Frühlingsanfang und Floristik: „Ich verkaufe ein Lebensgefühl“
In Charlottenburg schauen Blumenkäufer auf Haltbarkeit, in Kreuzberg sind die Sträuße nicht so üppig: Floristin Beate Pabst über Blumenkäufer.
taz: Frau Pabst, am Sonntag ist Frühlingsbeginn, jedenfalls für die Meteorologen. Wenn ich den Kollegen einen Frühlingsstrauß mitbringen wollte, was würden Sie mir da empfehlen?
Beate Pabst: Im Moment läuft Farbe sehr gut. Kräftige, auch schräge Töne.
Schräg heißt …
… zum Beispiel Pink mit Orange, auch mal ein Rot dazwischen. Vor zehn Jahren hätte man so was gar nicht gemacht.
Es gibt also auch bei Blumen Trends und Moden? Sie merken schon, ich habe keine Ahnung.
Absolut. Dieses Jahr ist der Trend sehr bunt. Wir merken das auch daran, dass die Leute gerade als Erstes in der Ecke gucken, wo wir die Wand in dieser leuchtenden Neonfarbe gestrichen haben.
Müssen Sie auch mal etwas zusammenstellen, das Ihnen in den Augen wehtut?
Es gibt immer Leute, die, na ja, eigenwillige Kombinationen wünschen. Da versucht man dann, ein bisschen gegenzusteuern, man hat ja gestalterische Fähigkeiten. Aber wenn sie es trotzdem unbedingt wollen, kriegen sie es natürlich auch.
Endlich: Am Sonntag, 1. März, ist meteorologischer Frühlingsanfang. Das interessiert aber eigentlich nur Meteorologen, die den Tag einst aus statistischen Gründen festlegten, wie Thomas Dümmel vom Institut für Meteorologie der FU Berlin erklärt. Hintergrund: Mit dem Ersten eines Monats können sie leichter Mittelwerte bilden und Statistiken zusammenstellen. "Der kalendarische Frühlingsanfang ist immer um den 21. März, da sind Tag und Nacht gleich lang", sagt Dümmel. "Das ist der astronomische, vom Sonnenstand her richtige Frühlingsanfang."
Vielleicht: In den nächsten Tagen bleiben die Temperaturen am Tag noch teilweise deutlich unter 10 Grad. Prognosen für "richtiges" Frühlingswetter kann Dümmel nicht anstellen: "Es gibt bisher kein vernünftiges Verfahren für Prognosen, die weiter als 10 bis maximal 14 Tage reichen." Allerdings gebe es Bauernregeln, die aus den Wintermonaten auf den Ernteerfolg schließen wollen: "Ist es im Januar nur warm, wird der reichste Bauer arm" bedeutet, dass ein milder Winter ungünstig für die Ernte ist, da er die Saat zu früh treiben lassen oder Schädlinge begünstigen könnte. Dies sage aber wenig über die Sommertemperaturen aus. Zu 85 Prozent zutreffend ist laut Dümmel die Altweibersommerregel: "Kommt der Michel (St. Michael, 29. September) heiter und schön, wird es vier Wochen so weitergehen." (skr)
Was verkauft eine Floristin eigentlich? Schönheit? Natur?
Ich würde sagen, ein Lebensgefühl. Blumen sind ein Luxusartikel, den sich aber noch viele gönnen. So, wie in jeder Wohnung ein Buch stehen sollte, sollte da auch eine Blume stehen.
45, ist Floristin bei Mancherleigrün in der Kreuzberger Markthalle am Marheinekeplatz.
Gerade hatten Sie eine Kundin am Stand. Was haben Sie für sie zusammengestellt?
Das waren Schneeball, französische Tulpen, Frühlingszweige, Ranunkel und Iris. Die Iris passte gut von der Farbe, von der Sache her vielleicht weniger, die ist eher eine Sommerblume. Aber wir haben natürlich nicht nur Jahreszeitliches im Angebot. Nelken etwa sind immer gefragt, und natürlich Rosen.
Sie werben damit, dass sie vor allem regionale und fair gehandelte Blumen verkaufen.
Richtig, im Winter kaufen wir immer ecuadorianische Rosen mit dem Fairtrade-Siegel ein. Weil es da eben keine Freilandrosen aus Europa gibt, höchstens mal ein paar aus Italien. Im Sommer haben wir dann einen Rosenhändler in Potsdam und eine Biogärtnerin, mit der wir zusammenarbeiten. Da kaufen wir auch keine auf dem Großmarkt dazu.
Und Regionales?
Da gibt es im Augenblick natürlich nicht allzu viel. Aber wir haben einen Gärtner im Berliner Umland, der uns immer die Zweige bringt.
Die gibt es nur im Frühjahr?
Genau. Wir haben hier Sauerkirsche, Blutpflaume, Zierquitte, Felsenbirne, Pfirsich … später kommt auch Apfel dazu. Wenn die draußen erst einmal blühen, gibt es bei uns hier drinnen auch keine mehr.
Die Kundin schien ziemlich genau zu wissen, was sie sucht. Kommen auch Leute wie ich, die keinen Schimmer haben, wie die Blumen heißen und was zusammenpasst?
Auf jeden Fall. Die fragen wir dann nach dem Anlass und ihrem Budget.
Kennen sich denn viele aus?
Die Mehrheit. Zwei Drittel bis drei Viertel, würde ich sagen.
Und Frauen besser als Männer? Das ist natürlich ein Klischee.
Ach, gar nicht unbedingt. Wir haben auch Männer, die gerne Blumen kaufen. Ich würde sagen, das hält sich die Waage. Na ja … tendenziell vielleicht schon eher die Frauen.
Kaufen die Leute mehr Blumen, wenn die Sonne scheint?
Im Gegenteil. Wenn der Tag grau ist, haben sie Lust auf Farbe. Dann kommen sie zu uns.
Und was ist typisch für Kreuzberg: Haben die Leute hier bestimmte Vorlieben?
Der Kreuzberger kauft schon anders als etwa der Charlottenburger. In Charlottenburg, wo ich früher gearbeitet habe, sind es viel mehr mittelalte und alte Leute, die kaufen Riesenbouquets, wenn sie irgendwo hingehen. Zu Hause sind sie eher sparsam. Die Kreuzberger machen es sich auch selber gerne schön, und tendenziell mit kleinen Sachen. Hier ist alles auch ein bisschen natürlicher, hier kann ich auch mal eine Dahlie verkaufen, die nur ein paar Tage hält. In Charlottenburg schaut man mehr auf die Haltbarkeit.
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