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PARLAMENTSPRÄSIDENTEN WOLLEN EU-DEBATTE LIEBER VERMEIDENVogel-Strauß-Grippe, gefährliche Variante

Als Strauße verkleidet verspotteten die britischen Euroskeptiker gestern im Straßburger Parlament ihre Abgeordnetenkollegen. Ihre Botschaft: Steckt den Kopf nicht länger in den Sand – die EU-Verfassung ist tot! Welche Botschaft aber wollen die Parlamentspräsidenten Deutschlands, Österreichs und Finnlands vermitteln, wenn sie es ablehnen, weiter über die Zukunft Europas zu debattieren? Wenn sie das tun, ohne ihre Parlamente über diesen Standpunkt abstimmen zu lassen?

In dem Brief, den Norbert Lammert und seine beiden Kollegen Anfang der Woche nach Straßburg schickten, steht in recht schroffen Worten das Gegenteil dessen, was ihre Europaausschüsse im Oktober auf einer gemeinsamen Konferenz der EU-Parlamentarier und nationaler Parlamentsgremien beschlossen hatten. Danach soll die Debatte über Europas Zukunft auf allen Ebenen geführt werden. Den nationalen Parlamenten und dem EP komme dabei eine besondere Verantwortung zu. Zugleich forderten sie, dass die national gewählten Abgeordneten mehr Mitsprache erhalten, wenn auf europäischer Ebene Gesetze gemacht werden. Lammert und Kollegen wollen genau das Gegenteil. Aus ihrem Brief spricht die Sorge, dass bei gemeinsamen Debatten unter einem Dach die unterschiedlichen Meinungen über Europa zu deutlich erkennbar würden. Doch seit den „Nein“-Referenden in den Niederlanden und Frankreich ist es ohnehin klar, dass es in den Mitgliedsländern ganz unterschiedliche Gründe gibt, Europa zu hassen.

Die zweite Sorge ist wohl, das schlechte Image könnte aus Brüssel und Straßburg nach Berlin, Wien und Helsinki überschwappen wie die Vogelgrippe aus Anatolien. Deshalb haben sich die drei Herren unter Ausschluss der Öffentlichkeit für ihre eigene Vogel-Strauß-Taktik entschieden: Sie stecken nicht den Kopf in den Sand, sondern rennen schnell davon. Die Parlamentarier sollten sich diese Bevormundung nicht gefallen lassen. Sonst könnte der Eindruck entstehen, dass in ganz Europa die Vogel-Strauß-Grippe grassiert, in der gefährlichen Variante, die direkt vom Menschen auf den Politiker übertragen wird. DANIELA WEINGÄRTNER

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