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Konsens zu Endlager brüchig

ENERGIE Nach Einigung auf ein neues Verfahren zur Suche für ein Atommüllendlager gibt es wieder Konflikte: Industrie will nicht zahlen, CDU gegen Abfall in ihren Wahlkreisen

VON MALTE KREUTZFELDT

BERLIN taz | Der große Frieden hielt nicht lange. Noch am Dienstagabend hatten Bundesumweltminster Peter Altmaier (CDU) und sein Amtsvorgänger Jürgen Trittin (Grüne) von einem „historischen Schritt“ gesprochen. Da hatten sich die Vertreter von Bund und Ländern sowie die Spitzen von Union, SPD, Grünen und FDP – wie in einer Teilauflage der taz bereits berichtet – nach langen Verhandlungen gerade auf einen Neubeginn der Endlagersuche geeinigt.

Einen Tag später zeigt der angestrebte breite Konsens schon wieder Risse. Der CDU-Bürgermeister der Stadt Philippsburg wehrte sich gegen Pläne, zusätzlichen Atommüll ins Zwischenlager des örtlichen Atomkraftwerks zu bringen. „Wir würden zivilen Ungehorsam leisten und dagegen auf die Straße gehen“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.

Teil des gefundenen Kompromisses ist es, dass kein weiterer Atommüll ins Zwischenlager nach Gorleben gebracht werden soll, um den Eindruck einer Vorfestlegung auf diesen Standort zu vermeiden. Als alternative Standorte für Müll aus der Wiederaufbereitung in Großbritannien und Frankreich sind darum die bestehenden Zwischenlager an den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Philippsburg im Gespräch; die rot-grünen Landesregierungen in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg hatten Bereitschaft dafür signalisiert. Eine endgültige Einigung wurde aber nicht erzielt.

Offen blieb auch ein weiteres Problem: Niedersachsen hatte gefordert, dass die Entscheidungen über mögliche Standorte nicht per Gesetz gefällt werden, weil dann keine Klagen vor Verwaltungsgerichten möglich sind. Andere Länder bestanden jedoch auf diesem Vorgehen. Nun soll eine Lösung gefunden werden, die trotz gesetzlicher Regelung Klagen zulässt, sagte Altmaier.

Streit zeichnet sich auch in der Frage ab, wer die Kosten der neuen Endlagersuche trägt, die auf mindestens 2 Milliarden Euro geschätzt werden. Das Atomforum, in dem die deutschen AKW-Betreiber zusammengeschlossen sind, lehnt eine Übernahme ab. Dafür gebe es nach ihrer „rechtlichen Auffassung keine Grundlage“. Dem widersprach Minister Altmaier: „Die Kostentragungspflicht für die Betreiber ist gesetzlich geregelt.“

Der Kompromiss von Bund und Ländern sieht vor, dass das Endlager-Suchgesetz Anfang Juli von Bundesrat und Bundestag beschlossen werden soll. Bis dahin soll auch über die Besetzung einer 24-köpfigen Kommission entschieden werden, die aus Parteipolitikern aus Bund und Ländern sowie Vertretern von Wissenschaft, Wirtschaft, Umweltverbänden und Kirchen bestehen soll. Dieses Gremium soll über Kriterien für mögliche Endlagerstandorte entscheiden. Umweltverbände hatten kritisiert, dass die Vorschläge der Kommission nicht verbindlich seien. Dem trat Altmaier entgegen: Er gehe davon aus, „dass die Empfehlungen der Kommission später im Bundestag eine große Chance auf Verwirklichung haben“, sagte er.

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