend eine Annäherung an den Westen, und wenn die Ukrainer das so wollen, dann müssen wir das auch respektieren. Zu einem Vertrag gehören immer zwei.

           

          Gewiss kann man auch über eine Föderalisierung und eine eventuelle Abspaltung des Ostens diskutieren, aber dann bitte unter demokratischen Gesichtspunkten und nicht unter Waffengewalt und selbst ernannten "Volksbürgermeistern" (die übrigens demokratisch gewählte Bürgermeister und Stadträte einfach so abgesetzt haben).

           

          Zur Außenpolitik des Westens - mir passen auch einige Entscheidungen nicht, wie z.B. der Kosovokrieg oder der Einmarsch in den Irak (Afghanistan war meiner Meinung nach allerdings völlig gerechtfertigt), aber deshalb die russische Außenpolitik unreflektiert und uneingeschränkt gut zu heißen, wie es hier einige Kommentatoren anscheinend tun, finde ich auch nicht in Ordnung.

  • Ein guter Artikel, der den Aggressoren aus dem Osten mal ordentlich die Leviten liest! Ist halt doch nicht alles eitel Sonnenschein in Putin-Land.

    • @Sepp Turbo:

      Sepp, es ist unverständlich, warum im 21. Jhd. einige Ewiggestrige immer noch von einem ukrainischen Grossreich träumen und Oden und Lobhudeleien auf die ''grosse ukrainische Nation'' verfassen.

       

      Dieser schwülstige Erguss sagt wohl mehr aus über die ukrainischen Nationalisten selbst, als dass er irgendwem die Leviten liest.

      • @Frotzelphilip:

        Wer träumt denn hier von einem "ukrainischen Großreich"? Da wird doch eher andersrum ein Schuh draus - das größte Land der Erde verleibt sich noch ein kleines Fitzelchen Land eines seiner Nachbarn ein, genauso wie vor sechs Jahren in Georgien. Putin macht aus seinen Ambitionen, die alte Sowjetunion zumindest teilweise wieder zu errichten, keinen Hehl. Ewiggestrig ist wohl eher der, der krassen Landraub mit fadenscheinigen historischen "Argumenten" zu entschuldigen sucht.

  • Allen ist es pudelwohl

    In Simfer- und Sewastopol.

     

    Nur westukrainischen Nationalisten natürlich nicht. Die hängen immer noch ihren Träumen von der alten Grösse und Macht der Ukraine nach und bekommen vor Nostalgie feuchte Augen, wenn sie irgendwo auf der Krim noch eine ukrainische Flagge entdecken.

  • "Trotzdem wundere ich mich immer wieder darüber, dass Menschen so schnell ihr Bewusstsein ändern können und sich plötzlich als Patrioten eines anderen Landes fühlen."

     

    Tja, und für diese Erkenntnis musste sich die Krim erst der russischen Föderation anschließen? Patrioten sind Idioten, egal, ob für Ukraine, Rußland, Deutschland und Taka-Tuka-Land. Dass es den meisten Menschen piepenhagen ist, für wen sie schreien, wissen wir in der BRD, seit dem Mio von Funktionären der DDR, die früher uns Westdeutsche als Klassenfeind vernichten wollten, uns heute bevormunden. Sogar als Bundeskanzlerin und Bundespräsident.

    • @Age Krüger:

      Es sind wohl keine Millionen, aber die paar reichen auch aus,