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ADFC-Umfrage unter RadlernRadfahren macht nicht immer Spaß

Vor allem Großstädte kommen in einer großen Umfrage unter Radlern schlecht weg. Ein besonderes Problem ist das mangelnde Sicherheitsgefühl.

Außerhalb der Großstädte zufriedener: Radfahrer Bild: dpa

BERLIN taz | Das Fahrradfahren boomt in Deutschland, aber glücklich sind die Radler deswegen noch lange nicht. Vor allem in den großen Städten gibt es Kritik: Zehntausende Radfahrer sehen hier Verbesserungsbedarf.

Die meisten Großstädte wie Berlin, Hamburg, Köln und Düsseldorf landeten in einer bundesweiten Umfrage des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) auf den hinteren Plätzen. Münster in Westfalen eroberte erneut den Titel als Deutschlands fahrradfreundlichste Stadt in der Kategorie der Kommunen mit mehr als 200.000 Einwohnern.

Im Fahrradklima-Test, den der ADFC am Donnerstag in Berlin zum sechsten Mal vorstellte, folgen auf dem zweiten und dritten Platz Karlsruhe und Freiburg. Bei den mittelgroßen Städten mit 100.000 bis 200.000 Einwohnern liegen Erlangen, Oldenburg und Ingolstadt auf den ersten Plätzen.

Die fahrradfreundlichste Stadt mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern ist Bocholt, gefolgt von Nordhorn und Wesel. Sieger bei den Orten unter 50.000 Einwohnern ist Reken im Münsterland, auf Rang zwei landete das brandenburgische Ketzin/Havel und auf Platz drei Rhede, ein Nachbarort von Bocholt nahe der niederländischen Grenze.

Weitere Zunahme des Radverkehrs

Der Fahrradklima-Test ist eine groß angelegte Umfrage unter deutschen Radlern, die vom Bundesverkehrsministerium finanziell unterstützt wird. An dem aktuellen Test beteiligten sich mehr als 100.000 Radler, nur 16 Prozent davon waren ADFC-Mitglieder. Die meisten Testteilnehmer fuhren täglich mit dem Rad – die Umfrage gibt also gut das Stimmungsbild der Radler in Deutschland wieder.

Die Umfrageteilnehmer beurteilten anhand von 27 Fragen die Radfreundlichkeit ihrer jeweiligen Heimatstädte. 468 Städte kamen in die Wertung, so dass Orte mit insgesamt rund 40 Millionen Einwohnern repräsentiert sind.

Schlechte Noten verteilten die Radfahrer in der Befragung oft, weil sie sich unsicher fühlten. Für die Sicherheit gab es in Großstädten nur eine Durchschnittsnote von 4,1. Die befragten Menschen kritisierten parkende Autos auf Radwegen, schlechte Ampelschaltungen, Baustellen und fehlende Schneeräumung im Winter.

Der ADFC forderte daher mehr Tempo-30-Zonen und die Verbreiterung der Radwege, um das Sicherheitsgefühl der Radler zu erhöhen. Die alten Radwege aus den 80er Jahren seien zum Teil gefährlich, weil sie an schlecht einsehbaren Stellen verlaufen würden, hieß es. Der Club rechnet mit einer weiteren Zunahme des Radverkehrs. Besonders die Elektroräder würden einen weiteren Schub bringen, das sehe man an hügeligen Städten wie Wuppertal.

ADFC-Chef Ulrich Syberg mahnte: „Fahrradfreundlichkeit hebt das Image einer Stadt und macht sie attraktiv als Wirtschaftsstandort für Neubürger und Touristen.“ Eine gute Fahrradinfrastruktur schaffe Anreize, auch mal mit dem Rad zur Arbeit oder zum Einkaufen zu fahren. Das entlaste die Stadt von Lärm und verstopften Straßen. Syberg: „Investitionen in den Radverkehr sind Investitionen in die Zukunftsfestigkeit einer Stadt.“

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14 Kommentare

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  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    und zur TAZ: Wenn so eine Umfrage besprochen wird, sollte man meines Erachtens nicht unerwähnt lassen, dass es für keine Stadt eine Note eins, für keine Stadt eine Note zwei und erst für Münster eine knappe 2-3 gegeben hat.

     

    Das wirft dann ein etwas realistischeres Bild auf des Deutschen Autoverliebtheit und seinen omnipräsenten Fahrradhass.

  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Die Idee von OLIVER KALITOWSKI ist nicht neu: In Großbritannien ist es üblich, ein Fahrrad wie ein Auto zu überholen - also komplett auf die nächste Fahrspur zu wechseln. Diese Eins-zu-eins-Regelung wäre auch für Deutschland sehr sinnvoll, auch wenn jetzt wieder ein paar radikale Raser aufheulen.

     

    Um die gefühlte und die tatsächliche Sicherheit zu verbessern gilt immer noch: Abschaffung aller Radwege und flächendeckend Tempo 30 in der Stadt für alle.

  • Radfahrer jammern wie immer auf hohem Niveau. Dabei sind die Fußgänger das schwächste Glied in der Kette und die eigentlichen Opfer. Gemobbt von rücksichtslosen Radfahrern, für die Verkehrsregeln dazu da sind, sie zu missachten.

  • Im Grunde beklagen sich die Radfahrer über die gleichen Dinge, wie die Autofahrer und Fussgänger.

    Zugeparkte Strassen, unsinnige Ampelschaltungen, Radfahrer die denken, für sie gelten andere Regeln als für alle anderen, schlechter Zustand der Wege etc etc etc.

     

    Ich denke es ist an der Zeit zur Kenntnis zu nehmen, das auch die städtische Infrastruktur vielerorts schlicht vernachlässigt und nicht an die aktuellen Bedingungen angepasst wurde.

    Eine Stadt wird auch nicht dadurch Fahrradfreundlich, das man die Fahrbahn für Kraftfahrzeuge einfach mit einer Linie verengt und den dann entstehenden Platz den Radlern zur Verfügung stellt. Meist ist das nämlich nicht besonders viel und wenn man dann an dem Radfahrer vorbeifährt, fühlen sich wohl beide etwas unsicher.

     

    Mir wärs da lieber, wenn man den Radfahrern generell den gleichen Platz zugesteht, den ein Auto hat. Diese also mitten auf der Strasse fahren und man zum Überholen komplett die Spur wechseln muss.

    Macht es für alle Beteiligten sicherer.

    • @Oliver Kalitowski:

      Wo soll ich unterschreiben?

       

      E.

  • Wer mal erleben möchte, wie schlecht man es als Radfahrer haben kann, der sollte HH besuchen. Hier gilt: Freie Fahrt für freie Bürger - allerdings nur motorisierte. An zahlreichen vielbefahrenen Straßen der City gobt es nämlich überhaupt keine Radwege. Und die vorhandenen sind nicht selten in so erbärmlichem Zustand, dass man besser gleich auf der Straße bleibt. Für einen Ausbau des Radwegenetzes ist angeblich kein Geld da - für Olympia aber offenbar schon.

    • @maro:

      Sicherlich: Rabiate Autofahrer, aber auch enthemmte Radfahrer, die sich oft selbst gefährden. Und dazu jede Menge Verstöße gegen die StVO von allen Seiten, inklusive Busse des HVV. Wenn das so weiter geht, dann wird es irgendwann auch Tote und viel mehr Verletzte geben. Mit Schuldzuweisungen zu einzelnen Gruppen wäre ich vorsichtig, ich beobachte es von allen Seiten, auch von Berufsfahrern Kurrier-Radlern, Taxi-Fahrern und HVV-Busfahrern.

    • @maro:

      Ich kenne eine Stelle in einem Gewerbegebiet, wo man als Radfahrer an fünf Ampeln warten muss, wenn man legal rechts abbiegen will. Man muss zunächst eine Fußgängerampel queren, um auf die gegenüberliegende Straßenseite zu gelangen, dann muss man eine Einmündung einer anderen Straße überqueren (ohne Ampel), dann an zwei Ampeln eine Bundesstraße überqueren, dann an wieder zwei Ampeln eine Autobahnauf- bzw. ausfahrt überewinden. Und dann ist man noch auf der falschen Seite, da auf der richtigen Seite kein Fahrradweg ist. Autofahrer biegen ohne Ampel einfach rechts ab.

  • Wenn Münster als "fahrradfreundlichste Stadt" gilt, dann möchte ich wirklich nicht wissen, was in anderen Städten so los ist.

     

    Hier (eben: Münster) sind die Bedingungen schon gruselig: schmale Hochbordradwege (zB. Wolbecker Straße), nur wenige Aufstellplätze vor den Autos an Ampeln, fälschlich als benutzungspflichtig ausgeschilderte Radwege in Tempo-30-Zonen, ... ich hör lieber auf.

    Ausgleichend dafür gibt es durchaus Wochen, in denen man nicht täglich durch regelwidriges Verhalten von AutofahrerInnen gefährdet wird: Vorfahrt nicht gewährt, Überholen mit deutlich zu geringem Sicherheitsabstand, auf einer Einmündung beim Linksabbiegen von der Rechtsabbiegerspur noch rechts den Radfahrer überholen...

    (Das waren die Erlebnisse dieser Woche.)

     

    E.

    • @EckyH:

      Ich verrate es Dir trotzdem: In Köln sind Fahrradwege oft viel zu eng. Sie haben entweder kratertiefe Schlaglöcher oder sind wellig und aufgesprungen durch Baumwurzeln. Wir haben "Velorouten", die enden an Drängelgittern. Oder an Wendeltreppen. Wir haben Fahrradstrecken über Brücken, bei denen man entweder lange Umwege radeln oder das Rad eine Treppe hoch- oder runtertragen muss. Schneeräumen wäre sicher toll, aber noch schöner wäre es, wenn ab und zu mal die Scherben von den Wegen gekehrt würden. Köln ist also eher eine Fahrradhändler-freundliche statt, die dafür sorgt, dass reichlich Speichen, Schläuche und Reifen verkauft werden...