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Stauraum für Ostfriesen

Eine Fußgängerbrücke mit Wohnungen über die Weser? Oder doch nur 5.000 neue Parkplätze auf dem Stadtwerder? Anwohner, Beiräte und Kleingärtner sind von der „Idee“ des sportpolitischen Sprechers der CDU-Fraktion wenig angetan

Bremen taz ■ Er redet von einer Brücke, einer bebauten, von einer herausragenden architektonischen Attraktion – und meint doch nur einen dicken Parkplatz für Fußball-Fans aus Ostfriesland, planiert im Kleingartengebiet auf dem Stadtwerder. 5.000 Autos, so visionierte der sportpolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Hans-Georg Gerling, am Wochenende, könnten künftig vis-à-vis dem Weser-Stadions parken, die Fans von dort zum Stadion laufen. Ein befreundeter Bauunternehmer, so Gerling, würde dort kostenlos eine Brücke bauen – wenn er darauf Wohnungen errichten dürfte.

„Ich habe bloß gelacht“, sagt Katrin Schubert. Sie ist die Vorsitzende des Kleingartenvereins Werder e.V. 480 Parzellen zwischen Sportschule und Weser verwaltet sie, 20 Hektar Grün, genau gegenüber dem Stadion gelegen. Genau dort, wo Gerling gerne Parkplätze planieren würde. „Unausweichlich“ sei das, betont er, „für eine größere Sache“, und dass von den Gärten ja auch nicht mehr alle verpachtet seien. Schuberts Parzellen kann er nicht gemeint haben. Die nämlich, unterstreicht Schubert, sind „alle belegt“: „Ich habe 15 Leute auf der Warteliste.“ Und Hans-Ulrich Helms, Vorsitzender des Landesverbands der Gartenfreunde, kündigte für den Fall, dass jemand Gerlings Idee ernsthaft weiterverfolgen wolle, schon mal „massiven Gegendruck“ an. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bevölkerung sehr erbaut ist, wenn plötzlich 5.000 Parkplätze mitten in die grüne Lunge gebaut werden sollen“, sagt er.

Ganz taufrisch ist der Plan von Gerling nicht. Schon einmal trat der CDUler damit nach vorn – ohne großen Widerhall. Er habe das laufende Moderationsverfahren zur weiteren Entwicklung der Pauliner Marsch nicht stören wollen, begründet Gerling: „Ich habe mich zurückgehalten“ – zwei Jahre lang.

Damit ist nun Schluss. Der Vertrag, den die CDU-Senatoren Thomas Röwekamp (Sport), Jens Eckhoff (Bau/Umwelt) und Jörg Kastendiek (Wirtschaft) vor fast einem Jahr gemeinsam mit den AnwohnerInnen und ortsansässigen Vereinen unterzeichnet haben, ist Gerling ein Dorn im Auge. Der nämlich schreibt eine „Begrenzung des motorisierten Individualverkehrs“ in der Pauliner Marsch und eine „Reduzierung der Belastungen durch den ruhenden Verkehr“ vor. Eine Kommission soll über die Einhaltung des gemeinsam formulierten Leitbildes wachen.

Gerling sieht darin eine Gefahr für den von Werder gewünschten Ausbau des Weser-Stadions. Ein Parkplatz am anderen Weserufer, argumentiert der Parlamentarier, „würde den Osterdeich befrieden“. Und nebenbei entfiele der Zwang, sich immer mit den AnwohnerInnen abzustimmen. „Dann würden wir auch Ruhe bekommen im Moderationsverfahren.“

Udo Wirtz, Vertreter der Stadion-Anwohner, geißelte Gerlings Überlegungen indes als „Schwachsinn hoch drei“. Wer die Verkehrsproblematik entschärfen wolle, müsse das Park&Ride-System ausbauen und den Transport mit Bus und Bahn zum Stadion verbessern. Auch eine Brücke über die Weser, unterstreicht er darüber hinaus, würde bauliche Eingriffe in die Marsch nötig machen – was die AnwohnerInnen dank ihrer im Grundbuch eingetragenen Rechte verhindern könnten. Von einer Wohnbebauung sei bei allen bisherigen Abmachungen keine Rede gewesen. Und städtebaulich mache eine Wohnbrücke vielleicht in der Innenstadt, nicht aber am Stadion Sinn. Gerlings Projekt würde man daher „auf keinen Fall zustimmen“.

Die Sprecherin des Beirats Neustadt, Susanne Martens (SPD), hält Gerlings Vorschlag gar für „abwegig“. Die einzige Zufahrt zum Stadtwerder gehe schließlich von der Wilhelm-Kaisen-Brücke ab – und sei heute schon ausgelastet. Verkehr vom Osterdeich in die Neustadt zu verlagern, mache keinen Sinn.

Selbst der baupolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Dieter Focke, ging auf Distanz. Der Vorschlag seines Fraktionskollegen, betonte er, sei „überhaupt nicht abgesprochen“. Armin Simon

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