Zwischen Ökonomie und Ökologie: „Wir befinden uns im Spagat“
Mit einem neuen Bewirtschaftungsplan will der Bremer Senat den Naturraum Weser schützen. Dafür müsse er auch auf die Weservertiefung verzichten, fordert der BUND.
BREMEN taz | Der Bremer Senat hat gemeinsam mit der niedersächsischen Landesregierung einen neuen Bewirtschaftungsplan für den Gewässerschutz der Weser geschmiedet. Doch der „Spagat“, ökologische und wirtschaftliche Interessen an der Unterweser besser aufeinander abzustimmen, stößt beim BUND auf scharfe Kritik.
Was nützen Maßnahmen zur Verbesserung des ökologischen Gewässerzustands, wenn zugleich die Weser ausgebaut werde, bemängelt der Umweltverband und fordert den Bremer Senat erneut auf, auf die geplante Weservertiefung zu verzichten. „Denn diese konterkariert alle weiteren ökologischen Ziele“, betont BUND-Geschäftsführer Martin Rode.
Der Bewirtschaftungsplan gilt als eines der Hauptinstrumente, um die Vorgaben der europäischen Wasserrahmenrichtlinie umzusetzen. Er nimmt zunächst eine Bewertung des Gewässerzustands vor, anschließend wird ein Maßnahmenprogramm entwickelt, um den Zustand des Gewässers zu verbessern.
Laut BUND weist kein einziger bremischer Gewässerabschnitt gute ökologische Werte auf: 27 Prozent werden demnach als mäßig, aber 43 Prozent als unbefriedigend und 30 Prozent als schlecht eingestuft. Weil darüber hinaus sogar 99,96 Prozent des Grundwassers in einem schlechten chemischem Zustand seien, wertet der BUND-Geschäftsführer das Ergebnis als eine „katastrophale Zwischenbilanz“ auf dem Weg, die EU-Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen.
Die 68-seitige Broschüre "Integrierter Bewirtschaftungsplan Weser" hat der Senat unter www.weser-in-bewegung.de veröffentlicht.
Um ökologische und wirtschaftliche Interessen an der Unterweser besser aufeinander abzustimmen, benennt sie Maßnahmen, wie die Ausweisung Bremerhavener Luneplate als Naturschutzgebiet oder die Renaturierung des Niederbürener Deichvorlandes.
Ziel dieses Plans ist es laut Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne), den Naturraum zu schützen und erste Schritte für einen behutsameren Umgang zu benennen.
Als besondere Schutzgebiete nach Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und Vogelschutzrichtlinie wurden weite Teile von Wesermündung und Unterweser von Bremen und Niedersachsen gemeldet.
Über 90 Prozent der Wasser- und Vordeichflächen zählen zum europäischen Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000.
Um die Auslegung eben dieser Wasserrahmenrichtlinie dreht sich der Rechtsstreit zwischen BUND und der Bundesrepublik vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Bei dem Verfahren zur Vertiefung der Weser auf rund 65 Kilometern Länge von der Nordsee bis zu den Häfen in Bremerhaven, Brake und Bremen steht das Urteil noch aus. Im Oktober 2014 erklärte Niilo Jääskinen als unabhängiger Generalanwalt, dass das Verbot, den Zustand von Gewässern zu verschlechtern, zwingendes Recht sei. Nur in Ausnahmefällen – „bei übergeordnetem öffentlichem Interesse“ könne davon abgewichen werden.
Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) hält seinem integrierten Bewirtschaftungsplan dagegen zugute, erste Schritte für einen behutsameren Umgang mit dem Fluss zu benennen. Sein Sprecher Jens Tittmann räumt aber ein, „der Umweltsenator will größtmögliche Schadensbegrenzung und Kompensation durch Ausgleichsmaßnahmen“. Und verweist auf die Bremerhavener Luneplate, die zum Ausgleich für den Bau des vierten Containerterminals und das Offshoreterminal als Naturschutzgebiet ausgewiesen werde.
Man könne nicht einfach alles unter Naturschutz stellen, sagt Tittmann: „Man muss den Fluss als das sehen was er ist: eine Wasserstraße“, sagt er: „Wir befinden uns in einem Spagat.“
Neben der vom rot-grünen Senat nach wie vor anvisierten Weservertiefung, bereiten dem BUND aber auch die Belastung des Flusses durch die Salzeinleitung des Kasseler Düngemittelherstellers K+S Sorgen. Im Weserrat konnten sich die Anrainer-Länder nicht auf einen gemeinsamen Kurs einigen. Bremen und Niedersachsen lehnen den von Hessen favorisierten Plan ab, K+S erst 2075 die umweltschädliche Verklappung zu verbieten. Der miserable Zustand des Grundwassers geht wiederum auf die hohe Pestizid- und Nitratbelastung durch die niedersächsische Landwirtschaft zurück.
Mit dem Gutachten des Generalanwalts sieht sich der BUND in seiner Forderung nach einem umweltpolitischen Kurswechsel bestätigt und fordert vom Umweltsenator, dem Bewirtschaftungsplan nicht zuzustimmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen