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politik zu fünftEin neues Parteiensystem

Das politische Fanverhalten in Nordrhein-Westfalen hat sich 2005 verändert. Die Anhängerschaften der Parteien sind kräftig durchgeschüttelt worden, die Wählerschaft hat sich in ernsten Zeiten ernsthafte Gedanken über ihre parteipolitische Vertretung gemacht. CDU und SPD haben von diesen Veränderungen als Großorganisationen nicht profitiert. Trotz der doppelten Mobilisierung im Super-Überwahljahr haben beide Volksparteien Mitglieder verloren. Die beiden Großen muss dies bekümmern, waren sie doch in früheren Wahljahren meist gewachsen. Die SPD ist schon froh darüber, dass die Agenda-2010-bedingte Massenaustrittswelle vorbei zu sein scheint. FDP und Grüne haben minimal hinzugewonnen, einen kräftigen Aufschwung erlebte nur das neue Linksbündnis aus PDS und Wahlalternative WASG.

Aus den Trümmern der großen „Schicksalswahlen“ (Angela Merkel vor der Bundestagswahl am 18. September) ragt in NRW nun etwas Unförmiges, etwas Neues und Unfertiges hervor: ein politisches System mit fünf statt bisher vier Parteien.

ANALYSE VON MARTIN TEIGELER

Angesichts der relativen Eintönigkeit der politischen Verhältnisse an Rhein und Ruhr in den letzten Jahrzehnten ist der Aufschwung der Linken durchaus ein historisches Ereignis – rund 50 Jahre nach dem Verbot der KPD und 15 Jahre nach dem erstmaligen Einzug der Grünen ins Düsseldorfer Landesparlament. Die etablierten Parteien sollten nicht auf ein rasches Verschwinden der WASG-PDS-Allianz spekulieren. Allein der politische Kurs der Merkel-Steinbrück-Regierung dürfte die Existenz der neuen Linken in den nächsten Jahren sichern.

Auch für die Landespolitik hat das Fünf-Parteien-System Folgen: Ministerpräsident Jürgen Rüttgers muss sich auf eine neue Qualität von Opposition einstellen. Viel gefährlicher als Parlamentsreden der SPD-Abgeordneten Hannelore Kraft wäre ein außerparlamentarisches Bündnis von der PDS-Linken über Studiengebührengegner bis zum Beamtenbund. Der erste große Test ist der NRW-Sparhaushalt. Kommt es tatsächlich zu einer Allianz der Kürzungsopfer, geht der Protest über die übliche Demo-Routine hinaus, dann müssen CDU und FDP um ihre junge landespolitische Hegemonie kämpfen.

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