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Deutsch-amerikanische Freundschaft

HAUSBESUCH Merkels Europakurs ist ihnen zu deutsch-nationalistisch. Bei Heather und Michael Bergfeld in Erftstadt

VON PASCAL BEUCKER (TEXT) UND JÖRN NEUMANN (FOTOS)

Erftstadt, Stadtteil Lechenich, rund 20 Kilometer westlich von Köln. Zu Hause bei Heather Elizabeth (55) und Michael (57) Bergfeld.

Draußen: Ein zweigeschossiges Reiheneckhaus mit von Grünzeug umwucherter Eingangstür. In der Einfahrt ein schwarzer Golf und ein silberner Mercedes-Kombi. In der Garage Fahrräder und ein Kanu. Heather: „Wir sind leidenschaftliche Kanu-Fahrer.“ Großer Garten mit Durchgang zu einem öffentlichen Kinderspielplatz. Michael: „Für unsere Kinder war das ideal.“

Drin: Malerei ist Heathers große Leidenschaft, in der ganzen Wohnung hängen ihre Bilder. Wenige Bücher im Wohn-, desto mehr im geräumigen Schlafzimmer: viel Ökonomie, viel Religiöses, viel Kunst. In den Kinderzimmern herrscht auch nach dem Auszug von Kenneth (23) und Mark (26) das liebenswerte Chaos linksbewegter Jugendzeiten. In ihren Bücherregalen unter anderem Wolfgang Kraushaar: „1968. Das Jahr, das alles verändert hat“. Die zurückgelassenen CDs weisen auf Punk und Ska als präferierte Musikrichtungen. „Gut, das ist auch Musik“, sagt Michael. „Ich höre eigentlich Country.“ Heather am liebsten Klassik.

Wer macht was? Heather arbeitet als Zahnärztin: „Ich wollte nie etwas anderes sein.“ Michael macht „hochbezahlte Zeitarbeiterjobs“ im Bereich Interimsmanagement. Ansonsten kümmern sie sich um die Thomas-Cosmades-Stiftung, die nach Heathers verstorbenem Vater, einem baptistischen Missionar, benannt ist. Zweck der gemeinnützigen Stiftung ist die „Verkündigung des Evangeliums durch Literaturarbeit, Diakonie und finanzielle Unterstützung von Projekten“, beispielsweise ein Kinderheim in Indien oder eine Computerschule auf den Philippinen.

Wer denkt was? Heather: „Ich würde sofort die doppelte Staatsbürgerschaft beantragen, wenn das ginge.“ Es ärgert sie, dass sie ihre US-amerikanische für die deutsche aufgeben müsste. Das will sie nicht, „weil das auch irgendwo meine Wurzeln sind“. So bleibt Heather auch nach vierzig Jahren formal weiterhin Ausländerin, durfte noch kein einziges Mal hier wählen. Michael: „Sie hat dasselbe Problem wie viele Menschen aus der Türkei.“

Heather: Geboren in Grangeville im US-Bundesstaat Idaho. Ihr Vater: ein in Istanbul geborener Grieche. Ihre Mutter hat dänische Wurzeln. Mit zwei Jahren zog Heather mit ihrer Familie nach Griechenland, nach dem Obristenputsch 1968 nach Deutschland. Abitur in Siegen, dann Stewardess bei der Lufthansa, schließlich Zahnmedizin-Studium in Bonn. Inzwischen hat sie eine eigene Praxis in Erftstadt.

Michael: Geboren in Wetzlar, Studium der Wirtschaftswissenschaften in Gießen, Abschluss als Diplom-Ökonom. Arbeit im kaufmännischen Bereich im internationalen Anlagenbau: „Zwölf Jahre lang bin ich am Montag weggefahren und am Freitag erst nach Hause gekommen.“ Um wieder mehr Zeit mit seiner Frau zu verbringen, machte er sich 2009 im Interimsmanagement selbstständig.

Die Kinder: Auf die sind beide mächtig stolz. Kenneth studiert Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf. Die von ihm ins Leben gerufene Lesegruppe liest gerade „Das Kapital“. Mark lebt in Großbritannien, sorgte 2010 als einer der Sprecher der dortigen Studentenbewegung gegen Studiengebühren international für Schlagzeilen. Nach seinem Master in Soziologie an der Universität Essex geht Mark jetzt die Promotion an – und ist weiter als linker Aktivist unterwegs.

Das erste Date: Kennengelernt haben sie sich 1973 auf einer Veranstaltung für türkische „Gastarbeiter“ von Michaels evangelischer Kirchengemeinde in Wetzlar. Heathers Vater, der auch Türkisch sprach, war als Redner eingeladen – und brachte seine Tochter mit. Michael: „So fing eigentlich unsere Beziehung an.“ Er war 18, sie 15 Jahre alt.

Die Hochzeit: War nicht so einfach. Die deutschen Behörden verlangten eine „Ehefähigkeitsbescheinigung“ – in Idaho kannte man so etwas nicht. Im September 1978 klappte es dann doch noch. Morgens standesamtlich, nachmittags kirchlich in einer Waldkapelle. Michael: „Einfach und klein.“ Heather: „Ich hatte auch nicht viel Zeit. Wir haben zwischen zwei Flügen geheiratet.“ Gerade erst hatte sie als Stewardess angefangen, Urlaub konnte sie sich da keinen nehmen. Heather: „Aber als wir vor zehn Jahren Silberhochzeit hatten, da haben wir ein richtig großes Fest geschmissen.“

Der Alltag: Aufstehen um sechs, der erste Kaffee gemeinsam im Bett, dann fährt Heather in die Praxis. Wenn er nicht für den Job unterwegs ist, hat Michael mittags gekocht. Heather: „Uns ist gutes Essen sehr, sehr wichtig.“ Ansonsten würde ihr Leben „total“ durch ihre Praxis bestimmt: „Life is a vacation, if you enjoy working hard. Das ist eigentlich mein Lebensmotto.“

Wie finden Sie Merkel? Heather: „Ich bewundere ihre Energie.“ Michael: „Sie ist eine Powerfrau.“ Aber ihr Europakurs sei „zu deutsch-nationalistisch“, mit fatalen Folgen für ein Land wie Griechenland. Heathers Tante wohnt in Athen. Michael: „Da sieht man die katastrophalen Auswirkungen.“

Wann sind Sie glücklich? Heather: „Ich bin eigentlich immer glücklich.“ Michael: „Meine Frau hat den amerikanischen Optimismus.“

Nächstes Mal treffen wir Familie Maas in Großrosseln. Wenn Sie auch einmal von uns besucht werden möchten, schicken Sie uns eine Mail an hausbesuch@taz.de

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