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Kolumne Wir retten die WeltMan nennt es Fortschritt

Hannes Koch
Kolumne
von Hannes Koch

Taxifahrer sind nicht mehr allein auf dem Mobilitätsmarkt. Es gibt jede Menge neue Geschäftsmodelle. Und die lassen Taxis bisweilen alt aussehen.

Konkurrenten im Verkehr Bild: Reuters

B erlin Hauptbahnhof, ich nehme auf dem Beifahrersitz Platz. Der Taxifahrer hat gute Laune. Die Stadt ist voll, viele Touristen, das Geschäft läuft. „Heute verdiene ich mehr als Mindestlohn“, freut er sich. Wir tauchen ab in den Tunnel Richtung Kreuzberg. Ich frage: Und die neue Konkurrenz dieser Uber-Fahrer, ist die zu spüren? Und schon ist es mit der guten Stimmung vorbei. Er hasst Uber, die amerikanische Firma, die hier Privatfahrer und Passagiere per Smartphone-App zusammenbringt.

Berlin und Hamburg haben diese Vermittlung zuletzt verboten. In Frankfurt/M. und München sehen das Gerichte und Stadtverwaltungen ähnlich. Eigentlich dürfen die neuen Billigtaxis jetzt nicht mehr fahren. Durchgesetzt wird das Verbot aber noch nicht. Neuerdings behauptet die Taxifirma, sie sei eine Mitfahrzentrale, die Fahrten nicht für Gewinn, sondern zum Selbstkostenpreis organisiere.

Mein Chauffeur ereifert sich, die Uber-Fahrer seien kaum besser dran als römische Galeerensklaven. Von Armut gedrückt, durch Handlanger amerikanischer Investmentbanken verführt (in Uber steckt Kapital von Goldman-Sachs), ließen sich diese Opfer des globalen Internetkapitalismus von verantwortungslosen Managern am Fahrersitz schrottreifer Rostlauben anketten, wo sie in 16-Stunden-Schichten so wenig verdienten, dass es allenfalls für Aldi-Brot und Margarine reiche. Handy-Arbeiter bei Apple in China hätten es dagegen Sahne.

Soweit ich allerdings weiß, tun die Uber-Fahrer ihre Arbeit freiwillig. Wie man hört, sind die Fahrzeuge gepflegt, die Chauffeure nicht in Lumpen gekleidet, wohl aber freundlich. Sie fahren ihre Gäste nicht in den Wald, um sie auszurauben. Manche sind ohnehin täglich durch die Städte unterwegs, weil sie mit ihrem Wagen zur Arbeit fahren, und nehmen dabei Passagiere mit. Für andere ist Uber ein Zuverdienst, mit dem sie ihr anderswo verdientes Gehalt aufbessern.

Zusätzliche Lebensqualität für Zehntausende

Die Smartphone-Vermittlung bietet Fahrern und Kunden Vorteile. Erstere erzielen zusätzliche Einkommen. Sie haben Flexibilität beim Arbeiten. Letztere sparen beim Taxifahren. Dass Zehntausende Anbieter und Nachfrager die Möglichkeit nutzen, beweist: Sie betrachten sie als zusätzliche Lebensqualität. Man nennt es Fortschritt.

Jede Menge neue Geschäftsmodelle, bei denen zum Beispiel Privatleute ihre Autos teilen, lassen die traditionellen Taxis ziemlich alt aussehen. Für sie sind diese Entwicklungen Bedrohungen. Sie könnten Einkommen verlieren, weil ihnen beispielsweise die Billigfahrer von Uber Kundschaft streitig machen. Für die Taxifahrer ist das Neue kein Fortschritt, eher bedeutet es ein Weniger an Lebensqualität.

Was Fortschritt ist und was nicht, ist eine sehr subjektive Angelegenheit. Auf gesellschaftlicher Ebene hängt die Definition auch davon ab, was eine Mehrheit oder einflussreiche Gruppe für richtig hält. Im Falle von Uber ist die Auseinandersetzung noch nicht entschieden.

Wenn sie eine Chance haben wollen, sollten die Vertreter der konventionellen Taxis kreativer denken. Vielleicht bieten sie Uber einen Deal an als Gegenleistung für den Verzicht auf Klagen vor Gericht: Aufteilung der Herrschaftsgebiete. Taxis in Berlin, Uber in der Uckermark. Denn dort, das weiß ich aus Erfahrung, muss man Stunden auf ein Taxi warten, wenn man Samstag abends nach dem Besuch bei Freunden den Regionalzug verpasst hat.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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4 Kommentare

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  • 6G
    65572 (Profil gelöscht)

    "Mein Chauffeur ereifert sich"

     

    Schön, daß man in der taz das Taxler-bashing nicht lassen kann.

     

    Natürlich ist auch das Zitat "„Heute verdiene ich mehr als Mindestlohn“" eher dem Unterschichtsdeutsch eines Taxlers als der redaktionellen Qualität dieses Online-Mediums geschuldet.

     

    Es ist prima, daß von jeder Personenbeförderung 20% des Fahrpreises nach Nordamerika fließt. Ebenso schön wie Innenstädte mit einer idahoähnlichen Buchladendichte, Fahrspuren voll mit warnblinkenden Lieferfahrzeugen, die ihre Pakete meist dann liefern, wenn niemand zuhause ist und man später in der Niederlassung des Lieferdienstes eine halbe Stunde warten kann um sie abzuholen.

     

    So habe ich mir den Fortschritt auch immer vorgestellt.

    • @65572 (Profil gelöscht):

      Das Problem ist ja, dass sich kaum jemand Gedanken darüber macht, wie es in Zukunft mal sein soll.

       

      Wohin der Profit eines Unternehmens fließt, ist mir eigentlich egal. Bei Aktiengesellschaften weiß ich ja gar nicht, wem die gehören, Und ich war immer ein Gegner der Privatisierungen der Post als Paketlieferdienst, denn dadurch werden unnötige Resourcen verschwendet, wenn für drei Bücher, die ich mir kaufen kann, wenn ich einmal im Monat ins Städtchen fahre, drei Lieferautos hier an den Arsch der Welt kommen müssen.

       

      Wie sähe denn Ihre Utopie aus?

      • 6G
        65572 (Profil gelöscht)
        @Age Krüger:

        Wohin der Profit eines Unternehmens fließt ist (mir) nicht egal. Vor allem, wenn die Leistung dieses Unternehmens lediglich aus Makelei besteht. Die Fahrtenvermittlung funktioniert durch die örtlichen Taxigenossenschaften sowieso einwandfrei, plötzliche Wolkenbrüche oder ähnliche Katastrophen mal ausgenommen. Aber Sie bekommen auch in diesen Fällen ein Taxi zum üblichen Preis, Uber würde die nicht vorhandene Kapazität in diesen Fällen durch exorbitante Preisanpassungen vertuschen.

        Die 20% des Umsatzes wären auch in der örtlichen Wirtschaft besser aufgehoben, oder warum sollte dieser Haufen Geld in LA investiert werden?

         

        Zu meiner Utopie. Utopien sind in der Regel nur sehr wortreich zu beschreiben. Ein Bestandteil der Utopie wäre, die Stammhirn-gesteuerten Klick-Bestellungen zu verteuern - vielleicht durch eine Paketmaut. Diese könnte exponentiell zur Ballungsraumnähe steigen, so ließe sich der Arsch der Welt günstig mit Büchern versorgen und sich in den Städten das Arsch-der-Welt-werden verhindern.

  • Jetzt bleibt noch die Frage, warum Uber auf das Filet verzichten soll.

     

    Und die größere Frage eigentlich: Wie viele Uber Mitfahrgelegenheiten es in der Uckermark Samstag Nacht gibt?

     

    Taxifahrer zahlen Steuern, haben spezielle Schulungen, müssen ihr Fahrzeug überprüfen lassen. Natürlich können sie nicht mit jemanden konkurieren der das nur nebenbei macht. Neben einem "richtigen" Broterwerb.

     

    Die Einzige Alternative die ich zu Uber sehe sind Krankentransporte die auch Taxidienste übernehmen. Oder subventionierte Taxis. Damit es sich noch lohnt.

     

    Uber ist ganz nett für die Umwelt, weil Taxifahrten eingesparrt werden können. Was schonmal nicht schlecht ist. Aber dafür wird ein ganzes Gewerbe "geopfert". Ein Gewerbe was sich darauf spezialisiert hat, welches Sicherheitsvorschriften hat und auch andere Standards.

     

    Aber ich wette der Autor hat es noch nicht versucht in der Uckermark ein Uber Taxi zu bekommen und so lange gewartet bis tatsächlich mal einer ankommt.