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Die Frau spielt keine Rolle

EL SALVADOR Das Verfassungsgericht verbietet einer schwerkranken Frau die Abtreibung, obwohl ihr Fötus nur wenige Tage überleben wird

Zwei bis acht Jahre Gefängnis drohen bei Abtreibung den Ärzten und der Schwangeren

AUS SAN SALVADOR TONI KEPPELER

Eine schwerkranke 22-jährige Schwangere soll ihr Kind austragen, obwohl sie die Schwangerschaft nach Einschätzung ihrer Ärzte möglicherweise nicht überleben wird. Auch ihr Kind wird spätestens ein paar Tage nach der Geburt sterben: Der Fötus wächst mit einem schweren Gehirnschaden heran. Trotzdem hat das Verfassungsgericht von El Salvador am Mittwoch entschieden: Eine Ausnahme vom absoluten Abtreibungsverbot wird – zumindest derzeit – nicht gestattet. Es bestehe keine unmittelbare Gefahr für das Leben der jungen Frau, urteilten vier der fünf Richter in einer Mehrheitsentscheidung. Die Möglichkeit ihres Todes liege vielmehr noch in der Zukunft. Die Frau ist im sechsten Monat schwanger.

Die 22-jährige Beatriz – ihr Nachname wird zu ihrem Schutz geheim gehalten – hat bereits eine Risikoschwangerschaft hinter sich. Ihr heute einjähriger Sohn wurde mit einen Notkaiserschnitt zu früh zur Welt gebracht und ist heute leicht geistig behindert. „Ich will nicht sterben“, sagte Beatriz in einem Telefoninterview aus dem Krankenhaus. „Ich muss mich um meinen Jungen kümmern.“ Sie leidet an chronischem Nierenversagen und an Lupus, einer Autoimmunerkrankung, die als Hautflechte beginnt, in schweren Fällen aber auch Herz, Lungen, Nieren und Gehirn befällt und zum Kollaps dieser Organe führen kann. Bei ihrem Fötus wurde Anenzephalie diagnostiziert: Das Kind wird nahezu ohne Gehirn zur Welt kommen und spätestens nach ein paar Tagen sterben. Die Ärzte sprechen von einer „Hochrisikoschwangerschaft“.

Da Abtreibungen in El Salvador ausnahmslos verboten sind, haben Beatriz’ Anwälte beim Verfassungsgericht darum ersucht, in diesem Fall von einer Strafe abzusehen. Nach dem Gesetz müssen abtreibende Frauen und die Ärzte, die den Eingriff vornehmen, für zwei bis acht Jahre ins Gefängnis. Die Anwälte argumentieren mit dem Verfassungsgebot, nach dem der Schutz des Lebens Vorrang haben muss. Die Richter aber sehen keinen Handlungsbedarf.

Der Fall bewegt die salvadorianische Öffentlichkeit seit Wochen. Gesundheitsministerin María Isabel Rodríguez, selbst Ärztin, hat öffentlich eine Ausnahmeregelung für Beatriz verlangt. Auch Amnesty International und eine Gruppe von Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen haben sich für Beatriz eingesetzt. Nur die Bischofskonferenz der katholischen Kirche schrieb in einer Erklärung: „Der Fall sollte nicht benutzt werden, um gegen das menschliche Leben zu urteilen.“ Die Bischöfe meinen damit den Fötus, nicht die schwangere Frau.

Der Einfluss der katholischen Kirche hat Lateinamerika lange zu einem düsteren Kontinent gemacht, was das Recht der Frauen auf ihren eigenen Körper angeht. Erst in den vergangenen Jahren wurden Abtreibungsverbote gelockert. In Mexiko und Uruguay haben Frauen heute das Recht, in den ersten drei Monaten einer Schwangerschaft abzutreiben. Kolumbien, Argentinien und Brasilien haben immerhin Ausnahmeregelungen eingeführt. Ein absolutes Abtreibungsverbot gilt außer in El Salvador noch in Nicaragua und Chile.

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