: Landratten zu Schiffskapitänen
Weil es auf deutschen Schiffen zu wenig Nautiker gibt, schickt manche Reederei schon ihre Pensionisten wieder an Bord. Zugleich platzt der Studiengang Nautik in Bremen aus allen Nähten
Bremen taz ■ Kapitän sein. Zur See fahren. Eigentlich ein Jungentraum. Nur träumt ihn wohl kaum noch jemand. Neue Kapitäne braucht das Land: Weltweit fehlen 30.000 NautikerInnen, bis zu 1.000 sind es allein in Deutschland. Doch in Bremen fehlt das Geld für mehr Ausbildungsplätze.
An der Hochschule Bremen – die als eine von bundesweit vieren NautikerInnen ausbildet – sind die Kapazitäten trotz steigender Nachfrage ausgeschöpft. 239 Studierende zählt der Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen im Seeverkehr“, wie die Nautik offiziell heißt, 216 Männer und 23 Frauen.
„Viel zu wenig“, heißt es jetzt beim Verband Deutscher Reeder (VDR) in Hamburg. Der Grund: „Die Reeder bauen zur Zeit wie wahnsinnig“, so Volker Biere, Dekan im Fachbereich Nautik an der Hochschule Bremen. Außerdem haben sich die deutschen Schiffseigner gegenüber der alten Bundesregierung bereit erklärt, wieder mehr Frachtschiffe unter deutsche Flagge zu setzen. Rund 2.500 sind es nach derzeitigem Stand, 135 werden nach Angaben des VDR bis Ende des Jahres „zurückgeflaggt“.
Dennoch wird auch weiterhin zumeist unter liberianischer oder mongolischer Billigflagge gefahren. Die Schiffe werden dabei nicht mehr länger von Privatpersonen betrieben, sondern von multinationalen Konzerne oder Investmentgesellschaften betrieben. Europäische Seefahrer finden sich nur noch auf der Brücke. Aber wer unter deutscher Flagge fährt, sagt VDR-Sprecher Max Johns, beschäftigt zumeist auch deutsche Kapitäne und Schiffsoffiziere.
Inzwischen aber ist das Personal so knapp, dass manch ein Kapitän auch noch jenseits der 65 zur See fährt – fahren muss. „Viele Reedereien verpflichten ihre Nautiker, auch im Ruhestand noch mindestens zwei Reisen pro Jahr zu machen“, erzählt Biere, der selbst das Kapitänspatent hat. Doch eigentlich könne jeder zweite Mann an Bord demnächst pensioniert werden. „Wir stehen vor einer großen Pensionierungswelle“, sagt auch Johns – und schwärmt von den Berufsaussichten: „Das ist ein Arbeitsmarkt, der so bald nicht erlahmt.“
Rund 13.000 Menschen fahren unter deutscher Flagge zur See, rund ein Viertel davon ist als NautikerIn beschäftigt. In Bremen haben zum Wintersemester 2005/06 gerade einmal 69 Menschen ein Nautik-Studium neu aufgenommen – und doch sind es schon es schon mehr als doppelt so viel wie vor einem Jahr. Die AbsolventInnen würden der Hochschule buchstäblich „aus der Hand gerissen“, freut sich Biere – und fordert mehr Geld für seinen Fachbereich ein: „Eine personelle und finanzielle Aufstockung ist unabdingbar.“ 40 StudentInnen können derzeit maximal aufgenommen werden. Die Nachfrage ist doppelt so hoch.
Doch die Hochschule Bremen hat kein Geld, schließlich sollen alle Bremer Hochschulen in den kommenden fünf Jahren fast 100 Millionen Euro einsparen. Jetzt sollen die Reeder selbst Geld locker machen. Schließlich sind sie es, die die meisten der AbsolventInnen einstellen.
An der Fachhochschule in Leer funktioniert diese Kooperation bereits. Dort bezahlen die Reeder insgesamt vier Stiftungs-Professuren. In Bremen haben die möglichen Stifter aus der Wirtschaft zwar ihre prinzipielle Unterstützung signalisiert. „Wir erkennen die zunehmende Notwenigkeit, auszubilden“, sagt der Geschäftsführer des Bremer Reederverbandes, Robert Völkl.
Auf konkrete Zusagen will man sich jedoch noch nicht einlassen. „Wir sind im Gespräch“, versichert Völkl. In der Hochschule ist man um jede Hilfe dankbar, personell wie finanziell. Biere: „Uns fehlt es an allem.“
Jan Zier
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