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Wenn der Müll zum Handeln zwingt

Der Streik im öffentlichen Dienst geht in die zweite Woche. Angesichts der Abfallberge gibt sich der Senat als kommunaler Arbeitgeber verhandlungsbereit. Notdienstvereinbarungen sichern Abtransport hygienisch problematischen Unrates

VON KAI VON APPEN

In den Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes in Hamburg scheint zu Beginn der zweiten Streikwoche Bewegung zu kommen. Zwar sorgen wachsende Müllberge infolge des Ausstands bei der Stadtreinigung (SRH) für Druck und zwingen den CDU-Senat auf kommunaler Ebene dazu, Kompromissbereitschaft zu signalisieren. Andererseits war beim Spitzengespräch zwischen der Gewerkschaft ver.di und der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) – in der Hamburg in Sachen 40-Stunden-Woche eine treibende Kraft darstellt – am Abend keine Annäherung in Sicht. Der Schein trügt also – und die Streiks werden fortgesetzt.

Wegen des Berliner Spitzengesprächs zwischen ver.di-Bundeschef Frank Bsirske und TdL-Verhandlungsführer Hartmut Möllring ging der Arbeitskampf gestern an der Elbe aber zunächst auf Sparflamme weiter. Lediglich die Müllwerker sowie die Beschäftigten der Straßenreinigung setzten ihren unbefristeten Ausstand fort.

Indes forderte der Verhandlungsführer der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg (AVH), Staatsrat Volkmar Schön, ver.di zu lokalen Verhandlungen auf. In der AVH sind die kommunalen Betriebe Hamburgs zusammengeschlossen – von der SRH über die Theater bis zum Flughafen. Auf Bundesebene hatte die Tarifgemeinschaft der Kommunen den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes zunächst anerkannt. Hamburg jedoch kündigte dann den Arbeitszeitpassus mit der festgeschriebenen 38,5-Stunden-Woche einseitig auf.

„Beide Seiten haben ihre Standpunkte mehrfach ausgetauscht“, schrieb nun Schön an ver.di-Landeschef Wolfgang Rose. „Am Verhandlungstisch sollten wir nunmehr verstärkt ausloten, wie wir konstruktiv nach Kompromissen suchen.“ Der AVH stehe dafür „jederzeit, auch sehr kurzfristig zur Verfügung“, so Schön.

Rose dementierte Verlautbarungen der Staatlichen Pressestelle, wonach er Gespräche abgelehnt habe. Die könnten „kurzfristig stattfinden“, so Rose, wenn klar sei, „was in Berlin passiert ist“. Er verweist jedoch darauf, dass es seitens der AVH keine neuen Argumente gebe. „Nur weil der Müll so lange liegt, ist das keine neue Basis.“

Um den Müll hat sich ver.di indes selbst den Kopf zerbrochen: Damit es in einigen Regionen nicht unerträglich wird, haben sich SRH und die ver.di-Streikleitung gestern auf weitere Notdienstvereinbarungen verständigt. Neben der Müllentsorgung an Krankenhäusern, Altenheimen und Kindertagesstätten werden morgen und am Donnerstag zwei Kolonnen auf der Reeperbahn und Umgebung unterwegs sein, um „die gröbsten Verunreinigungen und Müllberge“ zu beseitigen. „Wir gehen im Interesse der Bürger unserer Stadt mit Fingerspitzengefühl vor“, erklärte Rainer Hahn von der Streikleitung. SRH-Geschäftsführer Rüdiger Siechau lobt die „Kooperationsbereitschaft“ der Gewerkschaft, die von „Augenmaß“ geprägt sei.

Seit Tagen schon fahren Sonderkolonnen vor Recyclinghöfen „verkehrs- und umweltgefährdenden Sperrmüll“ ab. „Wenn aber Imbissbesitzer bewusst Abfälle auf die Straße kippen, stellt das eine strafbare Handlung dar“, so Rose. „Dafür ist die Polizei zuständig.“

Die könnte anderweitig beschäftigt sein: Gemeinsam mit ver.di ruft die Gewerkschaft der Polizei zum Aktionstag auf. Dass es ver.di weiterhin ernst meint, zeigt der Aufruf an die 450 Bäderland-Mitarbeiter, morgen für einen Tag lang nun auch alle Bäder zu bestreiken.

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