Rainer Zobel über Kairos Fußballkrawalle: „Man hätte das wissen können“
Der deutsche Trainer arbeitet beim ägyptischen Erstligisten El Gouna. Die Zamalek-Fans seien als rabiat bekannt, sagt er. Nun drohen wieder Geisterspiele.
taz: Herr Zobel, seit einem Monat dürfen Fans wieder zu Spielen der ersten ägyptischen Liga …
Rainer Zobel: Nein, das galt erst seit letztem Spieltag. Es betraf unser erstes Auswärtsspiel der Rückrunde, die vor einer Woche gestartet ist.
Kam die Entscheidung, die Stadiontore zu öffnen, zu früh?
Grundsätzlich war diese Entscheidung richtig. Es hat ja auch ein paar Testläufe in internationalen Partien gegeben. Da war es relativ friedlich. Ich verstehe allerdings nicht, dass man die Zamalek-Fans, die ja bekannt dafür sind, dass sie sogar Theater gegen ihren eigenen Verein machen, nicht besser in den Griff gekriegt hat. Man hätte das besser kanalisieren müssen, im Vorfeld und vor dem Stadion.
Zamalek, der Tabellenerste, sollte gegen den Zweiten, Enppi, spielen. Da hätte man mit Andrang rechnen können, zumal die Fans hungrig auf Live-Spiele waren und nicht zimperlich sind in der Durchsetzung ihrer Interessen.
Man hätte wissen können, dass die Zamalek-Ultras, die sogenannten White Knights, die weißen Ritter, ziemlich rabiat sind. Die haben einmal die Geschäftsstelle des eigenen Klubs gestürmt. Die Polizei hätte schon weit vorm Stadion eingreifen müssen. In den 80er Jahren gab es auch in Europa ein massives Hooligan-Problem. Aber daraus hat man gelernt. Hier nicht. Das war der Fehler.
Bei diesem Match sollten nur 10.000 Fans ins Stadion.
Ja, der Zugang zum Stadion sollte begrenzt werden, damit man in der Arena alles unter Kontrolle halten kann. Wir haben kürzlich in Alexandria gespielt. Da waren auch 10.000 Zuschauer zugelassen. Gekommen sind etwa 6.000. Es war eine tolle Atmosphäre. Friedlich. Fußball hat wieder Spaß gemacht – und nun das.
66, Fußballtrainer, zuletzt in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Iran, Georgien, Südafrika, Moldawien. Derzeit betreut er den ägyptischen Klub FC El Gouna.
Wie wurde die Öffnung der Stadien in den Medien diskutiert?
Gar nicht, ist mein Eindruck. Oder es gab nur eine kleine Meldung. Der erste Spieltag mit Zuschauern war auch völlig harmlos. Aber da hatten es wohl auch noch nicht alle Fans mitbekommen. Das war jetzt anders.
2012 sind in Port Said 74 Menschen ums Leben gekommen, jetzt 19. Damals pausierte die Liga ein Jahr. Wie geht es nun für Sie als Trainer von El Gouna weiter?
Wir hätten am morgigen Mittwoch ein Spiel haben sollen, aber jetzt überschlagen sich die Ereignisse, und keiner weiß so recht, wie es weiter geht. Angeblich soll es jetzt wieder ohne Zuschauer in den Stadien Spiele geben.
Wie vor der Tragödie.
Ja, das wäre tragisch für den ägyptischen Fußball. Spiele vor leeren Rängen sind eine Katastrophe. Keiner will Geisterspiele sehen.
Wenn man sich aber ausmalt, wie Zamalek auf den Rivalen Al-Ahly trifft, ist das vielleicht keine schlechte Lösung.
Das ist ein Problem. Nur bei der Revolte auf dem Tahrirplatz haben sich Fans beider Lager zusammengetan gegen die Mubarak-Polizisten. Aber normalerweise sind sie spinnefeind, so wie Dortmund und Schalke, nur noch viel, viel schlimmer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Resolution gegen Antisemitismus
Nicht komplex genug
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
BSW in Thüringen
Position zu Krieg und Frieden schärfen