Opposition in Birma: Déjà-vu in Sachen Schläger
Die Polizeieinsätze zeigen, wie instabil die Reformregierung in Birma immer noch ist. Viele Generäle der Militärjunta sitzen heute im Parlament.
YANGUN taz | Als ich gesehen habe, wie die Gangster auf die Studenten einschlugen, ist mir schlecht geworden“, sagt Aung Win. Der 30-jährige Angestellte tippt sich mit der rechten Hand auf die Brust, um zu zeigen, wie ernst es ihm ist. „Ich habe geglaubt, dass wir weiter sind. Aber solch ein Verhalten ist sehr beunruhigend.“
Kaum eine Nachricht hat in Yangon, der alten Hauptstadt Myanmars, in den letzten Tagen so viel Aufsehen erregt wie die Reaktion der Behörden auf die Studentenproteste der vergangenen Tage: In Zeitungen, sozialen Medien, Büros und Teashops ereifern sich die Birmesen darüber, wie am 5. März an der Sule-Pagode Schläger in Zivil auf ein paar Dutzend friedlich demonstrierende Jugendliche einprügelten.
Die Mitglieder der Truppe trugen rote Armbänder mit der Aufschrift „im Dienst“. Sie gehörten offenbar einer Miliz an, die sich unter dem Namen Swan Arr Shin („Herren der Gewalt“) einen schlechten Ruf als Helfershelfer des Repressionsapparats erworben hatte. Und die Polizei verhaftete nicht etwa die Schläger, sondern Demonstranten.
Der Einsatz dieser Miliz beunruhigt viele Einwohner zutiefst. Denn sie erinnern sich daran, wie brüchig die politische Situation auch unter der Reformregierung des Präsidenten Thein Sein derzeit ist. Es ist erst vier Jahre her, als sich die Militärjunta selbst auflöste. Damals zogen viele Generäle die Uniformen aus, um als Zivilisten eine neue Regierung zu bilden. Als sich die Gefängnistore für politische Häftlinge öffneten, die Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi aus dem Hausarrest entlassen wurde, sie und ihre Parteifreunde bei Nachwahlen 2012 ins Parlament einzogen und als erstmals unzensierte Zeitungen erscheinen durften, schöpfte das Land Hoffnung.
Ende dieses Jahres sollen die Birmesen ein neues Parlament wählen dürfen. Allerdings behält sich das Militär eine Sperrminorität vor, Aung San Suu Kyi darf laut der Verfassung von 2008 nicht Präsidentin werden, selbst wenn ihre Partei, die Nationale Liga für Demokratie, die Wahlen haushoch gewinnen würde. Die Spannung steigt, und plötzlich sind auch die Studenten wieder da, die in der jüngeren Geschichte des Landes immer wieder Revolten entfachten. Unzufrieden mit einem geplanten Hochschulgesetz, wollten sie in den letzten Wochen nach Yangon marschieren.
Bürgerwehr ist legal
Die Polizei stoppte sie vor den Toren der Stadt. Mehrfach gerieten Demonstranten und Uniformierte seither aneinander, Polizisten schlugen auf die Studenten ein, nahmen über 100 fest – „zu brutal“ und unnötig sei dieser Einsatz gewesen, lautete der Tenor der Presse. „Studenten!“, sagt der politische Kommentator Khin Zaw Win. „In der Geschichte Myanmars waren sie immer ein entscheidender Faktor! “
Er denkt, wie so manche seiner Landsleute, an den kurzen Frühling der Demokratie in den fünfziger Jahren, bevor das Militär im Jahr 1962 die Herrschaft übernahm. Damals drängten die Studenten auch auf Veränderungen. 1988 waren es zuerst die Studenten und die Mönche, die auf den Straßen marschierten – bis die Militärs mit ihrer Junta die Hoffnungen wieder erstickten.
Immer wieder haben die Militärs in den vergangenen Jahrzehnten Hochschulen und Colleges zugesperrt und damit einer ganzen Generation die Chance auf Bildung geraubt – aus Angst, der Jugend Myanmars könnte es wieder einmal gelingen, das Volk auf ihre Seite zu bringen.
Was die Studenten jetzt fordern, ist vielerorts selbstverständlich: Sie wollen mehr Mitsprache über Studium und Lehre, sie wollen Studentengewerkschaften, mehr Autonomie für die Universitäten. Und sie träumen von 20 Prozent des Staatshaushalts für die Bildung.
Der Polizeichef von Yangon hat nun erklärt, er habe mit dem Einsatz der Gangster nichts zu tun, das müsse eine andere Dienststelle gewesen sein. Allerdings können sich die Verantwortlichen damit sogar auf geltendes Recht berufen: Artikel 128 des Strafrechts erlaubt es den Behörden, eine Bürgerwehr aufzustellen, um illegale Zusammenkünfte aufzulösen und bei der Festnahme zu helfen, wenn sich die Demonstranten weigern, ihren Protest aufzulösen. Dieses Gesetz ist uralt: Es stammt aus der britischen Kolonialzeit.
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