: Gas strömt wieder
AUS MOSKAUKARSTEN PACKEISER
Russland nimmt die am 1. Januar unterbrochenen Gaslieferungen an die Ukraine wieder auf. Nach zähen Verhandlungen einigten sich beide Länder auf einen neuen Liefervertrag. Nach einem nächtlichen Verhandlungsmarathon traten Gazprom-Chef Alexei Miller und der Direktor des ukrainischen Energiekonzerns Naftogas Ukrainy, Alexei Iwtschenko, am Mittwochmorgen vor die Presse und erklärten in knappen Statements, dass der Gasstreit beigelegt sei. Mit langem Händeschütteln begruben sie anschließend den Konflikt, der ganz Europa wochenlang in Atem gehalten hatte. „Der ausgehandelte Kompromiss ist für beide Seiten vorteilhaft“, erklärte Naftogas-Chef Iwtschenko.
Nachdem der Streit zwischen beiden Ländern in den vergangenen Wochen nahezu täglich eskaliert war, platzte die Nachricht über die Einigung gestern in Moskau wie eine Bombe. Noch am Vortag hatte Russland der Ukraine vorgeworfen, russische Lieferungen für Westeuropa anzuzapfen und Gas zu stehlen. Kiew beschuldigte Russland, turkmenische Gaslieferungen an die Ukraine abzufangen, um eine Energiekrise in dem Land auszulösen.
Das in der Nacht unterzeichnete Abkommen sieht vor, dass Gazprom der Ukraine Gas zum Preis von 230 statt wie bisher 50 Dollar je 1.000 Kubikmeter verkauft. Allerdings werden künftig alle Gasgeschäfte zwischen beiden Ländern durch das Vermittler-Unternehmen Rosukrenergo, ein Joint Venture der österreichischen Raiffeisenbank und der Gazprombank, abgewickelt. Rosukrenergo liefert der Ukraine eine Mischung aus russischem, usbekischem und turkmenischem Gas zu einem Preis von 95 Dollar.
Diesen Preis hatte der ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko seinen Unterhändlern als Höchstgrenze mit auf den Weg zu den Krisengesprächen gegeben. Zumindest formal haben damit beide Seiten ihre eigentlich unvereinbaren Preisvorstellungen durchsetzen können. Eine in der Silvesternacht von Präsident Putin angebotene Übergangszeit, in der die alten Tarife weiter gelten sollten, ist in dem Abkommen nicht mehr vorgesehen.
Das zweite, für Gazprom nicht weniger wichtige Ergebnis der nächtlichen Verhandlungen ist eine Einigung über die Transitlieferungen von russischem Erdgas an Abnehmer in Westeuropa und auf dem Balkan. Der Tarif für die Transitgebühren wird von 1,09 Dollar auf 1,6 Dollar pro 1.000 Kubikmeter Gas und 100 Kilometer angehoben. Die störungsfreie Abwicklung der Gasexporte nach Westen sei damit für die kommenden fünf Jahre garantiert, heißt es nun bei Gazprom. Darüber hinaus wollen Rosukrenergo und Naftogas ein Joint Venture für die Belieferung ukrainischer Abnehmer mit Erdgas gründen.
Gazprom-Sprecher Sergei Kuprijanow kündigte an, in Kürze werde auch mit Moldawien ein neuer Liefervertrag abgeschlossen. „Die Verhandlungen stehen kurz vor dem Abschluss“, sagte er. Die Lieferungen an die zwischen der Ukraine und Rumänien gelegene GUS-Republik waren ebenfalls zum Jahresbeginn eingestellt worden, weil die Preisforderungen aus Moskau auch in der moldawischen Hauptstadt Chisinau (Kischinjow) zurückgewiesen wurden.
Nach dem wochenlangen Nervenkrieg zwischen den beiden Nachbarländern überwog in Moskau die Erleichterung über das Ende des Gaskrieges. Auch die EU sowie die Bundesregierung begrüßten die Lösung. Die Gasunternehmen in Russland und der Ukraine hätten gezeigt, „dass sie verlässliche Lieferanten für die EU bleiben wollen“, sagte EU-Energiekommissar Andris Piebalgs gestern in Brüssel. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ mitteilen: „Beide Seiten haben damit rasch auf die Aufforderung sowohl der Bundesregierung als auch der EU als auch anderer Staaten reagiert, den Konflikt schnellstmöglich beizulegen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen