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Der sonntaz-StreitPrivate Zuflucht

Wegen der Vielzahl der weltweiten Konflikte steigt die Zahl der Geflüchteten in Deutschland. Sollte man sie aus Solidarität bei sich wohnen lassen?

Oder sieht eine Lösung so aus? Ein Zelt für Flüchtlinge in Duisburg Bild: dpa

Wegen andauernder Konflikte, wie momentan in Syrien oder im Irak, sind die Flüchtlingszahlen in den letzten Jahre weltweit gestiegen. 2013 wurden nach Angabe des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Deutschland 109.580 Erstanträge auf Asyl gestellt, 70% mehr als im Jahr zuvor.

Der Bundestagsabgeordnete Martin Patzelt (CDU) fordert daher einen „Paradigmenwechsel“ in der Flüchtlingspolitik. Demnach sollen Bürgerkriegsflüchtlinge künftig von privaten Haushalten aufgenommen werden, um finanzielle und logistische Schwierigkeiten auszugleichen.

Diese Schwierigkeiten sieht auch der Vorsitzende der Innenministerkonferenz Ralf Jäger (SPD). „Wir stoßen nun an Grenzen“, sagte er der Welt am Sonntag. Er fordert daher, möglichst schnell leer stehende Kasernen oder Kliniken zu nutzen. Immer mehr Kommunen greifen zu unkonventionellen Maßnahmen, um die Flüchtlinge kurzfristig unterzubringen. So wurden beispielsweise in Duisburg, Zirndorf oder Hamburg Zelte errichtet, in denen Asylbewerber statt in den überfüllten Erstaufnahmelagern unterkommen sollen.

Ein neues Integrationskonzept

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl betont, dass dies nur eine kurzfristige Lösung sein dürfe. Die Politik müsse anerkennen, dass Flüchtlinge auch langfristig in großer Zahl kommen und auf Dauer bleiben werden. „Statt immer wieder zu improvisieren, muss die Politik ein Aufnahme- und Integrationskonzept entwickeln und die rechtliche Ausgrenzung von Flüchtlingen beenden“, erklärte der Geschäftsführer Günter Burkhardt. Notwendig sei daher die Unterstützung der überforderten Kommunen durch Bund und Länder.

Kann Patzelts Vorschlag, private Haushalte an der Unterbringung zu beteiligen, eine Lösung sein? Oder werden hier staatliche Aufgaben auf Bürgerinnen und Bürger übertragen, da die Politik in den vergangen Jahren versäumte entsprechende Unterkünfte zur Verfügung zu stellen? Denn die Probleme in der Flüchtlingspolitik sind nicht neu.

Nach dem Asylkompromiss Anfang der Neunziger Jahre hoffte die Politik, die Zahl der Asylbewerber in Deutschland einzudämmen. Eine Zeit lang schien dies zu klappen, doch der weltweite Anstieg der Flüchtlinge macht auch vor Deutschland nicht halt. Zwar flieht der Großteil der Menschen in benachbarte Regionen, weshalb seit Ausbruch des Konfliktes in Syrien vor allem der Libanon, die Türkei und Jordanien als Zufluchtsländer dienen. Doch das ändert nichts daran, dass auch in Deutschland Maßnahmen ergriffen werden müssen, um eine adäquate Unterbringung gewährleisten zu können.

Was denken Sie? Ist es sinnvoll, Flüchtlinge privat unterzubringen?

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9 Kommentare

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  • Von den aufgenommenen, einigermassen gutaussehenden Frauen wird ein Teil im Bordell landen.

     

    Es gibt immer Leute, die die Situation anderer ausnutzen.

  • Flüchtlinge aus Solidarität privat aufzunehmen finde ich in den meisten Fällen nicht sinnvoll. Kaum jemandem wird es möglich sein finanziell und zeitlich diese, oft auch in Familien Geflüchteten, zu versorgen. Vielmehr sollte man sich auf privates Engagement in Flüchtlingsheimen etc. konzentrieren. Es gibt genug herzensgute Menschen, die ein paar Stunden in der Woche dafür aufbringen können und wollen. Ebenfalls sind Sachspenden doch oft möglich, wenn man sich genau zu Gemüte führt, für was man denn sein Geld ausgibt. Du "brauchst" eine neue Winterjacke, weil die alte eben nicht mehr ‚in‘ ist... dann spende doch die alte?! Um zurück zur eigentlichen Frage zu kommen: eine dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen macht auf jeden Fall Sinn. Eine unentgeltliche Unterbringung in privaten Zimmern wird sich aber kaum verwirklichen lassen. In kleineren Kommunen ist sie aber wohl noch eher realistisch, wenn man die Wohnsituation in den Städten kennt. Es sind Gelder vorhanden, um diese anzumieten und zur Verfügung zu stellen. Andere Fragen in diesem Zusammenhang, wie Wirtschaftsflüchtlinge oder "Kümmern wir uns um unsere Probleme", finde ich, sind hier fehl am Platz. Asylrecht ist ein Grundrecht, der Bund bzw. die Länder sind zur Umsetzung verpflichtet!

  • Natürlich sollte wer kann. Dieses Angebot wurde von vielen Familien formuliert im Winter 1992-93 im Blick auf die Opfer des Kriegs in Bosnien.

    Im engen Berlin-Kreuzberg.

    In Baden-Württemberg gibt es viele mit großen Häusern bebaute Villenhügel. ich habe das grade erst im Juli 2014 gesehen.

    Ich habe leider nur eine 1-Personen-Wohnung und das Amt verweigert mir die Erlaubnis in eine größere und teurere Wohnung zu ziehen.

    Da steht eine große soziale Umverteilung an!

  • eine gute Idee mit viel 'Aber':

    Von den Verständigungsproblemen angefangen bis zu möglichem Missbrauch (Aufnahme wegen irgendwelcher Zuschüsse), möglicherweise traumatisierte Menschen in ... unprofessioneller Umgebung, mangelhafte Unterbringung etc - da müsste eine Menge Logistik und Unterstürtzung aufgebaut werden. Und Schulung der Aufnehmenden.

    Leider ist ja schon die Pflegefamilien-Unterstützung nicht immer gut genug (da wird einem Pflegekind schon mal gesagt, die Bezeichnung würde bedeuten, daß es das Haus zu pflegen habe, von Missbrauchsgeschichten mal ganz abgesehen) - da kann man ahnen, um wieviel mieser das mit Flüchtlingen werden kann, die sich nicht mal Hilfe holen können wg. der Sprachbarriere.

     

    Andererseits wäre es natürlich sehr schön, wenn ungenutzter Wohnraum sinnvoll belegt werden könnte - nicht nur mit Touristen.

     

    Trotzdem wäre eine ordentliche (!!!) öffentliche Unterbringung vorzuziehen. Und wahrscheinlich sogar billiger, als die notwendige Zuarbeit für Privatunterkünfte.

    • @uli moll:

      naja, den Vorschlag hab ich schon gemacht, als es die Lichterketten gab, Als VIP in Politik und Kirche vorangehen, zB könnte Herr Gauck in seinem Schloss sicher einige Familien unterbringen oder im Park einige Container aufstellen, natürlich sollen jetzt die Privaten ran, sollen halt erst mal die Damen und Herren erst mal bei sich um freien Wohnraum Umschau halten !

    • @uli moll:

      gute idee?

      für wen?

      ich denke, nur für den staat und für die, die die flüchtlinge ausnutzen wollen.

       

      ich sehe das nun mal von meiner privaten seite aus.

      ich habe ein bis viele fremde menschen in meinem haus/wohnung. die verstehen mich nicht und ich die nicht. die sind evtl. traumatisiert. haben also probleme wo ich nicht helfen kann. die haben vielleicht eine ganz andere mentalität.

      und in wie weit bin ich darüberhinaus noch bereit, weiter zu helfen? materiel und zeit.

      meine antwort auf die frage, ob ich jemanden privat aufnehmen würde! NEIN, niemals.

      • @Derdu:

        @Derdu:

        Wenn du keine Flüchtlinge nicht bei dir unterbringen willst, wird dich niemand dazu zwingen können. Das ist ja dein gutes Recht.

        Andere jedoch möchten das vielleicht schon, denn die Unterbringung in überfüllten Heimen ist teilweise menschenunwürdig und in Hotels sehr teuer. Außerdem sind viele der Heime irgendwo im Nichts und eine Integration ist so gar nicht möglich (und offensichtlich auch nicht gewollt).

        Ich bspw. habe mir schonmal überlegt Flüchtlinge bei mir aufzunehmen. Ich hab ein freies, möbliertes Zimmer. Auf englisch wird man sich verständigen können und vielleicht ein bisschen Deutsch üben. Statt dass ich in die Flüchtlingsheime gehe um dort den sozialen Kontakt herzustellen (was ich nicht tue aber angedacht habe), wäre es einfacher, wenn der-/diejenige bei mir wohnt.

        Zugegebenermaßen habe ich die Idee bisher nicht ernsthaft durchgedacht aber ich weiß, dass die staatlichen Hürden dafür sehr hoch sind und ich würde es mir wünschen, dass diese Hürden einfach gesenkt werden. Damit die die es freiwillig machen wollen, es auch können.

        • @MrTea:

          die Sache ist relativ einfach, die füllst eine Einladung aus, in der du zusicherst, genügend Wohnraum/Einkommen zu besitzen und für die Personen, die du aufnehmen wilst zu sorgen, leider wurden im Falle Ex Jugoslawien, wo viele Menschen in Bayern solche Einladungen eingereicht haben, aber dann für die aufgenommen Menschen nicht sorgen wollten, eben Schindluder getrieben, sodass die Behörden jetzt genauer hinschauen!

          • @Georg Schmidt:

            Hallo Georg,

            das ist ja das nächste. Ich würde jemanden aufnehmen wollen, um den Flüchtlingen etwas Gutes zu tun und nicht dem Staat. Mir sollten dadurch keine Kosten entstehen.

            Der Staat darf sich da ja auch nicht aus der Verantwortung ziehen.