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Kindeswohl in GefahrBehörde behindert Ermittlungen

Bremer Jugendamt soll die Recherchen der Staatsanwaltschaft zu einem Verdacht auf Kindesmissbrauch behindert haben

Macht Staatsanwälte unglücklich: geschwärzte Akte. Bild: dpa

BREMEN taz | Das Amt für Soziale Dienste im Bremer Stadtteil Walle hat Ermittlungen zu einem Verdacht auf Kindesmissbrauch behindert. So lautet der Vorwurf, den die Staatsanwaltschaft, der Kinderschutzbund und Sozialpolitiker erheben. Das Amt hatte den den Fall zwar der Polizei gemeldet, aber mit Verweis auf den Sozialdatenschutz noch nicht einmal Namen und Adressen genannt. Erst ein richterlicher Hausdurchsuchungsbeschluss verschaffte den Ermittlern Zugang zu den Akten.

Dabei hatte eine Frau bereits Anfang Dezember dem Amt für Soziale Dienste gemeldet, sie habe ein kinderpornografisches Bild auf dem Handy ihres ehemaligen Partners entdeckt. Ein Mitarbeiter informierte die Kriminalpolizei. Doch als die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen daraufhin aufnahm, verweigerte das Amt weitere Auskünfte.

Der Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft Frank Passade hält diesen Vorgang für „inakzeptabel“. Es handele sich um den Verdacht auf eine schwere Straftat. Es sei „grotesk“, dass sich das Amt hinter den Datenschutz zurückzieht, obwohl es dessen Mitarbeiter selbst waren, die die Polizei einschalteten.

Auch im weiteren Verfahren habe sich die Behörde nicht gerade kooperativ gezeigt. „Dem Mitarbeiter, der als Zeuge aussagen sollte, hat man die Aussagegenehmigung verweigert“, kritisiert Passade: „Ich weiß nicht, was das Amt bewogen hat, sich so zu verhalten.“ Auch der Kinderschutzbund kritisiert das Verhalten der Behörde als fahrlässig.

Datenschutz

Bei der Frage, welche persönlichen Daten Behörden an andere weitergeben sollen oder dürfen, scheiden sich die Geister:

Fachkräfte des Jugendamts vertreten die Ansicht, dass auch bei Verdacht auf ein Verbrechen, Akten nicht ohne Weiteres beschlagnahmt werden dürfen.

Bei einer Beschlagnahme von Akten des Jugendamts sind sozialrechtliche Regelungen zum Sozialdatenschutz zu beachten, die das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung im öffentlichen Bereich gewährleisten.

Die Bremer Staatsanwaltschaft kritisiert die fehlende Kooperationsbereitschaft des Amtes für Soziale Dienste vor allem, weil es um den Verdacht einer massiven Straftat geht. Ob das ein Nachspiel habe, werde man sehen.

Der Sprecher des Sozialressorts, Bernd Schneider, weist das zurück. „Unseren Mitarbeitern ist kein Vorwurf zu machen, sie haben den Sozialdatenschutz zu beachten“, erklärt er. Laut Sozialgesetzbuch müsse die Übermittlung von Daten nun mal richterlich angeordnet werde. Das Problem sieht Schneider darin, dass das Sozial- und Strafgesetz oftmals nicht miteinander korrespondieren.

„Unser Handeln orientiert sich am Sozialgesetzbuch“, sagt er. Das sei ausschließlich auf das Kindeswohl ausgerichtet, nicht aber auf die Strafverfolgung mutmaßlicher Täter. Im konkreten Fall hätten die Behörden Ermittlungen aufgenommen, seien aber zu dem Ergebnis gekommen, dass es „überhaupt keine Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung gibt“.

Immer wieder werde die Erwartung geäußert, dass Daten weitergegeben werden müssten, kritisiert Schneider. Für die Jugendhilfe sei Vertraulichkeit aber ein hohes Gut. Andernfalls verspiele sie den Zugang zu wichtigen Quellen. „Vertrauliche Informationen müssen wir auch vertraulich behandeln“, warnt er.

Klaus Möhle, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, erinnert das an den totgeprügelten zweijährigen Kevin, den Polizisten am 10. Oktober 2006 im Kühlschrank seines drogenabhängigen Vaters gefunden hatten. Dabei geschah die Kindesmisshandlung unter den Augen des Jugendamtes. Es hatte zu spät entschieden, den kleinen Jungen aus der Familie zu nehmen, obwohl Kevin schon mit einem halben Jahr mit Knochenbrüchen in der Kinderklinik lag.

Möhle, der damals im parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) saß, sagt, bei der Aufarbeitung sei ein Knackpunkt gewesen, dass Behörden, Vormundschaft, Gericht und Polizei nicht gut zusammenarbeiteten.

Vor diesem Hintergrund kritisiert Möhle die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Amtes für Soziale Dienste scharf: „Dass die Staatsanwaltschaft nun in einer Behörde Akten beschlagnahmen muss, ist unterirdisch.“ Dass sich im konkreten Fall der Verdacht nicht erhärtet habe, ändere nichts daran, dass das Amt falsch gehandelt habe.

Für die Staatsanwaltschaft ist der Fall noch nicht vollends abgeschlossen. Eine erste Durchsuchung des Handys habe aber keine strafrechtlich relevanten Ergebnisse ergeben.

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8 Kommentare

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  • zum Sozialdatenschutz ist anzumerken, dass dieser durchaus auch verletzt werden darf, wenn es um akute Gefährdungen geht, wenn mal also zB von einem bevorstehenden Verbrechen erfährt. Hier besteht dann eine Notstandssituation, in dem man die Wahl zwischen 2 Übeln hat, wo man aber sinnvollerweise die Variante wählt, die sich gegen den Täter wendet und zugunsten des potentiellen Opfers den Datenschutz verletzen.

    Die Frage ist nur, ob das hier so war, ob also eine akute Gefahr drohte (Betonung auf akut im Sinne von Eile). Wenn nicht, liegt der Fehler eher bei der Staatsanwaltschaft, die einen richterlichen Beschluss hätte herbeiführen müssen.

  • Die Jugendämter werden wenig kontrolliert und sind Partei und Sachverständige zugleich in vielen Sorgerechtsstreitigkeiten. Hier gibt es viel Reformbedarf. In diesem konkreten Fall jedoch hat das Jugendamt wohl richtig gehandelt und sich an bestehende Gesetze gehalten. Wenn das Gesetz einen richterlichen Beschluss vorsieht, sollte sich die Staatsanwaltschaft diesen auch besorgen.

  • Aha, wenn ein Anwalt oder Journalist vom Staat überwacht wird, dann ist das gleich ein Angriff auf die Pressefreiheit oder ein verstoß gegen die anwaltliche Schweigepflicht. Ganz schlimm, riesen Aufschrei.

     

    Wenn es aber um Sozialarbeiter geht, die auch der Schweigepflicht nach §203StGB unterliegen, wie Ärzte und Rechtsanwälte, dann ist das ein nüchterner Artikel indem einfach nur die Fakten herunter gerasselt werden.

     

    Die Behörde hat sich richtig verhalten. Die Schweigepflicht ist nicht etwas, was ein Sozialarbeiter brechen darf und ist auch nichts, was von Staatsanwaltschaft oder Polizei aufgehoben werden darf.

     

    Die Behörde hat hier eher das Gegenteil von Strafvereitelung gemacht. Nämlich den Mitarbeiter daran gehindert gegen die Schweigepflicht zu verstoßen.

     

    Zumindest gehe ich davon aus, dass im Jugendamt staatlich geprüfte Sozialarbeiter sitzen. Zumindest bei uns ist das so.

  • ein Bild gesehen, ehemaliger Partner, aha, hat man das Bild gefunden, ??

  • Also: Der Ex-Freund hat angeblich kinderpornographische Bilder auf dem Handy - bei der Durchsuchung wird nichts gefunden.

     

    Und das Problem ist jetzt, dass das Amt versagt, weil es sich an Gesetze hält?

     

    Ähm ... ich würde sagen das Problem ist die Vorverurteilung!

  • Wo ist nun der Vorwurf gegen das Jugendamt? Zunächst einmal und ohne den Besitz von Kinderpornografie zu verharmlosen, muss man doch klar feststellen. dass nur die allerwenigsten Besitzer von Kinderpornos auch gleich Kinderschänder sind.

     

    Das Jugendamt hat alles richtig gemacht, wenn sie wie berichtet: "Im konkreten Fall hätten die Behörden Ermittlungen aufgenommen, seien aber zu dem Ergebnis gekommen, dass es überhaupt keine Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung gibt."

     

    Im weiteren hat sich das Jugendamt ganz klar und richtig an die für sie bindenden Gesetze gehalten. Und wenn die Staatsanwaltschaft, wie im letzten Satz des Artikels geschrieben, keine strafrechtlich relevanten Ergebnisse gefunden hat, dann ist das ganze nur heiße Luft und Echauffieren um des Echauffieren willens. Die Rechtsbeugung a la Edathy lässt grüßen!

    • @John Doe:

      "Zunächst einmal und ohne den Besitz von Kinderpornografie zu verharmlosen, muss man doch klar feststellen. dass nur die allerwenigsten Besitzer von Kinderpornos auch gleich Kinderschänder sind."

       

      1. Zu welchem Zweck guckt sich jemand Bildmaterial an, auf dem die sexuelle Misshandlung von Kindern zu sehen ist? Richtig: weil er sich daran erregt.

       

      2. Was ist mit jemandem los, der sich beim Betrachten von Filmen, auf denen Kinder sexualisiert misshandelt werden erregt? Richtig: diese Person ist schwer psychiatrisch krank oder psychosozial verwahrlost. Auf jeden Fall aber kriminell. Sie begeht eine Straftat.

       

      3. Wenn jemand sich schon beim Betrachten von Kinderfolterdokumenten erregt, was wird er dann wohl tun, wenn ihm ein leibhaftiges, lebendiges Kind überantwortet wird? Und er die Gelegenheit hat, es zu missbrauchen?

       

      4. Sollte man solchen Menschen, krank, psychosozial verwahrlost, kriminell, Kinder anvertrauen? Richtig: nur unter Aufsicht. Wenn überhaupt.

       

      5. Sollten solche Menschen nicht von Forensikern auf ihre Zurechnungsfähigkeit untersucht werden und auf jeden Fall eine Behandlung bekommen? Immerhin ist bekannt, dass viele viele Missbraucher selbst einmal Opfer waren. Häufig die ihrer eigenen Mütter. Darum haben sie es später auch so schwer, tragfähige und gesunde sexuelle Beziehungen zu anderen Erwachsenen aufzubauen. Richtig: es fehlt in unserem Land entschieden an Psychotraumatologen, die bereit sind, auch mit TäterInnen zu arbeiten.

       

      Im beschriebenen Fall lag der Verdacht auf akute Kindeswohlgefährdung vor. Das Jugendamt hätte handeln müssen.

  • Wesentlich einfacher ist es die Punkte oder Themen bei denen die Staaten die Buerger nicht misshandeln zu besprechen, weil es diese Themen beim vom Staat dazu privilegierten Gruppen anzutreffen sind. Man kommt so nicht in eine Thematik, bei der die Staatsvertreter nur beweisen muessen, dass sie herrschaftlich geboren sind, und zwar aufgrund ihrer Wahl. Daher laesst sich verbal nicht beschreiben was die staatlichen Institutionen den Buergern antun, ausser man setzt die Zeugen unter Drogen und bedroht sie, eventuell ausrotten, das machen Gerichte und Polizei und Institutionen. Das ist jedoch fad zu beobachten, daher die Thematik ein heisses Eisen. Ich finde jedoch, dass die wahre Kuer darin liegt etwas oeffentlich zu tun und wenn alle zusehen und mit tun zu behaupten man taete das ja gar nicht. Es scheint sich um die Vorraussetzung zur Verleihung eines akademischen Titels zu handeln, wie meine Forschungen zeigen: Die hohe Geburt, daher werden Taeter auch freigesprochen, wenn sie sich niedrig geboren zeigen. Soll ja ein elitaeres Hobby bleiben, nicht nur im sexuellen Bereich. Soll ich jetzt kotzen oder spaeter?