: Gerichtstest für den G-8-Gipfel
Ein Stockholmer Gericht verurteilt zwei Berliner Antifas zu Haftstrafen. Ihr Anwalt beurteilt das Verfahren positiv – auch im Hinblick auf ähnliche Prozesse im nächsten Jahr
Nur per Telefon erfuhr Rechtsanwalt Martin Henselmann von der Verurteilung seiner beiden Mandanten: Der schwedische Rechtsanwalt Lars Runberg teilte ihm am vergangenen Freitag mit, dass die beiden Berliner Antifas Fabian und Patrick zu einem beziehungsweise zwei Monaten Haft wegen Landfriedensbruch verurteilt worden sind. Beide waren am 10. Dezember 2005 nach einer Demonstration mit Sachschäden in Stockholm festgenommen worden und saßen knapp einen Monat in Untersuchungshaft, bevor sie zu Beginn des Prozesses vor zwei Wochen freigelassen wurden. Dennoch beurteilt Henselmann den Ablauf des Verfahrens weitgehend positiv – auch im Hinblick auf mögliche ähnliche Gerichtsprozesse in Deutschland im kommenden Jahr, wenn im Mai in Heiligendamm bei Rostock der G-8-Gipfel stattfindet.
Die rasch gegründete Soligruppe für die Antifas in Berlin hatte zunächst befürchtet, dass überhaupt keine auswärtigen Juristen zugelassen würden. Solche Erfahrungen gab es nach den Protesten gegen den EU-Gipfel im Sommer 2001 in Göteborg. Viele der damals Verhafteten aus unterschiedlichen Ländern mussten auf einen Anwalt ihrer Wahl verzichten. Deshalb war Henselmann positiv überrascht, dass seine Zulassung als Verteidiger eines der Angeklagten problemlos klappte – selbst wenn er vor Gericht nur den Status eines Assistenten des schwedischen Pflichtverteidigers hatte.
Auch in der Prozessführung sah Henselmann manche gegenüber dem deutschen Strafrecht positive Elemente. Dazu gehört die Tonbandaufnahme sämtlicher Aussagen während des Verfahrens. Ein oft zeit- und nervenaufreibender Streit zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung über die Korrektheit der Protokolle erübrigt sich daher.
Zudem konnten die Angeklagten ihre politische Motivation in das Verfahren einbringen. So habe man deutlich machen können, dass die beiden am 10. Dezember nicht nach Stockholm gekommen waren, um Gewalt auszuüben, sondern um gegen Neonazis zu protestieren.
Trotz der positiven Erfahrungen sei das Urteil gegen seinen Mandanten nicht nachzuvollziehen. Man werde in Berufung gehen, so Henselmann. Fabian wurde zu einem Monat Gefängnis verurteilt, weil er an einer Demo teilgenommen hat, von der aus vereinzelt Gewalt ausging. Die Polizeizeugen bestätigten, dass er sich an Ausschreitungen nicht beteiligt habe. Nur die Tatsache, dass er die Demonstration nicht verlassen habe, als einzelne Teilnehmer Steine oder Flaschen warfen, war die Grundlage für seine Verurteilung.
Zum G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm werden DemonstrantInnen aus ganz Europa erwartet. Auf den ersten Vorbereitungstreffen haben sich AktivistInnen über dem Aufbau eines europaweiten „Legalteams“, an dem sich Rechtshilfegruppen und JuristInnen beteiligen, Gedanken gemacht. „Das fängt bei der Visafrage an und geht bis zur Betreuung bei Festnahmen“, so eine Aktivistin. PETER NOWAK
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