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„Hollywood war ein schöner Traum“

REGIE Roland Suso Richter über „Die Spiegel-Affäre“ und das gewollte Chaos in seinem zweiten „Tatort“

Roland Suso Richter

■ Der Mann: 1961 geboren und aufgewachsen in Marburg. Nach dem Abi macht er ein Kamerapraktikum, spielt mit Heiner Lauterbach Theater, jobbt als Aufnahmeleiter, Redakteur und Produktionsleiter. 1983 Regiekurs in New York.

■ Die Filme: 1985 wird sein Spielfilmdebüt „Kolp“ nach Cannes eingeladen. Nach „14 Tage lebenslänglich“ (1997) spezialisiert sich Richter mit Teamworx-Produzent Nico Hofmann auf zeitgeschichtliche Stoffe. Preisgekrönt sind die TV-Produktionen „Die Bubi Scholz Story“, „Der Tunnel“, „Das Wunder von Berlin“ und „Mogadischu“.

INTERVIEW DAVID DENK

sonntaz: Herr Richter, als Jugendlicher hat mir Ihr Knastthriller „14 Tage lebenslänglich“ so gut gefallen, dass ich das Poster an der Wand hängen hatte.

Roland Suso Richter: Ach echt?

Ein harter Thriller aus Deutschland war im Jahr 1997 ein wohltuender Kontrast zu all den Komödien.

Deutschland ist und bleibt ein Komödienland. Aber mich fasziniert es einfach, in die Abgründe von Menschen zu gucken. In „14 Tage lebenslänglich“ hat sich unsere ganze jugendliche Energie gebündelt.

Für die Dreharbeiten zur „Spiegel-Affäre“ sind Sie nun in den Knast zurückgekehrt. Was drehen Sie gerade hier in der ehemaligen JVA Lichterfelde?

Die Verhaftung Rudolf Augsteins, Augstein im Gefängnis, die Verhörsituationen. Aber nicht als Genrestück wie „14 Tage lebenslänglich“, sondern realistisch und ganz pragmatisch.

Was interessiert Sie als Filmemacher an diesem Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte?

Deutsche Geschichte finde ich immer spannend. So viele dramatische Momente und Zeitabschnitte – das ist für einen Filmemacher natürlich ein gefundenes Fressen. Hinzu kommt, dass man die Jahre 1958/59/60, den Aufbruch der Bundesrepublik mit jungen Protagonisten wie Augstein, noch gar nicht oft im Fernsehen gesehen hat.

Sie haben gesagt, dass Sie einen heutigen Film machen wollen. Wie meinen Sie das?

Mein Ziel ist es, dass der Zuschauer die „Spiegel-Affäre“ nicht als historischen Stoff wahrnimmt. Ich erzähle die Geschichte modern, in sehr vielen Kameraeinstellungen und mit hohem Tempo, um zu verhindern, dass der Film in der Geschichte schwelgt oder gar zum Historienschinken wird. Und nachdem ich die ersten Szenen im Schnitt gesehen habe, glaube ich, dass das Konzept aufgeht – nicht zuletzt wegen meiner hervorragenden Schauspieler wie Sebastian Rudolph, David Rott, Max Hopp und Johann von Bülow.

Von Ihnen stammt der schöne Satz: „Jeder Film hat sein Karma.“ Welches hat „Die Spiegel-Affäre“?

Der Film hat sich sehr lange widersetzt, sich der Umsetzung entzogen. Es war sehr schwierig, ihn zu finanzieren.

Die Filmförderungen hatten Berührungsängste?

Warum hat die FFF ihn beispielsweise nicht gefördert? Da muss ja irgendwas passiert sein. Natürlich stecken politische Ängste dahinter. Augsteins Widersacher Franz Josef Strauß ist in Bayern immer noch unantastbar.

Und welches Karma hat Ihr Stuttgarter „Tatort“, der Sonntag läuft?

Ein sehr gutes. Als mir das Buch angeboten wurde, war sofort eine große Lust da, einfach mal einen Actionfilm zu machen, einen richtigen Männerfilm. Es ist mir sogar gelungen, beim SWR Strukturen aufzubrechen und alle ein bisschen aufzuwecken.

Wie das?

Ich wollte in den „Tatort“ ein bisschen Chaos reinbringen, indem ich die Kamera gezwungen habe, immer wieder Dinge zu tun, die nicht vorbereitet, nicht geprobt waren. Wir haben mit extrem langen Brennweiten gearbeitet und dabei jene Unsauberkeiten geradezu gesucht, die sonst eher vermieden werden.

Unsauberkeiten?

Meine Ansage war: Die Kamera sucht sich das Bild. Dadurch entstehen Unsauberkeiten, weil der Kameraassistent nicht genau weiß, wo jetzt die Schärfe liegt: Oh, der verdeckt den, also schwenke ich da mal rüber. Durch diese Unsauberheiten entsteht aber im Schnitt eine andere Lebendigkeit mit mehr Dynamik.

Wie schon das Drehbuch zu „14 Tage lebenslänglich“ stammt auch das zu „Spiel auf Zeit“ von Holger Karsten Schmidt. Mit Detlef Bothe ist auch ein Schauspieler von damals wieder dabei. Wie wichtig ist es Ihnen, bei der Arbeit Vertraute um sich zu haben?

Natürlich erleichtert es die Arbeit, wenn man Leute schon kennt und sie einschätzen kann und bei ihnen ein Ministück Heimat findet. Ich habe aber auch in letzter Zeit die Erfahrung gemacht, wie präzise, entspannt und freudig man auch mit immer wieder neuen Crews zusammenarbeiten kann: Sei es bei meinem Spreewaldkrimi fürs ZDF, bei der „Spiegel-Affäre“, beim Hamburger und auch beim Stuttgarter „Tatort“. Ich musste mir meinen Weg zum Ziel selber suchen, konnte mich nicht drauf verlassen, dass meine Vertrauten das schon richten werden. Und wissen Sie was: Dieser kleine Neustart hat richtig gutgetan.

Sie waren für die Regie der Bestsellerverfilmung „Der Medicus“ vorgesehen, mitproduziert von Ihrem Mentor Nico Hofmann, wurden dann aber durch Philipp Stölzl („Nordwand“) ersetzt.

Und plötzlich stand ich ohne ein Projekt da und musste mich vollkommen neu orientieren.

Also verdanken wir Ihren zweiten „Tatort“ diesem Rückschlag?

Ja. Dadurch, dass ich mit Teamworx und Nico einen klaren gemeinsamen Weg hatte, war an einen „Tatort“ lange nicht zu denken. Es standen immer andere, größere Projekte da und wollten realisiert werden.

Mit Hofmann haben Sie etwa „Dresden“ realisiert und „Mogadischu“. Geht Ihr gemeinsamer Weg weiter?

Ja, aber er ist mal kurz ins Stocken geraten. Als der „Medicus“ wegbrach, waren jedoch alle anderen Teamworx-Projekte schon vergeben.

Mit großen internationalen Produktionen haben Sie nicht wirklich Glück, oder? Sie haben 2003 den Thriller „The I Inside“ in Hollywood gedreht, danach aber nie wieder dort.

Ich habe damit abgeschlossen. Hollywood war ein schöner Traum. Wer da Karriere machen will, muss aber richtig rübergehen und einen extrem langen Atem haben. Bis du mal an ein richtig gutes Buch gerätst, vergehen Jahre. Und als Regisseur bist du immer nur so gut wie deine Bücher. Aus B-Ware könnte auch ein Spielberg kein A machen. Da sind meine Arbeitsbedingungen hier in Deutschland wesentlich komfortabler.

War ein Teil des Reizes am „Tatort“ auch, mal Pause von deutscher Geschichte zu machen?

Ja, klar. Es bedeutet eine große Freiheit, wenn du nicht immer darauf achten musst, ob die Ausstattung stimmt und mit der Kamera auch mal spontan nach rechts schwenken kannst und alles passt.

Können Sie die Kritik der Medienseiten an Teamworx-Eventfilmen, von denen Sie ja viele inszeniert haben, eigentlich nachvollziehen?

Zum Teil kann ich das verstehen. Natürlich kann man dem einen oder anderen Film eine Tendenz dazu vorwerfen. Als Regisseur kann ich aber nicht an allen Strellschrauben gleichermaßen drehen.

Tendenz wozu? Geschichtskitsch?

Nennen wir es: Emotion.

Die obligatorische Liebesgeschichte etwa.

Wenn der Sender sagt, er will das so, kann ich schlecht sagen: Wir brauchen das nicht. Vielleicht wäre es auch möglich gewesen, „Dresden“ ohne Liebesgeschichte zu erzählen, aber dann hätte man genau gucken müssen: Wie wird die Geschichte stattdessen erzählt? An irgendeiner Figur muss man die Geschichte ja festmachen. Damals wurde das eben so gelöst. Fertig. Aus.

Mit „Unsere Mütter, unsere Väter“ hat sich Hofmann von diesem Strickmuster verabschiedet. Hat Sie das gefreut?

Ich fand es interessant, weil wir oft darüber diskutiert haben. Im Nachhinein ist es natürlich schade, dass ich das Melodram nicht auch schon bei früheren gemeinsamen Projekten ein bisschen reduzieren konnte. Aber bald gibt’s ja neue Projekte und damit neue Möglichkeiten des Erzählens.

Überschätzt man den Einfluss des Regisseurs?

In der Umsetzung kann ich als Regisseur sehr, sehr viel gestalten. Wenn ich allerdings nicht in den Drehbuchprozess eingebunden bin, erst später zu dem Projekt stoße, ist mein Einfluss auf die Geschichte natürlich sehr begrenzt. Ohnehin reden immer sehr viele Leute mit: der Produzent, die Redaktion, der Autor. Da bin ich als Regisseur einer von vielen.

Warum haben Sie noch nie ein eigenes Buch verfilmt?

Weil meine frühen Versuche in einer Katastrophe endeten, was daran lag, dass ich meiner eigenen Arbeit gegenüber zu kritisch war und ständig alles hinterfragt habe. Jetzt habe ich einfach mal drauflosgeschrieben, einen Science-Fiction-Stoff, den ich in ein, zwei, drei Jahren produzieren möchte – und siehe da, es hat super geklappt und zum ersten Mal richtig Spaß gemacht.

Ist es ein Kompliment oder eine Beleidigung, wenn man Sie „einen der besten Handwerker des deutschen Kinos“ nennt?

Ich würde es eher als Kompliment sehen. Handwerk ist ja nichts Schlechtes.

Spricht man Ihnen damit nicht ab, künstlerisch zu arbeiten?

Das klingt so. Aber wenn der Film überzeugt, ist es mir doch egal, ob ich jetzt gutes Handwerk gemacht habe oder Kunst. Dass etwa „Mogadischu“ als Film so gut funktioniert, hat natürlich was mit Handwerk zu tun, aber auch mit meiner Energie, die ich in den Film gesteckt habe, um die Leute dahin zu bringen, wo ich sie haben wollte, um eine zielführende Strategie. Die Entscheidung, in einem echten Flugzeug bei 40 Grad chronologisch zu drehen, ist für mich beides: handwerklich und künstlerisch.

Angesichts Ihrer zahlreichen Filme überrascht, wie selten Sie interviewt und porträtiert wurden. Woran liegt das?

Ich bin zurückhaltend. Punkt. Ich möchte meine Arbeit gut machen, ich liebe meinen Beruf. Ich finde es toll, mit Menschen zu arbeiten und die Möglichkeit zu haben, so spielerisch, kreativ mit Technik, Leben und Geschichten umzugehen. Ich lege keinen Wert darauf, auf dem roten Teppich in der ersten Reihe zu stehen.

Mögen Sie auch deshalb die Zusammenarbeit mit Hofmann?

Nico erfüllt einen Teil, den ich nicht so liebe, dieses Frontman-Ding. Ich bin zurückhaltend – im Leben wie in meinen Filmen. Ich stehe nicht gern vorne und schreie laut: Mein Name ist Roland Suso Richter und ich bin ein geiler Typ.

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