Kommentar Michael Müller: Auf vielen Baustellen unterwegs
Er soll Wowereits Fehler ausbügeln und sein Erbe verwalten. Er wird Kultursenator und BER-Aufsichtsratsmitglied. Hat Michael Müller sich zu viel vorgenommen?
Zwischen den folgenden zwei Sätzen liegen wenige Tage: „Besser kann ein Einstand als Regierungschef gar nicht sein“, schrieb Uwe Rada an dieser Stelle Ende November. „Es kann nur besser werden als Regierender Bürgermeister“, so Stefan Alberti in dieser Woche. Zwar ging es einmal um Wohnungskauf, beim zweiten Mal um die Gasnetzvergabe, aber beides betraf – natürlich – Michael Müller. Ist dessen Karriere als Nachfolger Klaus Wowereits also schon zu Ende, bevor sie mit seiner Wahl am Donnerstag im Abgeordnetenhaus überhaupt offiziell begonnen hat?
Die unterschiedlichen Resümees verdeutlichen zweierlei: An den bisherigen Bausenator werden immense Erwartungen geknüpft, und das in vielen Themenbereichen. Müller soll nicht nur das positive Erbe Wowereits – grob gesagt die gestiegene Attraktivität der Stadt und auch das wirtschaftliche Wachstum – weiterentwickeln. Sondern auch dessen Fehler – vor allem in der Wohnungspolitik und am BER – ausbügeln. Er wird Kultursenator und Aufsichtsratsmitglied der Flughafengesellschaft; Müller hat angekündigt, sich auch im neuen Amt intensiv um Stadtentwicklung zu kümmern. Man fragt sich, ob sich der 50-Jährige nicht ein bisschen zu viel vorgenommen hat.
Es wurde nur besser
Auch Wowereit hatte eine immense Aufgabenfülle – er hat sich dabei aber oft nur aufs Repräsentieren und Verwalten beschränkt. Und er hatte den Vorteil, dass zu seinem Amtsbeginn mit dem Bankgesellschaftsskandal fast so etwas wie eine zweite Stunde null stattfand. Es konnte nur besser werden.
Müller hingegen kommt in einer Phase an die Macht, da sich die Stadt in vielerlei Hinsicht spaltet: Arm und Reich ist eine Trennung. Eine andere: Wohnung in der Innenstadt oder nicht. Und auch: Zugewanderte und Berliner.
Der neue Regierende muss deshalb Berlin und die berühmte Idee von der Stadtgesellschaft neu definieren, wenn er erfolgreich sein will.
Er hat dafür nicht viel Zeit. Spätestens in einem Jahr wird der Wahlkampf in vollem Gange sein, und es ist unwahrscheinlich, dass die CDU Müller allzu viele Erfolge gönnt – zumal die Union wenig Errungenschaften aus dieser Legislatur vorweisen kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!