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Lieber digital als rechtsradikal

Rechtsextreme Tendenzen finden unter Berufsschülern Verbreitung. Nordrhein-Westfalens Gewerkschaften wollen gegensteuern – und schieben Aufklärung im Internet per Wettbewerb an

VON HOLGER PAULER

Mit der Kampagne „Mach meinen Kumpel nicht an“ will der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die antirassistische Arbeit an Berufskollegs fördern. Der Wettbewerb „Im Netz gegen rechts“ soll jetzt bundesweit ausgeschrieben werden – Berufsschulen und Ausbildungsbetriebe in Nordrhein-Westfalen waren schon im vergangenen Jahr aufgefordert, Online-Materialien gegen Rechtsextremismus und Rassismus und für Gleichberechtigung von Migranten in der Arbeitswelt zu entwerfen. Doch der Rücklauf war bescheiden: 358 Institutionen wurden angeschrieben, nur 20 sandten Vorschläge und Materialien ein.

Das Projekt soll deshalb in diesem Jahr erweitert werden. „Im Netz gegen Rechts – Arbeitswelt aktiv“ wird mit Bundesmitteln gefördert. Unterstützung kommt vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützt ebenso wie vom Landschaftsverband Rheinland (LVR). „Wir erhoffen uns durch die bundesweite Ausschreibung einen weiteren Schub“, sagt Hans-Peter Killguss, verantwortlicher Bildungsreferent im DGB. Der Schwerpunkt werde aber weiter in NRW als größtem Bundesland liegen.

Im vergangenen Jahr wurden drei Schulen ausgezeichnet. Den ersten Preis bekamen Schüler der Kaufmännischen Schule in Düren für ihr Projekt „Lieber solidarisch als solide arisch“. Es folgten das Berufskolleg für Technik in Moers und die Berufsschule Vera Beckers in Krefeld. Die Dürener Schüler veröffentlichten auf ihrer Internetseite eine Umfrage, die sie in der Dürener Innenstadt durchführten. Ziel war es, das Wissen und die Einstellung der Bevölkerung zu rechtsextremen Inhalten herauszufinden. Sie trafen auf Gleichgültigkeit, Unwissenheit und Vorurteile: „Meistens haben sie eine Glatze.“ Eine ernüchternde Bilanz.

„Das Projekt dieser Schule war eine Ausnahme“, sagt DGB-Referent Killguss. Denn auch und vor allem an Berufsschulen und Kollegs sei ein gewisse Gleichgültigkeit zu erkennen: „Nicht schon wieder“ oder „irgendwann muss doch Schluss sein“ sei eine durchaus verbreitete Einstellung der Schüler. „Auch das Wissen über die NS-Zeit und über aktuelle Bestrebungen wird immer weniger“, so Killguss. Eine Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF ergab im vergangenen Jahr, dass nur jeder zweite Deutsche unter 24 Jahren den Begriff „Holocaust“ mit dem millionenfachen Mord an Europas Juden in Verbindung bringen könne.

„An allgemein bildenden Schulen gibt es Angebote zu den Themen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, an Berufsschulen und in Ausbildungsbetrieben nicht“, klagt auch Holger Menz, Vorsitzender der Initiative „Mach meinen Kumpel nicht an. In den 1980er Jahren gegründet, ist Aufklärung immer noch notwendig: 36 Prozent der Deutschen sind der Meinung, man soll in Deutschland lebende Ausländer wieder zurückschicken, wenn die Arbeitsplätze knapp werden. Und eine Studie von Infratest/dimap besagt, dass bei jungen Gewerkschaftsmitgliedern in der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen 32 Prozent dazu neigen, rechtsextrem zu wählen – unter allen gleichaltrigen Befragten sind es dagegen nur 17 Prozent. Ähnlich sieht es in immer mehr Berufsschulen aus. Dennoch werde in den Berufskollegs an ein bis zwei Mal wöchentlich vor allem Fachwissen vermittelt, so Killguss: „In der knappen Zeit ist es schon schwierig, an die Schüler heran zu kommen.“

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