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Lorbeer für die Intendantin

HYMNEN Sie ist die große Hoffnung des Hamburger Schauspielbetriebs: Der Journalist Wolfgang Höbel hat der künftigen Schauspielhaus-Intendantin Karin Beier ein Buch gewidmet. Das stellen die beiden am Montag im Literaturhaus vor

Höbel zeichnet auch akribisch die Kämpfe nach, die Beier in Köln durchzustehen hatte

VON PETRA SCHELLEN

Sie ist die große Hoffnung des Hamburger Schauspielbetriebs, das In-spe-Flaggschiff der hiesigen Kulturszene, die sagenumwobene Rettergestalt: Karin Beier, die ab Herbst 2013 Chefin des Schauspielhauses wird, des größten deutschen Sprechtheaters. Sie wird nicht nur die seit Oktober 2010 währende intendanzlose Interimszeit beenden und die Lücke schließen, die Friedrich Schirmers abrupter Weggang hinterließ.

Und sie ist ein Mensch mit Blick für die Realitäten: Schon vor den vorgezogenen Hamburger Neuwahlen im Februar 2011 hat sie sowohl mit Noch-Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) als auch mit dem SPD-Kandidaten Olaf Scholz verhandelt. Und sich von beiden schriftlich geben lassen, dass im Falle der Vertragsunterzeichnung die Subventionen fürs Schauspielhaus um 2,5 Million jährlich erhöht und alle Tarifsteigerungen auch rückwirkend ausgeglichen werden.

Die 47-jährige Beier stammt aus Köln, ihre Mutter ist Engländerin, und vielleicht deshalb hat sie ihre Regisseurskarriere an der Uni Köln 1986 mit der Gruppe „Countercheck Quarrelsome“ begonnen. Deren Aufführungen von Shakespeare im Original und an immer anderen Orten – in einer alten Kirche, im Park, in einer Fabrikhalle – waren sofort und ständig ausverkauft.

Für die Schauspieler hatte das seinen Preis: Beier probte bis zur Erschöpfung, überforderte die Schauspieler systematisch und arbeitete und lebte Intensität. Und wer dabei sein wollte, musste diesen Rhythmus mitleben. Später wurde sie Hausregisseurin am Düsseldorfer Schauspielhaus, danach kamen Gast-Engagements in Hannover, Hamburg, Köln.

Oft hat sie an den Häusern Sonderkonditionen ausgehandelt: längere Probenzeiten, auswärtige, exklusive Probenorte. „Sie hat uns mit ihrem Charme über den Tisch gezogen“, sagt Joachim Lux, der ihr in Düsseldorf als Chefdramaturg überstellt war. Inzwischen ist er Intendant am Hamburger Thalia Theater und wird künftig ihr Konkurrent sein. Die beiden haben einen ähnlichen Geschmack und könnten einander das Publikum streitig machen, aber das fürchtet Lux nicht.

Über das alles hat der Spiegel-Autor und Theaterkritiker Wolfgang Höbel jetzt ein Buch geschrieben. „Karin Beier. Den Aufstand proben. Ein Theaterbuch“ heißt es und besteht neben Beier-biografischen Fließtexten des Journalisten aus Reden und offenen Briefen Karin Beiers sowie einem Interview. Und es verschweigt nicht, dass sie am Wiener Burgtheater eine Schaffenskrise hatte, von der sie und ihr Mann, der Schauspieler Michael Wittenborn, sich in Nepal oder Schottland erholten.

Höbel zeichnet auch akribisch die Kämpfe nach, die Beier in Köln durchzustehen hatte, als dort die Diskussion über den Abriss des Opern-Theater-Platzes – eines Ensembles aus den 50er/60er-Jahren – tobte, die auch einen Theater-Neubau vorsah. Beier war zuerst für den Abriss. Als sich zeigte, dass der finanziell zulasten des Schauspielhauses gehen würde, änderte sie ihre Meinung und schaffte es – parallel zu einer Unterschriftensammlung Kölner Bürger –, den Abriss zu verhindern. Das alles übrigens mit Kleinkind, das inzwischen in Hamburg eingeschult wurde. „Ich war wohl die erste Intendantin Deutschlands mit Kleinstkind“, sagte sie damals über den Laufstall in ihrem Büro.

Nun kann man fragen, ob eine 47-Jährige wirklich schon eine Biografie braucht und ob diese Details auch Menschen interessieren, die nicht aus Köln stammen und die Fibern dortiger Politik aus der Nähe mitbekamen. Auch lässt sich ihre Biografie sicher kompakter erzählen als auf 191 Seiten. Und es drängt sich der Verdacht auf, dass hier ein gewisser Genie-Kult betrieben werden soll, mit kühlen Kalkül; das Erscheinungsdatum des Buchs pünktlich zum Wechsel nach Hamburg ist sicher kein Zufall.

Trotzdem ist das Buch erhellend, allzu Detailliertes kann man ja getrost überlesen. Und wer Karin Beier mal live erleben will, kann das jetzt im Literaturhaus tun. Da werden sie und ihr Autor Wolfgang Höbel das Buch gemeinsam vorstellen. Es ist Beiers erster öffentlicher Auftritt in Hamburg. Und abgesehen davon, dass man dann selbst prüfen kann, ob sie so charmant ist wie von Höbel beredet beschrieben, kann man vielleicht auch ein, zwei Details zu ihren künftigen Hamburger Plänen erlauschen.

■ Wolfgang Höbel: Karin Beier. Den Aufstand proben. Kiepenheuer & Witsch, 192 S., 18,99 Euro. Lesung: Mo, 8. 4., 19.30 Uhr, Literaturhaus, Schwanenwik 38. Restkarten an der Abendkasse

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