Linken-Politikerin Höger über Klo-Affäre: „Das war mir so nicht klar“
Sie hat die Journalisten zu Gregor Gysi geführt. Die Linken-Abgeordnete Inge Höger sagt, sie habe sich dafür bei ihm entschuldigt, aber zurücktreten werde sie nicht.
taz: Frau Höger, manche Parteikollegen wollen, dass Sie künftig nicht mehr für die Fraktion sprechen. Was sagen Sie dazu?
Inge Höger: Ich habe mich für das, was vorgefallen ist, entschuldigt, und Gregor Gysi hat die Entschuldigung angenommen. Er hat zudem dazu aufgerufen, die ideologischen Unterschiede in der Partei nun nicht anhand dieses Vorfalls auszutragen.
Sie haben den Publizisten Max Blumenthal, der in den USA für provokante Äußerungen zu Israel bekannt ist, in den Bundestag eingeladen. Wussten Sie, wie er so drauf ist?
Das war mir so nicht klar. Wir hatten ihn eingeladen, um über den jüngsten Gazakrieg und das Russell-Tribunal zu informieren. Er wusste offensichtlich nicht, wie schwierig die Debatte über das Thema in Deutschland ist. Er ist es in den USA gewohnt, ganz anders zuzuspitzen.
Was hatten Sie sich davon erhofft, ihn einzuladen – trotz der Kritik, die es im Vorfeld gab?
Die Veranstaltung in der Berliner Volksbühne war keine der Linksfraktion. Dass Petra Pau dann einen offenen Brief unterschrieben hat, der eine Absage forderte, hat mich überrascht. Denn niemand hatte vorher mit uns oder den Veranstaltern gesprochen. Erste Nachfragen gab es erst, nachdem in der Berliner Morgenpost ein kritischer Artikel darüber erschienen war.
Warum fand die Veranstaltung ausgerechnet am 9. November statt, dem Jahrestag der Pogromnacht von 1938?
Max Blumenthal war zu dieser Zeit in Europa, und für eine Veranstaltung in Berlin gab es ein enges Zeitfenster. Es wurde dort aber auch nicht zu einem Boykott Israels aufgerufen. Die Botschaft war: „Nie wieder Ausgrenzung, von niemandem.“ Das scheint mir als Forderung an einem 9. November nicht unangebracht. Ich nehme dennoch die Bedenken bezüglich des Datums sehr ernst. Schade nur, dass diese erst ungefähr vier Wochen nach der Antragstellung und dann auch nur über die Medien an mich herangetragen wurden.
64, ist abrüstungspolitische Sprecherin der Linkspartei. Seit 2005 sitzt sie über die Landesliste NRW im Bundestag. Dort war sie bis 2006 stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion. Für Aufsehen sorgte sie im Mai 2010, als sie sich mit zwei weiteren Abgeordneten ihrer Partei an einem internationalen Schiffskonvoi beteiligte, der die israelische Seeblockade durchbrechen wollte, um Hilfsgüter nach Gaza zu bringen. Als israelische Spezialkräfte das türkische Schiff „Mavi Marmara“ stürmten, starben neun türkische Aktivisten.
Die Linkspartei im Bundestag hat vor drei Jahren beschlossen, keine Boykottinitiativen zu unterstützen. Manche verlangen von Ihnen jetzt mehr Fraktionsdisziplin. Und Sie?
Die Linkspartei ist eine plurale Partei. Dass es in manchen Fragen unterschiedliche Ansichten gibt, muss man aushalten und diskutieren. Wir sind uns jedoch alle einig, dass wir gegen Waffenlieferungen nach Israel und in die gesamte Region sind.
War es klug, mit Ihren Gästen zu Gysi zu gehen und sich dabei filmen zu lassen?
Nein, das war ein großer Fehler. Ich bedaure zutiefst, dass dadurch die Möglichkeit gegeben wurde, dass Gregor Gysi so bedrängt und im Netz bloßgestellt werden konnte.
Kritiker werfen Ihnen vor, dass Sie die Regierungsfähigkeit der Linken gefährden. Haben sie damit recht?
Das sehe ich nicht so. Was Thüringen angeht, so spielen außenpolitische Fragen dort ohnehin keine Rolle. Und was die nächste Bundestagswahl angeht, so finde ich, macht eine Regierungsbeteiligung für meine Partei nur Sinn, wenn sie dort auch linke Positionen vertreten kann.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen