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Hamas-Regierung nimmt langsam Form an

Israel greift zur bewährten Reaktion: die palästinensischen Behörden behindern und in den Bankrott treiben

JERUSALEM taz ■ Die neuen palästinensischen Abgeordneten können sich gleich an die Situation gewöhnen, die ab Sonntag den palästinensischen Alltag mit ausmachen wird. Die Politiker aus dem Gaza-Streifen müssen per technische Mittel miteinander kommunizieren, in diesem Fall via Videoschaltung, denn die Verbindung zwischen dem Gaza-Streifen und dem Westjordanland ist auch für die hohen Beamten vorerst unterbrochen. Die Reiseblockade ist Teil der „neuen Spielregeln“, die die israelische Regierung für den Beginn der Hamas-Ära in den Palästinensergebieten ankündigte.

Mindestens so schmerzlich dürfte für die Palästinenser die Einfrierung der Zoll- und Steuergelder sein, die Israel für die Palästinensische Autonomiebehörde kassiert. Erwogen wird zudem ein Einreiseverbot für mehrere zigtausend palästinensische Arbeitnehmer. Ginge es nach Dov Weissglas, Sonderberater des israelischen Premierministers, würde die Daumenschraube schrittweise weiter angezogen werden, sollten die bereits kurz nach dem Wahlsieg der Hamas bezeichneten drei Forderungen – Gewaltverzicht, Anerkennung Israels und Respektieren aller bisheriger Abkommen – nicht erfüllt werden, womit ohnehin niemand ernsthaft rechnet.

Mit derartigen Maßnahmen dürfte es nicht allzu lange dauern, die Palästinensische Autonomiebehörde in den Bankrott zu treiben, was offensichtlich das Ziel der israelischen Regierung ist. Es sei denn, die neue Palästinenserführung findet rasch andere Geldgeber mit anderen Konditionen. So würde der Iran, der bereits finanzielle Unterstützung signalisiert hat, die Hamas zweifellos zu einem Festhalten an ihrer ursprünglichen Ideologie einer Fortsetzung des Kampfes zur Befreiung von ganz Palästina anhalten.

Dass sich die Hamas vom Westen nicht unter Druck setzen lässt, beweist die Ernennung von Ismail Hanija, Hamas-Spitzenkandidat aus dem Gaza-Streifen, für den Posten des Premierministers. Sobald er von Abbas mit der Bildung des Kabinetts beauftragt wird, hat er maximal fünf Wochen Zeit, die künftigen Minister zu nominieren. Auch für den Posten des Parlamentssprechers wählte die Hamas einen Politiker aus den eigenen Reihen, Asis Dweik aus Hebron.

Während Israel, die USA und die EU unverändert an ihren Vorbedingungen für Verhandlungen und finanzielle Zuwendungen festhalten, wird die Hamas andernorts doch zunehmend gesellschaftsfähig. Politchef Chaled Maschal reiste am Donnerstag nach Ankara, wo er mit dem türkischen Außenminister Abdullah Gül zusammentraf. Das kam für Israel überraschend. Auch Jordanien nahm wieder Tuchfühlung mit dem Mann auf, den das Königreich vor sieben Jahren des Landes verwies. Anfang März steht zudem ein Besuch Chaled Maschals in Moskau an. SUSANNE KNAUL

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