Weitläufiges Grün in der Stadt: Offen für alle
Seit 100 Jahren sind Gärten in Hamburg nicht mehr nur Sache des Großbürgertums: Mit dem Stadt- sowie dem Altonaer Volkspark feiert jetzt eine Demokratisierung des Grüns ihr Jubiläum.
HAMBURG taz | Der Hamburger ist einer, der sich selbst genügt, heißt es gern. Andererseits: Wann immer er kann, vergleicht er das Seine mit dem Rest der Welt, unterstreicht die eigene Platzierung in imaginierten oder tatsächlichen Ranglisten. Dann ist der Hafen immer der soundsogrößte, und die Stadt hat mehr Brücken als diese oder jene. Auch wenn vom Stadtpark die Rede ist, der gerade 100 Jahre alt wurde, fehlt selten der Hinweis auf seine Beispielhaftigkeit für den deutschen Garten- und Landschaftsbau - und das Renommee "im Ausland".
Obs daran liegt, dass sich die Bedeutung, das Besondere der knapp 150 Hektar großen Grünanlage im Stadtteil Winterhude heute nicht mehr ohne Weiteres erschließt? Zugegeben: Auf der weitläufigen Liegewiese kann man sich fühlen, als wäre man ganz woanders. Entlang der markanten Hauptachse, vom Parksee zum Planetarium, kann man den Blick in die Ferne schweifen lassen - und sich klitzeklein fühlen. Konzeptionell lässt das gerade noch an französische Vorläufer und absolutistische Gestaltungsprinzipien denken.
Aber in den französischen Landschaftsgärten des 18. Jahrhunderts wurde die Natur für Adel und Krone in geometrisch exakte Formen gebracht, das gemeine Volk hatte darin ursprünglich nichts verloren. So wenig wie den alten Parks in Hamburg, wo sich alles um das Wohl des Bürgertums drehte. Grünanlagen wie der um 1800 angelegte Jenisch-Park waren großzügige, aber eingezäunte Landschaft um die Sommerhäuser der hanseatischen Kaufleute herum; ein gewundener Flusslauf hier, ein Gewächshaus für die Orchideen da.
Wie anders waren da doch Hamburgs Stadtpark und der ziemlich genau gleich alte Volkspark im damals noch selbstständigen Altona: Sie standen von Anfang an allen offen.
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"Aufenthalt, nicht bloß Spazierengehen"
"Der Hamburger fragt sich, ob seine Vaterstadt, wenn nicht ein großer Stadtpark geschaffen wird, auf Dauer bewohnbar bleibt", fragte der große Kunst- und Kulturhistoriker Alfred Lichtwark im Jahr 1895. Und verlangte einige Jahre später erneut: "Wir brauchen einen Park, zum Aufenthalt, nicht bloß zum gelegentlichen Spazierengehen." Einen Park, der bei jedem Wetter die ganze Bevölkerung anziehe, der eine "reiche Quelle edler Lebensfreude bietet".
Anfang des 20. Jahrhunderts entstand die Volksparkbewegung. Ihre Verfechter forderten Anlagen, die der Masse Erholung sowie physische und psychische Gesundheit bieten sollten. Rasenflächen, die man zuvor nicht betreten durfte, verwandelten sich in Spiel- und Sportplätze. Im Unterschied zum dekorativen Kunstgarten kam es zunehmend auf die Unterhaltung im Grünen an.
1901 hatte der Hamburger Senat beschlossen, zum Ausgleich für andere, im Zuge der Industrialisierung verlorengegangene Grünflächen ein Gelände in Winterhude aufzukaufen. Unter Federführung des Hamburger Architekten Fritz Schumacher, des Ingenieurs Friedrich Sperber und später auch des städtischen Gartendirektors Otto Linne entstand nach fruchtlosen Gestaltungswettbewerben und jahrelangen, auch zähen Diskussionen ab 1914 ein moderner Park: Auf knapp 150 Hektar Fläche bot der Stadtpark sonnige Spielwiesen, Sportplätze, Wasserflächen zum Bootfahren und Schwimmen, dazu Wandelhallen und - Milchausschank im Bauernhaus.
Tram von der Natur
Auch heute fliegen an Sommerabenden Fußbälle durch die Luft, radeln ältere Damen auf dem Schotterweg vorbei. Hier und da qualmt ein Grill, Kinder stehen im Wasser des Planschbeckens, bis sie von ihren Eltern eingesammelt und nach Hause geschoben werden.
Mit seinen gewundenen, nach Kiefern duftenden Waldwegen und den weitläufigen Wiesen träumt der Park aber bis heute auch von der Naturlandschaft - während irgendwo hinter den Baumkronen metallene Kräne die nächsten Neubauten hochziehen.
Beide Parks, die nun ihren 100. Geburtstag feiern, Hamburgs Stadt- wie auch der Altonaer Volkspark - der anfangs schlicht "Waldpark" hieß -, verstehen sich als Nachkömmlinge einer bürgerlichen Aneignung der Stadt. Gestalterisch galt es eine öffentlich nutzbare Landschaft zu schaffen, zum Zwecke von Erholung und Ertüchtigung.
Ein Hauch dieser einstigen Volksparkbewegung weht bis heute auch durch den Altonaer Volkspark. Geplant wurde er anlässlich von 250 Jahren Altonaer Stadtrecht - als "grüne Lunge" und Kaiser-Bejubel-Park. 1914 richteten Hamburgs westliche Nachbarn dafür eine Gartenbauausstellung aus, die dann der Ausbruch des Ersten Weltkriegs überschattete. Erst nach Kriegsende legte Ferdinand Tutenberg, Altonas Gartenbaudirektor und Gartengestalter, nördlich der Bahrenfelder Trabrennbahn an, was zu seinem Hauptwerk werden sollte: ein Erholungs- und Ertüchtigungsgebiet für Altona, damals nach Breslau die am zweitdichtesten besiedelte Stadt in Preußen.
Als der Park 1920 fertig wurde, war der ursprünglich vorgesehene Name Kaiser-Wilhelm-Park vom Tisch. Tutenberg suchte durch gestalterische Prinzipien einen Ausgleich für die schlechten Wohnverhältnisse gerade auch der Arbeiterschaft: Auf 205 Hektar finden sich im Volkspark verwunschen wirkender Wald und vergleichsweise wenige Wiesen, dafür immerhin 22 Kilometer Wegenetz, dazu Schluchten und Hügel: Vom Tutenberg aus, gut 46 Meter über N. N., habe man früher ganz Hamburg sehen können, schwärmte Altonas Stadtgrün-Zuständiger Hajo Schaefer unlängst im Hamburger Abendblatt.
Aufhübschung zum 100.
Heute ist der Altonaer Park Hamburgs größte Grünanlage - und wirkt doch immer ein wenig wie das Stiefkind der Stadt: Hinter Autobahn und ausgedehnten Bahnanlagen liegend, immer wieder angeknabbert und durchschnitten, gilt er manchem als wenig mehr denn die Umgebung für HSV-Stadion und Mehrzweck-Arena. Immerhin: Zum 100-Jährigen spendierte der Senat 1,5 Millionen Euro für die eine oder andere Aufhübschung. Und ist die A 7 erst zugedeckelt, erlebt das Altonaer Zeugnis städtischer Demokratisierung vielleicht einen neuen Frühling.
Heino Grunert (Hg.): „Betreten erwünscht – Hundert Jahre Hamburger Stadtpark“. Dölling und Galitz 2014, 248 Seiten, 39,90 Euro
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