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Kommentar South CarolinaGefährliche Schutzmacht

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Erneut ist ein Schwarzer von einem Polizisten erschossen worden. Wegen eines Handyvideos als Beweis kam es zur Festnahme. Das ist nicht die Regel.

„Wie viele noch?“ fragt Reverend Prioleau beim Protest nach der Tat in Charleston Bild: ap

S chon wieder ist in den USA ein unbewaffneter Schwarzer von einem Polizisten erschossen worden, diesmal in North Charleston im Bundesstaat South Carolina. Der Tathergang ist so eindeutig auf einem Handyvideo festgehalten, dass der Justiz gar nichts anderes übrig blieb, als den Polizisten festzunehmen und eine Mordanklage vorzubereiten. Es ist das Video und dessen Veröffentlichung, was den Fall groß macht – aber er ist nicht der einzige, ja noch nicht einmal der jüngste Fall.

Am selben Tag, an dem der 50-jährige Walter Scott in North Charleston starb, erschossen Polizisten in Illinois den 17-jährigen Justus Howell, in Kalifornien starb der 31-jährige Paul Anthony Anderson durch Polizeikugeln, in Oklahoma erlag der 33-jährige David Cody Lynch den Folgen eines polizeilichen Taser-Einsatzes, in New Mexico erschossen Polizisten den 34-jährigen Ethan Noll.

All das geschah am vergangenen Samstag. Seitdem sind mindestens 9 weitere Menschen in den USA durch Polizeigewalt gestorben, allein 2015 sind es bereits fast 300, vergangenes Jahr waren es rund 1.100.

Meist gibt es von den Vorfällen keine Videos – in der Regel gibt die Polizei an, selbst mit einer Waffe bedroht oder angegriffen worden zu sein. In einem Land, in dem die Waffenlobby dafür sorgt, dass im Prinzip jeder bewaffnet herumlaufen darf, ist das nicht per se unglaubwürdig. 6 Polizisten sind 2015 bislang erschossen worden. Dennoch: Eine Polizei, die so schlecht ausgebildet und so schießwütig ist, dass derartige Todeszahlen herauskommen, ist zum Schutz der BürgerInnen untauglich – und es sind nicht nur Fälle wie dieser jüngste aus South Carolina, die Polizisten eher als Gefahr für das Leben insbesondere schwarzer US-Amerikaner dastehen lassen.

In North Charleston gab es jetzt eine sofortige Festnahme und eine Anklage. Das aber ist nicht die Regel – wenn keine Handyvideos vorliegen, wird oft nicht gründlich untersucht, und die meisten Polizisten können sich auf die Verschwiegenheit ihrer Kollegen verlassen. Straflosigkeit für im Amt begangene Verbrechen nehmen jedes Vertrauen in den Rechtsstaat. Es wäre im Interesse aller US-AmerikanerInnen, schnellstens eine Umkehr einzuleiten.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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18 Kommentare

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  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Zwar wird Kritik an den USA von vielen Zeitgenossen auch hier im Forum voreilig als Anti-Amerikanismus ausgelegt, dennoch: Der gesellschaftliche Aufschrei in den USA ist kurz vernehmbar und viel zu leise um Gewicht zu bekunden. Meist sind es die betroffenen schwarzen Minderheiten, die durch ein paar Aktivisten anderer Hautfarbe unterstützt werden. Diese nicht enden wollende Kette von Skandalen wird von den führenden Köpfen der US-Society eben nicht ausreichend thematisiert, ein paar Pflichtübungen und dann geht es weiter wie zuvor. Es ist ein grundlegendes Problem in der Gesellschaft, die sich selbst als "frei" und "gerecht" feiert und keinerlei ernsthafte Beschäftigung mit den eigentlichen Problemen und Fehlern zulässt. Das zieht sich als roter Faden durch die US-Geschichte von Anfang an. Ein "von Gott auserwähltes Land" kann keine Fehler machen. Basta. Zum Glück gibt es zumindest ein paar wenige, die sich ansatzweise dagegen auflehnen. Doch die werden mit Flugverbot belegt, wie die 73 jährige Friedensaktivistin, eine Nonne oder denen wird kurzerhand der Paß entzogen, einem anderen Friedenskämpfer der nach Kanada wollte. Alles geschieht wegen der "inneren Sicherheit" und aus Patriotismus. Das aber ist gelogen. Es geschieht, um solche Aktivitäten nur ja nicht gesellschaftsfähig zu machen und um diese Bewegungen klein zu halten, als Spinner abzutun. Insbesondere die Republikaner unterstützen das nach Kräften. Die US Gesellschaft gehört auf "die Couch".

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Viele Amerikaner sehen sich als Individualisten, die in erster Linie ihr Eigeninteressen verfolgen. Staat und gesellschaftliche Organinsationen werden oftmals mit Misstrauen betrachtet. Die USA sind eine gewaltätige Gesellschaft - deswegen ist die Polizei dort auch brutaler als in den meisten europäischen Ländern. Jetzt so zu tun, als wäre die Polizei Ursache der mörderischen Gesellschaft, wäre kurzsichtig.

  • Europa wird diese Probleme auch kriegen. Jeder Polizist der nicht knallhart/schießwütig ist wird vom Underdog Milieu als Schwächling betrachtet. In USA wars halt schon immer so. (Wozu braucht man denn ein Video wenn der Mann 4 x in den Rücken geschossen wird?).

     

    p.s:

    In USA ist die Rassenbeziehung der Blacks zu allen anderen Rassen grundsätzlich schlecht. Ungefähr so:

     

    Black -> Yankee: Ablehnung.

    Black -> White: Verachtung.

    Black-> Mex: Offener Hass.

    Black -> Korean: Kurz vor Krieg.

    • @el presidente:

      Das Bilddokument ist shcon hilfreich, weil ich zwar die absehbare Rechtswidrigkeit des SWG aus dem Sektionsbericht ersehen kann, aber weniger die versuchte Manipulation von Beweismitteln wie eben dem Verlagern des Tasers!

  • Um hier zweckmäßig zu kommentieren, müsste man alle Fälle einzeln aufdröseln, Verallgemeinerungen sind bestenfalls "nicht hiilfreich".

     

    Und wer auch nur ein bischen in der Realität verhaftet ist, würde sich auch einen ebenso oberflächlichen Hinweis auf "die Waffenlobby" im Zusammenhang mit solchen Delikten sparen. Oder eben dazu einen tragfähigen Nachweis führen, der bisher bei solchen Beiträgen immer auf sich warten läßt.

     

    Denn, um in die Einsatzwirklichkeit" zurückzukehren: Auch in Deutschland gilt das pol. egegnüber erstmal als bewaffnet, bis das Gegenteil erweisen ist! Und das liegt NICHT an der "deutschen Waffenlobby"!

     

    Zudem:

     

    Es draf dort nicht "jeder" sondern nur jeder Unbescholtene Waffen besitzen, das Führen unterliegt ziemlichen Grenzen, je nach county. Die Details sind einschlägig; die Statistiken des FBI auch.

     

    Bleibt Festzuhalten: bisher werden die meisten Afroamerikaner von anderen Afroamerikanern (Zivilisten) im Zuge der milieugebundenen Delikte (Meist BTM-Sachen) getötet. Dahinter sind selbst alle US-Polizeien zusammen lange zurück.

     

    Was solche Exekutionen natürlich nie entschuldigt. Und soo schlecht schien der Cop nicht ausgebildet, er schein zu wissen das seine Handlung rechtswidrig war, sonst hätte er das Spurenbild nicht gezielt verändert. Obwohl selbst dann die Schüsse in den Rücken ohne Notwehrlage niemals gerechtfertigt sein könnten!

     

    Menschenrechte könen Fakten vertragen, jederzeit!

    • @KarlM:

      (...)"Was solche Exekutionen natürlich nie entschuldigt."(...)

       

      Und weshalb erwähnen Sie es dann?

      • @Ella:

        Weil ich hier "gerne" missverstanden werde?

    • @KarlM:

      Vielleicht finden Sie ja die Statistik hilfreich, die besagt, dass allein im März dieses Jahres 111 mal US Polizisten andere Menschen erschossen haben.

       

      Das sind mehr als doppelt so viele, wie in Großbritannien seit 1900 bis heute durch die Polizei ums Leben kamen!

       

      Nein, gäbe es das Video nicht, würde aus dem kaltblütigen Mord vermutlich ein "entsetzlicher" Selbstmord des Unbewaffneten, den der US-Cop nicht verhindern konnte.

       

      Man kann das alles wirklich nur noch mit Zynismus ertragen.

      • @Iannis:

        Schlechter Vergleichsversuch, weil so statistisch mehr als unsauber!

         

        Britische Polizei ist erst in neuerer Zeit allgemein bewaffnet worden. Was Veranlasst Sie da zur Wahl von Zeiträumen die etwas zweckfrei sind?

         

        Für einen validen Vergleich müssten Sie das z.B. auf "je 100.00 Einwohner bei gegebener Polizeidichte" normieren, wenn Sie seriös vergleichen wollen.

         

        Was den Fall angeht, so wird eine sorgfältige Beweissicherung, ähnlich wie im Fall Brown, allein au dem Sektionsbefund mit Spurenbild hier nachweisen dass einem Flüchtenden ohne begründbare Veranlassung in den Rücken geschossen wurde...

    • @KarlM:

      oh wow, der "cop" ist nicht so schlecht ausgebildet denn er scheint zu wissen das mord rechtswidrig ist und hat deshalb das spurenbild gezielt verändert. na dann ist ja alles ok mein freund. stay positive!

      • @Jason Schiffer:

        Leseverständnis?

         

        Denken Sie nochmal drüber nach! Angesichts der latent schlechten Ausbildungsstände, insbesondere der dortigen "Stadpolizeien" liegt hier der begründete Verdacht vor, das sich diese Cop gezielt auf eine solche Handlung vorbereitet hat. Inklusive der Manipulation von Beweismitteln. Es steht zu vermuten das hier jemand nur auf die Gelegenheit zu so einem Delikt gewartet hat...

         

        Nix:Think positive"...

    • @KarlM:

      Was halten Sie eigentlich von diesem Fall. http://www.dailykos.com/story/2015/02/11/1363768/--VIDEOS-Police-officers-unjustly-shoot-kill-man-who-was-only-throwing-rocks in Pasco dieses Jahr. Ich fragte Sie schon mal.

       

      Ein Mann beim Polizeiwagen (mehrere Cops) rennt weg. Anstatt gleich hinter her zu laufen schießen die Cops. Dann erst rennen sie hinterher, über die Straße. Bei einem Schaufenster, nach ca. 20m ist er längst eingeholt, bleibt stehen, dreht sich zu den Cops, scheint sich ergeben zu wollen, um Gnade zu flehen (Todesangst, gab ja Schüsse). Keine Gefahr für die 3 Cops, er ist unbewaffnet, Zugriff aus nächster Nähe möglich. Sie schießen ihn tot.

       

      Warum?

      • @fornax [alias flex/alias flux]:

        Gute Frage.

         

        Erstmal ist der Zivilist nicht unbewaffnet! Einmal die "Steine" und dann ist bis zur Überprüfung nicht nachgeweisen was die Person sonst noch mitführte, oder eben nicht!

         

        Wie gefährlich die geworfenen Gegenstände tatsächlich waren, wäre erstmal zu untersuchen. Aber das ist ein Befund für eine Verhandlung.

        In der Lage war es durchaus angemessen mindestens mit Warnschüssen zu reagieren solange die Person noch entsprechende Gegenstände in der Hand hielt.

         

        Dann wird Problematisch, denn der Flüchtende scheint ers mit den Warn- (oder fehlgegangene )Schüssen zu bemerken das er sich in einer lebensgefährlichen Lage befindet.

         

        Als er dann stehenbleibt und sich umwendet wird das offenbar als Widerstand gewertet was im finalen SWG resultiert. Ob daas noch vom dortigen Recht gedeckt ist? Bestenfalls ein Erlaubnsitatbestandsirrtum der Beamten. Was aber wieder auf die mäßige Ausbildung zurückzuführen wäre.

         

        Kurz: Hier haben alle Beteiligten ziemliche Fehler begangen die zur Eskalation auf ihre Weise beigetragen haben

        • @KarlM:

          Haben sie schon mal was von Tasern,

          Pfefferspray oder Schlagstöcken

          gehört ?

          • @Cuchillo:

            Sicher. Nur Für seinen eigenen Taser war der Beamte offenkundig zu blöde, OC-Sprays sind zur Nacheile eher unpraktisch und seinen EMS konnte der Kerl offenkundig auch nicht benutzen...

             

            Warum er den Verdächtigen nicht einfach entweichen läßt, SSN und Kfz hat er ja, entzieht sich jeder Begründung.

    • @KarlM:

      Sie kommen immer gleich in den Polizeiverteidigungsmodus. Wir sind hier nicht vor Gericht, sondern es ist der Artikel eines Journalisten. Was Sie da jetzt alles herauslesen und meinen verteidigen zu müssen, Ihr Ding.

       

      Eine Zusammenfassung weiterer Fälle an diesem Tag. Verweis auf die offizielle Statistik für 2015 (April) mit bisher 300 Fällen!!

       

      Ich denke, da kann man sich durchaus über die Aussagen der Cops Gedanken machen, ob da alles mit rechten Dingen zugeht. Den Amerikanern, vor allem den Polizeiopfern, tut man sonst keinen Gefallen.

      • @fornax [alias flex/alias flux]:

        Nope,

         

        kein "Polizeiverteidigungsmodus!

         

        Nur der verzweifelte Versuch eine etwas undifferenzierte, aber sehr berechtigte Kritik auf eine sachliche Ebene zu befördern.

        Den offenkundig gibt es genug Fälle unrechtmäßiger Gewaltanwendung, da darf schon sachlich berichtet werden.

  • Auch wenn alles von einer Videokamera aufgezeichnet wurde, sehe ich noch lange nicht, daß es auch zu einer Verurteilung kommt, denn die Variationen fauler Ausreden gehen gegen unendlich, allenfalls noch übertroffen von der Korruption der Gerichte.