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Kaum Hilfe für das Tribunal

Belgrad bereitet die Öffentlichkeit auf die Verhaftung von Ratko Mladić vor. Ein Sinneswandel ihm gegenüber hat in Serbien jedoch nicht stattgefunden

AUS BELGRAD ANDREJ IVANJI

Kein Rauch ohne Flamme. Laut diesem Sprichwort hätte der bosnisch-serbische General Ratko Mladić schon am Dienstag im Gefängnis des UN-Tribunals für Kriegsverbrechen in Den Haag hinter Schloss und Riegel sein sollen. Denn es rauchte in Serbien aus allen Röhren.

Medien wetteiferten miteinander, wer die besten Informationen und die zuverlässigsten Quellen zur Verhaftung des steckbrieflich gesuchten Generals hat. Berichte spekulierten von einer „Umzingelung“ und „Hausarrest“, über Verhandlungen mit Mladić, sich zu ergeben, bis zur schon vollzogenen Auslieferung an das Tribunal über Exjugoslawien. Es wurde gemunkelt, Mladić wolle sich freiwillig stellen, um die auf seinen eigenen Kopf ausgeschriebene Prämie von 5 Millionen Dollar zu kassieren.

Die serbische Regierung dementierte alles. Wenn jemand Mladić verhaftet hätte, dann seien es die Medien, hieß es trocken. Eine genauere Erklärung blieb die Regierung schuldig. Wilde Mediengeschichten über Mladić würden nur den Bemühungen der Behörden schaden, die Zusammenarbeit mit dem Tribunal erfolgreich zu Ende zu führen.

Auf den Straßen Belgrads war gestern nichts von der ganzen Aufregung zu spüren. Auf Mladić angesprochen, zuckten die meisten Passanten die Achseln. „Schon wieder ist er angeblich verhaftet. Zum wievielten Mal eigentlich in den letzten Jahren?“, spottete ein älterer Herr. Ob man den „kriegsverbrecherischen Dreck“ endlich loswerden sollte oder ob es eine „Schande ist, serbische Helden dem gegen Serben gerichteten politischen Tribunal“ auszuliefern – darüber ist die Meinung der Bevölkerung geteilt.

In der serbischen Armee, bei Polizei, Sondereinheiten und Geheimdiensten aber befinden sich an führenden Positionen immer noch die gleichen Leute, die mit General Ratko Mladić in den Krieg zogen „um das serbische Volk und serbische Interessen zu verteidigen“, konnte man im politischen Magazin Vreme lesen. Reformen sind im Sicherheitsapparat nicht durchgezogen worden. Der Generalstab gab kürzlich zu, dass sich Mladić bis Mitte 2002 in militärischen Objekten in Serbien aufhielt. Es wird vermutet, dass ihn heute noch Teile des militärischen Geheimdienstes beschützen und logistisch unterstützen.

Der Verteidigungsminister von Serbien und Montenegro, Zoran Stanković, rief Mladić dazu auf, sich freiwillig zu stellen – oder sich das Leben zu nehmen. Der erste Mann der Armee machte aber keinen Hehl daraus, dass er privat mit Mladić eigentlich sympathisiere.

Auch die Aussagen von engen Mitarbeitern des nationalkonservativen Premiers Vojislav Koštunica in den vergangenen Tagen erweckten den Eindruck, dass Belgrad tatsächlich die Öffentlichkeit auf die Verhaftung des Generals vorbereitet. Denn davon hinge der Prozess der europäischen Integration Serbiens und damit die Existenz des Staates ab, verkündete man.

Zu einem Sinneswandel ist es in Serbien allerdings nicht gekommen. Premier Koštunica betonte oft, dass das Tribunal eine „politische“ und keine „rechtliche“ Institution sei. Die Regierung spricht zwar von „technischen“ Problemen bei der Verhaftung von Mladić. Die halbherzigen Fahndungsaktionen und die auch sonst mangelnde Zusammenarbeit mit dem Tribunal könnten aber eher als „moralische“ Bedenken der serbischen Spitzenpolitiker gedeutet werden. Wenn Mladić in Serbien verhaftet wird, dann nicht, weil man daran glaubt, dass er sich wegen Kriegsverbrechen vor dem UN-Tribunal verantworten und Serbien seine Vergangenheit bewältigen sollte. Sondern weil Belgrad zu dem harten Handel mit Brüssel gezwungen ist: Wenn Mladić nicht in Kürze ausgeliefert wird, könnte die EU schon Ende Februar die Fortsetzung der für Serbien lebenswichtigen Verhandlungen über das Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommen suspendieren.

Derzeit verhandelt Belgrad über den zukünftigen Status des Kosovo. In Montenegro wird spätestens Mitte Mai das Referendum über die Unabhängigkeit abgehalten wird. In dieser Situation kann es sich die brüchige serbische Minderheitsregierung nicht leisten, die Tür nach Europa zu schließen.

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