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Bagis beschäftigt Ärzte

Starker Anstieg ärztlicher Begutachtungen von Erwerbslosen

Bremen taz ■ Zur „Entlastung“ des Arbeitsmarktes wird offenbar in zunehmendem Maße versucht, Hartz-IV-Bezieher als „vollständig erwerbsunfähig“ einzustufen – so der Tenor einer Veranstaltung der Ärztekammer Bremen am Montagabend. Der Leiter des Sozialmedizinischen Dienstes, Thomas Hilbert, sprach von „reflexartigen“ Gutachteraufträgen, sobald Kunden der für Hartz-IV-Bezieher zuständigen BAGIS (Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales) über Gesundheitsprobleme berichten. Seit Einführung von Hartz IV im Januar 2005 hat es in Bremen einen massiven Zuwachs ärztlicher Begutachtungen von Erwerbslosen gegeben.

Ein Vertreter der Sozialberatungsstelle „Solidarische Hilfe“ äußerte sich gegenüber der taz ähnlich. Häufig erfolge die Einstufung als „dauerhaft erwerbsunfähig“ gar gegen den Willen der Betroffenen. Hintergrund sei wohl, dass die BAGIS dem Bund unterstehe. Der ist von der Zahlungspflicht für dauerhaft Erwerbsunfähige befreit: Für diese müssen Krankenkassen, Rentenversicherungsträger und Kommunen aufkommen.

Umgekehrt würden Personen, die eine zugewiesene Arbeit aus akuten gesundheitlichen Gründen ablehnten, ebenfalls oft zur ärztlichen Begutachtung geschickt. Dies geschehe, um sie zur Annahme eines Arbeitsplatzes zu zwingen, so die „Solidarische Hilfe“. Hilbert beklagte, die Interessen der Leistungsträger würden zunehmend in die ärztlichen Begutachtungen hineinwirken. Entscheidend seien immer öfter finanzielle Fragen, das Wohl der Betroffenen sei hingegen zweitrangig. cja

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