Afghanischer Fußball-Nationalcoach: „Ich will für Afghanistan begeistern“
Slaven Skeledzic erklärt, wie er vom Trainer des FSV Frankfurt zum afghanischen Nationalcoach aufgestiegen ist und welche Dimension dieser Wechsel hat.
taz: Herr Skeledzic, die letzte Meldung aus dem afghanischen Fußball war der versuchte Mordanschlag auf den bisherigen Nationaltrainer Yousuf Kargar, der Anfang Januar lebensgefährlich verletzt wurde. Nun übernehmen Sie dieses Amt. Hat Ihnen der Job in der Jugendabteilung des Zweitligisten FSV Frankfurt nicht mehr den nötigen Kick gegeben?
Slaven Skeledzic: Nein, es ist nicht das Abenteuer und auch nicht das Geld, warum ich nach Afghanistan wechsle, sondern die sportliche Herausforderung. Es ist ein sehr hoher Posten, der auch eine wahnsinnige Verantwortung mit sich bringt. Ich darf das Nationalteam von Afghanistan trainieren und kann die euphorische Aufbruchstimmung, die dort herrscht, mitgestalten. Das macht mich sehr stolz.
Es herrschen dort kriegsähnliche Zustände, haben Sie keine Angst?
Nein, zumal ich in Deutschland wohnen bleibe. Ich habe keine Angst. Ich werde zwar für Länderspiele und für die Mitarbeit im Verband immer wieder nach Kabul reisen, aber dort ist für meine Sicherheit gesorgt. Außerdem wird vieles auch außerhalb des Landes stattfinden, zum Beispiel gibt es viele Trainingslager in Dubai und Katar oder sonstwo auf der Welt.
Aus Sicherheitsgründen?
Nein, weil dort absolute Topbedingungen herrschen …
Der 43-jährige Deutsche wurde in Vares, das heute in Bosnien-Herzegowina liegt, geboren. Er war als Nachwuchstrainer bei der Frankfurter Eintracht, bei Hannover 96 und zuletzt beim FSV Frankfurt tätig. In Hannover wurde er wegen Protesten der Mitarbeiter („rüder Umgangston") als Nachwuchschef entlassen.
… die es in Afghanistan nicht gibt?
Ich war kürzlich für einige Tage in Kabul, habe mir den Verband angeschaut und die Leute kennen gelernt. Der Aufenthalt war sehr gastfreundlich und warmherzig, ich habe mich wohl gefühlt, sonst hätte ich den Vertrag nicht unterschrieben. Mein erster Eindruck war, dass dort, was den Fußball angeht, sehr Gutes entsteht. Das Trainingsgelände des Verbands wurde komplett neu hergerichtet, es tut sich einiges. Man kann dort vieles bewegen und professionell arbeiten.
Und wie sieht es außerhalb der Fußballplätze aus?
Anders als in Deutschland, klar. Aber um das besser zu beurteilen, kenne ich das Land noch nicht genug.
Vergangenheit: Das erste Länderspiel einer afghanischen Auswahl fand 1941 in Iran statt. Von 1984 bis 2002 fand wegen politischer Wirren kein internationales Pflichtspiel einer afghanischen Mannschaft statt. Am 11. September 2013 gewann Afghanistan zum ersten Mal die Südasienmeisterschaft nach einem 2:0-Sieg im Finale gegen Indien – der größte Erfolg des Verbands AFF.
Gegenwart: Letzter Nationaltrainer war Yousuf Kargar, seit 2001 entweder Ko- oder Chefcoach der Auswahlmannschaft. Kargar wurde am 10. Januar in Kabul überfallen und durch zahlreiche Messerstiche in Kopf und Rücken lebensgefährlich verletzt.
Zukunft: Das Team möchte möglichst schnell von Platz 144 in der Fifa-Weltrangliste aufsteigen. Etliche Nationalspieler verdienen ihr Geld in Europa in unterklassigen Ligen, wie etwa Ata Yamrali (VfL 93 Hamburg), Hamid Sadid (FK Bosna 92 Örebro) oder Qays Shayesteh (VV Glanerbrug/NL).
Wie ist der Kontakt zustande gekommen?
Ich habe gar nichts gemacht (lacht). Der Verband hat mich von sich aus kontaktiert und mir schnell signalisiert, dass er mich schon länger beobachtet und von mir überzeugt ist.
Was sind Ihre Aufgaben als neuer Nationaltrainer Afghanistans?
Viele gute afghanischen Spieler sind auf der ganzen Welt verteilt. Für mich heißt das, dass ich viel herumreisen werde.
Also reisen Sie erst mal in Hamburger Vororte oder ins niedersächsische Uphusen, denn viele afghanische Spieler kicken in der vierten und fünften deutschen Liga?
Entscheidend ist die Qualität. Aber wir müssen die Maßstäbe anheben, auch was die Spielerauswahl und die Ligazugehörigkeit angeht. Es gibt Spieler, die höherklassig spielen, aber noch nicht in die Nationalmannschaft integriert wurden. Das wird auch meine Aufgabe sein, sie für das Land und für unser Team zu begeistern.
Geht das, ohne selbst das Land zu kennen und dort zu wohnen?
Ich will Afghanistan besser kennen lernen. Ich habe ja einen Trainerstab, der vor Ort ist und mir auch bei der Betreuung der Spieler hilft, die in Afghanistan spielen. Ich werde immer informiert sein und mir immer wieder selbst einen Eindruck verschaffen. Sieben oder acht Spieler können Deutsch, und unser Kotrainer Ali Lala kann auch ins Deutsche übersetzen. Aber vor allem geht es doch darum, wie man die Spieler motiviert und sie von den immer besser werdenden Bedingungen, vom Aufbruch in diesem Land und von unserer Spielphilosophie überzeugt.
Sie wollen auf dem Platz ein Spektakel veranstalten?
Wir wollen Powerfußball spielen, der auf Pressing und offensives Kombinationsspiel angelegt ist, aber je nach Gegner auch variieren kann. Aber bis zum ersten WM-Qualifikationsspiel am 11. Juni gibt es noch viel zu tun.
Und 2018 fahren Sie mit Afghanistan zur WM?
Es wäre toll, wenn das klappt (lacht). Aber erst einmal wollen wir guten Fußball spielen und den Sport im Land weiterentwickeln. Und wenn wir Erfolge feiern, das zeigt der Gewinn des ersten internationalen Titels, der Südasienmeisterschaft 2013, dann gibt das auch den Menschen in Afghanistan einen Schub und fördert den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
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