: Der Rehbraten stinkt schon lange
Ermittler entdecken beim bayerischen Wildfleischproduzenten Unappetitliches wie blutverschmierte Türen. Warum Tierärzte, die täglich kontrollierten, die Mängel nicht früher meldeten, ist unklar. Bayern will mit Spezialtrupps gegen Betrüger vorgehen
AUS MÜNCHEN KLAUS WITTMANN
Der bayerische Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf (CSU) will Fleischbetrügern künftig mit einer mobilen Spezialeinheit das Handwerk legen. Das Einsatzteam soll aus Juristen und Veterinären bestehen. Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit wird dann für sie verantwortlich sein. Der Anlass: Im niederbayerischen Passau gibt es einen neuen Fleischskandal. Der größte Wildhändler Europas, die Berger Wild GmbH, soll verdorbenes Fleisch in Umlauf gebracht haben.
Zwölf Tiefkühlprodukte und sechs Frischfleischproben stuften die Behörden bereits als „nicht geeignet für den menschlichen Verzehr ein“. Noch ist allerdings unklar, wie viel der Wildfleischprodukte in den Handel gelangt sind. Auf jeden Fall wurde auch nach Hessen und Baden-Württemberg altes Fleisch geliefert. Es sei viel zu spät reagiert worden, kritisierten die Grünen und die SPD im bayerischen Landtag. Seit Jahren sei bekannt, dass es bei Berger nicht mit rechten Dingen zugehe.
Tatsächlich fiel der Skandal um die Wildprodukte erst durch ein anderes Verfahren gegen die Berger-Geschäftsführung auf. Berger soll Sozialbeiträge für ungarische Beschäftigte nicht korrekt abgeführt haben. Bei den Untersuchungen deckten die Fahnder plötzlich auch eklatante Produktionsmängel auf: Türen des Betriebes waren mit Blut beschmiert, und tierische Abfälle verdreckten den Boden. Berger-Fleisch soll ungenießbar gewesen sein. In einer Probe wurden Salmonellen entdeckt.
Eigentlich kontrollierten täglich zwei Tierärzte die Fleischverarbeitung. Wie überall üblich waren sie von der Kreisbehörde beauftragt. Warum sie die Mängel nicht gemeldet haben, ist bislang ungewiss. Gestern wurden sie vom Dienst suspendiert.
Verbraucherschutzminister Schnappauf gibt sich nun als schonungsloser Aufklärer: Gäbe es „Filz“ innerhalb der Kontrollorgane, würde dieser „rückhaltlos aufgeklärt.“ Seine Idee: Die amtlichen Fleischbeschauer sollen spätestens nach drei Jahren die Betriebe wechseln. Bislang funktioniert die Fleischbeschau so: Die Kreisbehörden bestimmen, welcher Tierarzt welchen Schlachthof kontrolliert. Allerdings bleibt ein Veterinär meistens jahrelang für denselben Betrieb zuständig.
Wildhändler Berger ist bei den deutschen Wildzüchtern kein Unbekannter. Er sei schon vor Jahren durch zweifelhafte Geschäftspraktiken aufgefallen, erklärte jetzt ihr Verband. Hirsche oder Rehe, die in Deutschland gezüchtet wurden, seien damals viel zu billig verkauft worden, nämlich zu 60 Prozent unter dem Marktpreis.
Mancher zweifelt, dass die von Schnappauf angekündigten Maßnahmen gegen Fleischtrickser helfen. Allenfalls werde an der Oberfläche gekratzt, sagte ein Fahnder der taz. Namentlich möchte er allerdings nicht genannt werden. „In jeder Gaststätte gibt es Rehrücken und Hirschgulasch. Wo soll das Fleisch denn herkommen?“
Er selbst habe schon betrügerische Wildhändler überführt, die Tonnen von Antilopenfleisch nach Deutschland eingeführt und zu deutschem Wildfleisch umdeklariert hätten. Auch aus China würden Mengen an Schweinefleisch, Geflügel und Wild illegal eingeführt. „Mit einem modernen Kopierer machen Sie doch so perfekte Papiere, dass sogar ein Gutachter das kaum mehr feststellen könnte.“ Der Verbraucher könne sich nicht darauf verlassen, das im Hirschbraten Hirsch stecke.
Um der Betrügereien Herr zu werden, sollten aus Sicht des Fahnders „V-Leute in die Szene eingeschleust werden“. Zudem müssten die Behörden versuchen, Informanten aus der Branche zu bekommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen