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Proteste gegen Conti-Schließung

30.000 Conti-Beschäftigte wehrten sich gegen das Ende der Pkw-Reifenherstellung in Hannover-Stöcken

HANNOVER taz ■ 30.000 Conti-Beschäftigte haben gestern an allen 26 deutschen Standorten des Börsenwunders Continental protestiert, wie die Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie (IG BCE) meldete. Später demonstrierten auch noch 3.000 Reifenwerker vor der Conti-Zentrale in Hannover.

Auslöser der Proteste: Die Pkw-Reifenproduktion am hochprofitablen Standort Hannover-Stöcken soll bis Ende 2006 geschlossen werden. Damit verstößt der Conti-Vorstand gegen eine Betriebsvereinbarung, die erst im Mai vergangenen Jahres abgeschlossen wurde und die die 320 Arbeitsplätze zumindest bis Ende 2007 sichern sollte. Im Gegenzug hatten die Beschäftigten einer nicht vergüteten Arbeitszeitverlängerung von 37,5 auf 40 Wochenstunden zugestimmt. Diese Betriebsvereinbarung hatte der Conti-Vorstand im November einseitig gekündigt. Begründung des Unternehmens: Bei den Pkw-Reifen gäbe es Überkapazitäten.

Die Conti-Beschäftigten gehören zu etwa 60 Prozent der IG BCE an und zu 40 Prozent der IG Metall. Mittlerweile ist sogar von Streikvorbereitungen in Hannover-Stöcken die Rede; damit schlagen die Funktionäre der eigentlich stets sozialpartnerschaftlichen IG BCE ganz ungewohnte Töne an. Heute werden allerdings zunächst die Verhandlungen zwischen Unternehmen, Gewerkschaft und Conti-Betriebsräten fortgesetzt. Zuletzt hatte die IG BCE auf der Sicherung aller 320 Arbeitsplätze bis Ende 2007 beharrt, das Unternehmen hatte angeboten, die Produktion schrittweise herunterzufahren und sie nicht schon Ende 2006, sondern erst Mitte 2007 einzustellen.

Wie Untersuchungen zeigen, ist es zwar nicht die Regel, kommt aber häufiger vor, dass Unternehmen die Betriebsvereinbarungen einseitig aufkündigen. So hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut des DGB 2.000 Betriebsräte befragt, die Betriebsvereinbarungen abgeschlossen hatten. 9 Prozent gaben an, dass ihre Arbeitgeber die Zusagen nicht oder nur teilweise eingehalten hätten. WSI-Arbeitsmarktexperte Hartmut Seifert spricht zudem vom Funktionswandel bei den Vereinbarungen. Sie würden keineswegs nur von Betrieben in den roten Zahlen abgeschlossen, um Arbeitsplätze zu sichern. Auch florierende Unternehmen würden diese Möglichkeit zunehmend nutzen. „Aus der Notfall- oder Rettungsklausel wird immer mehr ein normales Instrument, um die Rendite zu steigern.“ JÜRGEN VOGES

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