piwik no script img

Landeplatz für Zukunftstechnologien

TEGEL Der Senat will nach der Schließung auf dem Flughafengelände innovative Firmen ansiedeln

Der Senat hat sich am Dienstag darauf festgelegt, dass aus dem bisherigen Flughafen Tegel ein Forschungs- und Industriestandort für Zukunftstechnologien werden soll. Dafür ist es nötig, den derzeitigen Flächennutzungsplan zu ändern. Dieser langwierige Prozess, der alle Einwände und Bedenken berücksichtigen soll, wird laut Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) nicht vor 2011 abgeschlossen sein. Das letzte Wort hat dabei das Abgeordnetenhaus. Der Flughafen Tegel soll 2011 dicht machen, wenn der Großflughafen BBI komplett in Betrieb geht.

Junge-Reyers Verwaltung hat in den vergangenen Monaten die Zukunft des Geländes mit Planern, aber auch Bürgerinnen und Bürgern diskutiert. Betroffen ist eine Fläche, auf die über 650 Fußballplätze passen. Mehr als die Hälfte des Gebiets gehört dem Bund, der sich laut Junge-Reyer konstruktiv beteiligt. „Wir müssen nicht kaufen, um die Fläche zu entwickeln“, sagte die Senatorin. Konkrete Interessenten gebe es noch nicht, erst müsse die förmliche Planung abgeschlossen sein. Eines aber war für sie schon am Dienstag klar: In das Abfertigungsgebäude soll kein großes Einkaufszentrum kommen.

Lebensraum für Tiere

Ökologische Probleme sieht Junge-Reyer in den Plänen nicht, obwohl auf dem Flughafengelände geschützte Arten und Lebensräume zu finden sind. „Wir haben bestätigt bekommen, dass es den vermeintlichen Gegensatz zwischen wirtschaftlicher Nutzung und Umweltschutz nicht gibt“, sagte sie. Tatsächlich schreibt der Sachverständigenbeirat für Naturschutz und Landschaftspflege in einer Stellungnahme: „Artenschutz, Naturerleben, Gestaltungsanspruch und ökonomische Tragfähigkeit schließen sich nicht per se aus.“

Auch Naturschutzreferent Herbert Lohner vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland spricht von einem „guten Kompromiss“. Das setzt für ihn aber voraus, dass nicht noch mehr Industrie angesiedelt werde. Lohner wehrte sich gegen Forderungen der Industrie- und Handelskammer nach großen Industrieflächen, an denen es Berlin angeblich fehlt. „Wir zweifeln den Bedarf an“, sagte er der taz. Junge-Reyer sprach davon, dass 30 bis 40 Prozent des Flughafengeländes industriell genutzt werden sollen.

Wie viel Industrie?

Die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Franziska Eichstädt-Bohlig, sieht den Konflikt weniger in der Ökologie – „da wird ja schließlich kein Kraftwerk oder eine besonders schmutzige Industrie aufgebaut“. Sie befürchtet vielmehr, dass Tegel andere Gewerbestandorte schwächen könnte. Bei Flächen in Adlershof oder am „Eastgate“ in Marzahn sei Stabilisierung nötig und nicht neue Konkurrenz. „Berlin darf nicht alles gleichzeitig anfassen“, sagte sie der taz. Wenn man Tegel entwickeln wolle, „dann bitte deutlich kleiner“. Das heißt für sie: sich auf die Gebäude beschränken und die Freiflächen in Ruhe lassen.

Positiv bewertet Eichstädt-Bohlig das Vorgehen des Senats: „Es gibt ein vernünftiges Verfahren, anders als beim Flughafen Tempelhof.“ In dieselbe Richtung äußerte sich CDU-Fraktionschef Frank Henkel: „Tegel darf nicht wie Tempelhof zu einer Brache verkommen.“ Die Union hatte bereits vor Monaten ein Nachnutzungskonzept vorgelegt, das einen Solar- und Industriepark mit 20.000 Arbeitsplätzen vorsieht. STEFAN ALBERTI

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen