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Krise macht weltweit 64 Millionen Menschen arm

FINANZEN Die Weltbank soll künftig mehr Geld für Entwicklungsprojekte bekommen. Zur Gegenfinanzierung setzt die Bundesregierung auf international abgestimmte Lösungen. Sondersteuern für Banken, wie sie US-Präsident Obama einführen will, sind aber nicht geplant

VON STEPHAN KOSCH

Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat weltweit 64 Millionen Menschen in absolute Armut gestürzt. Diese Zahl präsentierte Weltbank-Chef Robert Zoellick am Freitag in Berlin und begründete damit seine Einschätzung: „Die Folgen der Krise werden wir noch jahrelang spüren.“ Während in den Industrieländern vor allem die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust vorherrsche, habe die Krise Millionen Menschen in den Entwicklungsländern zusätzlichen Hunger und mehr Krankheiten gebracht.

Bisher hätten die Weltbank als Financier von Entwicklungshilfeprojekten und die jeweiligen regionalen Entwicklungsbanken über 100 Milliarden US-Dollar ausgegeben, um die Folgen der Wirtschaftskrise zu bekämpfen, sagte Zoellick nach einem Treffen mit dem deutschen Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit Dirk Niebel (FDP). Doch die Finanzausstattung der Weltbank soll verbessert werden, indem die Mitgliedsstaaten mehr Geld einzahlen, was sich auch auf die Neuverteilung der Stimmrechte in der Bank auswirken dürfte. Die Entwicklungs- und Schwellenländer drängen schon länger auf mehr Mitsprache. Zoellick stellte in Aussicht, dass sie künftig mindestens 44 Prozent der Stimmrechte halten sollen. Doch er machte auch klar: Wer mehr Rechte haben will, muss sie kaufen. Dieses Thema soll auf der kommenden Frühjahrstagung der Weltbank besprochen werden.

Auch die Bundesregierung wolle sich an der besseren Finanzausstattung beteiligen, so Niebel. Noch seien aber keine entsprechenden Summen in den Etat des Ministeriums eingestellt, weil die konkreten Größenordnungen unklar seien.

Zur möglichen Gegenfinanzierung verwies Niebel auf den Beschluss der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, die die Einführung einer weltweiten Finanztransaktionssteuer prüfen. Eine Sondersteuer für große Banken, wie sie US-Präsident Obama plant, lehnt die Bundesregierung aber ab. Sie habe „derzeit keine Pläne, eine solche Sonderabgabe zu erheben“, sagte der Sprecher des Finanzministeriums. Vorrangiges Ziel sei eine international abgestimmte Lösung, um Ausweichmöglichkeiten zu vermeiden.

Obama will über eine Abgabe die bislang aufgelaufenen staatlichen Verluste in Höhe von 117 Milliarden Dollar aus den Hilfsprogrammen für die amerikanische Finanzbranche ausgleichen. Die Steuer sollen alle Banken und Finanzinstitute zahlen, deren Vermögenswert 50 Milliarden Dollar übersteigt. Auch die Deutsche Bank wäre nach Analystenschätzungen davon betroffen und müsste pro Jahr rund 500 Millionen Dollar an die USA zahlen. Einem Bericht der Financial Times zufolge drängen die USA andere Länder dazu, eine ähnliche Abgabe zu erheben.

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