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Halbherziger Kampf gegen Steueroasen

KAPITALFLUCHT Bis auf Großbritannien und die Niederlande finden alle das Thema wichtig. Und?

„Deutschland begünstigt Kapitalflucht auf globaler Ebene“

JUTTA SUNDERMANN, ATTAC

BRÜSSEL taz | Die EU soll stärker gegen Steuerflucht vorgehen – allerdings erst in einigen Jahren. Dafür haben sich fünf Länder, darunter Deutschland und Frankreich, in einem Brief an die EU-Kommission starkgemacht. Sie fordern, die EU-Zinsrichtlinie zu verschärfen und den Informationsaustausch über Steuersünder zu verstärken.

Luxemburg kündigte an, sein Bankgeheimnis ab 2015 zu lüften. Auch Österreich und Liechtenstein wollen folgen. Die Kommission begrüßte die Ankündigung „wärmstens“. Sie hofft nun auf die rasche Annahme einer neuen Richtlinie über die Zinsbesteuerung in der gesamten EU. Diese ist seit 2008 von Luxemburg und Österreich blockiert worden.

Der Sinneswandel sei vor allem auf Druck der USA zustande gekommen, sagte Regierungschef Jean-Claude Juncker am Mittwoch in Luxemburg. Mit der Abwicklung von Banken in Zypern oder den Offshore-Leaks habe er nichts zu tun. „Wir knicken auch nicht unter deutschem oder preußischem Druck ein“, betonte Juncker.

Die USA hätten eine „radikale Position“ bezogen, indem sie den Datenaustausch zur Vorbedingung für Finanzbeziehungen machten. „Das geschieht nicht unter europäischem Druck, aber ein internationaler Finanzplatz kann sich nicht vom amerikanischen Markt abschneiden“, so Juncker.

Allerdings hatten auch Frankreich und Deutschland in den letzten Tagen Druck auf die Finanzzentren und Steueroasen in der EU gemacht. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will auf diese Weise offenbar dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück den Wind aus den Segeln nehmen, der seit Langem ein schärferes Vorgehen gegen Steuerflüchtlinge fordert.

In Frankreich spielen die Finanzaffären eine Rolle, die Präsident François Hollande und seine Regierung erschüttern. Hollande will sich deswegen nun wohl besonders engagiert und vorbildlich zeigen.

Ausgeklammert bleiben vorerst ausgerechnet Großbritannien und die Niederlande, unter deren Fittichen die größten Offshore-Finanzparadiese etwa auf den Antillen oder in der Südsee gedeihen. Auch in Deutschland soll sich wenig ändern, obwohl Kritiker auch hier Handlungsbedarf sehen. „Wer von Steueroasen in der Südsee spricht, darf vom Schattenfinanzplatz Deutschland nicht schweigen“, sagte Jutta Sundermann vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis. „Deutschland begünstigt Kapitalflucht, Geldwäsche und Steuerhinterziehung auf globaler Ebene. Gerade den Staaten im globalen Süden werden auf diese Weise viele Milliarden Euro entzogen, die dringend für die öffentliche Daseinsvorsorge benötigt werden.“ ERIC BONSE

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