: Leiharbeiter der Zukunft
LUFTFAHRTBRANCHE Obwohl Airbus die Entlassung von mehr als 1.000 Leiharbeitern angekündigt hat, wirbt Hamburg für die Weiterbildung in der Luftfahrtbranche. Die frohe Botschaft: Nach der Krise soll es wieder aufwärts gehen
Jörg Hochleitner, Franke + Pahl
VON MART-JAN KNOCHE
Als Airbus-Chef Tom Enders vor wenigen Tagen die Entscheidung kommentierte, im Laufe des Jahres mehr als tausend Leiharbeiter aus dem Finkenwerder-Werk zu entlassen, sagte er: „Für die Mitarbeiter ist das keine gute Nachricht, für das Unternehmen schon.“ Der Satz beschreibt auch die aktuelle Lage der Luftfahrtindustrie – nach dem Motto: Es kriselt zwar, doch in der Perspektive wachsen wir weiter.
Damit rechnen auch die Weiterbildungsunternehmen der Branche, die in der Krise gezielt für Umschulungen werben: „Hat die wirtschaftliche Rezession auch Sie betroffen?“, heißt es bei Trainico, einem Bildungsunternehmen der Lufthansa Technik. Oder: „Stellen Sie Ihre berufliche Zukunft durch eine Luftfahrt-Weiterbildung auf ein solides Fundament“, lockt die date up education GmbH, die in Hamburg förderwillige Umschüler sucht – gemeinsam mit Partnern aus der norddeutschen Luftfahrt, der Behörde für Wirtschaft und Arbeit und der Agentur für Arbeit.
Gesucht werden Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit Bedrohte, die einen von der Handelskammer (IHK) geprüften Berufsabschluss erlangen wollen. Möglich sind komplett geförderte Umschulungen. 24 bis 28 Monate dauern die Kurse zum „Elektroniker für Luftfahrttechnische Systeme“, „Fluggerätemechaniker“, „Mechatroniker“ oder „Luftverkehrskaufmann“ beziehungsweise zur „Luftverkehrskauffrau“. Bewerber müssen nicht viel mitbringen: Möglichst Berufserfahrungen, gleich welcher Art, ein nicht beendetes Studium oder eine Berufsausbildung reichen. Praxisabschnitte bei Lufthansa oder Airbus bereiten auf die IHK-Prüfung vor.
Bei erfolgreichem Abschluss der date up-Umschulung winkt ein Leiharbeitsvertrag bei der Franke + Pahl Ingenieurgesellschaft mbH. Die verleiht ihre Luftfahrttechniker unter anderem ans Airbus-Werk in Finkenwerder, wo rund 12.000 Festangestellte und – noch – 5.000 Leiharbeiter beschäftigt sind. Womit die vormals arbeitslosen Umschüler dann, nach vielen Verheißungen, bald wieder am Anfang stünden?
„Nein“, sagt Jörg Hochleitner von Franke + Pahl. Zwar seien auch sie von den Einschnitten bei Airbus betroffen. Trotzdem rate er zu Umschulungen mit Berufsabschluss „gerade jetzt“, denn in zwei Jahren würde die Branche einem Fachkräftemangel gegenüberstehen. „Und nach der Krise hat man dann keinen Kartoffelstempel, sondern einen IHK-Berufsabschluss.“ Zudem hätten sie bislang alle freigestellten Leiharbeiter woanders unterbringen können. „Die Luftfahrtbranche wächst in ganz Deutschland, aber gerade auch in Hamburg.“
Tatsächlich fließen auch in der Krise Millionen in den Ausbau des Hamburger Luftfahrtstandorts. Gerade läuft das „Sonderinvestitionsprogramm Hamburg – 2010“ aus, ein Projekt, das die Stadt seit 2005 mit 37,5 Millionen Euro ausgestattet hat, da läuft schon das nächste an: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung beginnt derzeit die vor zwei Jahren versprochene Fördersumme von rund 40 Millionen Euro zu verteilen. „Sukzessive fließen nun die ersten Gelder für Ausbildungsprojekte“, sagt Ingrid Schilling-Kaletsch, Leiterin der „Qualifizierungsoffensive Luftfahrtindustrie“ in der Behörde für Wirtschaft und Arbeit.
Auch bei derzeit rückläufigen Passagier- und Produktionszahlen sei die „langfristige Nachwuchsentwicklung“ eine zentrale Aufgabe für den Luftfahrtstandort, erklärt Schilling-Kaletsch. So würden zwischen 2012 und 2015 die Schülerzahlen auch in Hamburg „extrem nach unten gehen“, während sich auf dem Arbeitsmarkt viele Fachkräfte in den Ruhestand verabschieden würden. Bis der demografische Wandel spürbar werde, sagt Schilling-Kaletsch, „müssen wir genug junge Leute für ein Studium oder einen technischen Beruf begeistern“.
Infos zur Luftfahrtausbildung unter www.luftfahrtstandort-hamburg.de. Unter dem Stichwort „Beruf & Karriere“ gibt es hier Informationen über Förderprojekte für Schüler, Studenten, Berufstätige und Quereinsteiger in Hamburg
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