Die Wahrheit: Legale Bewusstseinserweiterung
Religiöse Erweckungserlebnisse lassen sich auch prima mit neuartigen, politisch korrekten Drogen herbeiführen.
I n Salzgitter gibt es ein Orangenpapiermuseum namens OPIUM (OrangenpaPIermuseUM), das neu auf Platz eins meiner Liste irreführender und anderer unglaublicher Abkürzungen eingestiegen ist (und dabei die Kneipe „JEMEINBI – Jede Menge Internationaler Biere“ von der Pole Position verdrängte). Die Papiere werden noch von der Frau des Museumswärters höchstpersönlich gebügelt.
Leider verpasste ich die Opium-Gastausstellung besonders schöner Exemplare im Berliner Botanischen Garten vor ein paar Jahren. Dafür fiel mir ein, dass ein Freund in den 70ern einst den gesamten Schlafmohnbestand des dortigen Arboretums abgeerntet hatte, dann aber die stolze Ernte mangels Weiterverarbeitungskenntnissen (es gab schließlich noch kein Internet) auf dem Komposthaufen vor sich hin kompostieren lassen musste. Vielleicht hatten wenigstens die beteiligten Mikroorganismen ein wenig Spaß.
(Natur-)Drogen sind aber eh meine Sache nicht, seit mir mal beim Kartoffelbrei die Muskatnuss ausgerutscht ist und der geplante hemdsärmelige Würstchenabend eine unerwartete Wendung nahm. Ich halte es stattdessen mit dem 1990 zum Ritter geschlagenen Literaten Kingsley Amis, der in seinem Handbuch „Anständig Trinken“ schrieb, die vorteilhaften Auswirkungen des kollektiven Trinkens überwögen im Vergleich zum kollektiven Drogenkonsum, womit er sicher nicht bierinduzierte Massenschlägereien nach Fußballspielen meint, sondern wohl eher Kneipen voller inbrünstig singender Iren, denen die Bierseligkeit Glückstränen in die Augen treibt.
Illegale Drogen müssen ohnehin nicht sein, denn die Entdeckung neuartiger, legaler Drogen ist noch lange nicht vorbei. Auf Imprägnierspray (zu nah an die Wildlederschuhe rangegangen beim Einsprühen) hatte ich neulich fast ein religiöses Erweckungserlebnis und der Weg über die vermatschte Straße zum Eingang des U-Bahnhofs wurde zum Trip. Ich entdeckte Formen und Farben im Schnee und war sicher, dass mir jemand (ein Außerirdischer?, ein Naturgeist?, das Universum?) eine Botschaft senden wollte, die in mysteriös gefärbten Schneeformationen an einem Baum endete.
Vor denen blieb ich so lange stehen, bis die Wirkung des Sprays etwas nachließ, ich die vermeintliche Botschaft als Pinkelspuren eines Hundes identifizierte und etwas peinlich berührt die Treppen zum Gleis hinunterschlich. Aber immerhin hatten die Schuhe später keine Schneeränder.
Meine Freundin, eine bodenständige Geschäftsfrau und Mutter, behauptete, sie habe einst die falschen Pilze für den Salat gepflückt. Der weitere Verlauf des Nachmittags wurde nur durch Hörensagen kolportiert: Angeblich habe sie mit nacktem Oberkörper aus dem offenen Fenster ihrer im Hochparterre liegenden Wohnung gewinkt und die Gäste des kleinen Cafés im Haus mit den Worten „Kommt rauf! Wir machen eine Orgie!“ zum Mitmachen aufgefordert. Ich habe lange versucht herauszukriegen, woher die Pilze stammten, aber sie möchte von der gesamten Episode nichts mehr wissen.
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